Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Muss ich es hinnehmen, dass ohne meine Einwilligung ein Praxisprofil auf Arztbewertungsportalen geführt wird? • Wie stehen die Chancen, dass eine Anstellung einer angestellten Ärztin in unserem MVZ durch Sonderbedarfsfeststellung in einem Umfang von 10 Wochenstunden genehmigt wird? • Praxisnachfolge: Kriterien für die Rechtmäßigkeit der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes

Praxisnachfolge

Herr Dr. A. aus Bonn:

Ich bin Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie. Ich habe mich auf einen ausgeschriebenen Vertragsarztsitz fristgerecht beworben und auch den Zuschlag erhalten. In dem Nachbesetzungsverfahren gab es zwei Mitbewerber, wovon einer gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses (ZA) Widerspruch eingelegt hat. Der Berufungsausschuss (BA) hat dann auf den Widerspruch meine Zulassung aufgehoben und – zur Überraschung aller – die Nachbesetzung des ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes insgesamt abgelehnt. Der Vorsitzende meinte in der mündlichen Verhandlung, der Abgeber könne keine fortführungsfähige Praxis übergeben, weil er diese spätestens seit der Ausschreibung wegen Krankheit nicht mehr betrieben habe. Die Klagefrist läuft in drei Wochen ab. Was soll ich tun?

Herr Rothfuß:

„Erheben Sie auf jeden Fall Klage gegen die Entscheidung des BA. Diese kann nach einem Urteil des LSG NRW (Urt. v. 02.12.2020, L 11 KA 46/19) keinen Bestand haben. Das LSG NRW vertritt die Auffassung, dass der BA überhaupt nicht mehr prüfen durfte, ob eine fortführungsfähige Praxis vorlag oder nicht; diese Entscheidung habe der ZA rechtskräftig bereits entschieden durch die Stattgabe der Ausschreibung. Der BA sei an diese Entscheidung des ZA gebunden. Außerdem hätte er – selbst wenn ihm insoweit eine Prüfungskompetenz zuzugestehen wäre – auf den Praxisbetrieb bei Stellung des Antrags auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens abstellen müssen und nicht auf einen späteren Zeitraum.“

Arztbewertungsportal

Frau N. aus Konstanz:

Ich habe in der jüngeren Vergangenheit zunehmend die Erfahrung gemacht, dass Patienten schnell mal Negativ­bewertungen bei jameda einstellen. Ich bin es jetzt leid, mich darüber zu ärgern oder dagegen zur Wehr setzen zu müssen. Da ich nie zugestimmt habe, dass jameda über meine Praxis ein Profil führt, möchte ich das Portal jetzt auffordern, mein Praxisprofil dort zu löschen. Geht das?

Herr Rothfuß:

„Damit werden Sie leider keinen Erfolg haben. Der BGH hat am 12.10.2021 (Az. VI ZR 488/19 und IV ZR 489/19) in zwei Verfahren solchen Begehren eine Absage erteilt. Das von der Beklagten betriebene Portal erfülle eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion. Ärzte müssten es daher grundsätzlich hinnehmen, dass auch ohne ihre ausdrückliche Einwilligung auf Arztbewertungsportalen Praxisprofile geführt würden. Es diene dem öffentlichen Interesse unter dem Aspekt der freien Arztwahl.“

Sonderbedarfsfeststellung

Herr Dr. P. aus Frankfurt a. M.:

Ich bin Leiter eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit den Fachrichtungen Gynäkologie, Dermatologie und Psychotherapie. Wir möchten unser MVZ um die gynäkologische Onkologie erweitern und haben auch eine qualifizierte Fachärztin gefunden, die wir in Teilzeit im MVZ anstellen möchten. Da wir keine unbesetzten Sitze im MVZ haben, sind wir auf die Idee gekommen, die Anstellung im Sonderbedarf zu beantragen. Die Ärztin möchte maximal zehn Wochenstunden arbeiten. Sehen Sie ein Hindernis?

Herr Rothfuß:

„Leider kann ich nicht ohne Weiteres beurteilen, ob in Ihrem konkreten Fall die spezifischen Versorgungsdefizite den Sonderbedarf begründen können. Ich muss Sie aber darauf hinweisen, dass Ihr Antrag voraussichtlich auf ein formal-juristisches Hindernis stoßen wird: Denn nach Auffassung des LSG Baden-Württemberg (Urt. v. 28.04.2021, L 5 KA 184/18) sei die Erteilung einer 0,25-Sonderbedarfsanstellung per se ausgeschlossen. Zwar könne nach § 36 Abs. 8 der Bedarfsplanungsrichtlinie ein Sonderbedarf (so er denn besteht) auch durch die Anstellung eines Arztes erfolgen. In der Begründung dieser Regelung sei aber eine Teilanstellung mit dem Faktor 0,25 oder 0,75 im Sonderbedarf ausgeschlossen worden. Voraussetzung sei, dass mit dem Sonderbedarf eine angemessene Zahl an Patienten und eine angemessene Fläche versorgt werde. Dieser Versorgungsbeitrag lasse sich aber nicht auf 0,25- oder 0,75-Stellen eingrenzen. Deshalb soll ein Sonderbedarf in Anstellung nur mit den Faktoren 0,5 oder 1,0 erfolgen.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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