Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Was ist bei der Beschäftigung einer Entlastungsassistenz während der Erziehung von Kindern unter 18 Jahren zu beachten? • Angebot von Corona-Selbsttest-Zertifikaten online: Wie sind Corona-Selbsttest-Zertifikate, die ohne Arztkontakt zustande gekommen sind, zu bewerten?

Zeit für Kindererziehung

Herr Dr. U. aus Halle:

Ich führe eine orthopädische Einzelpraxis in einer eher ländlich geprägten Gegend. Meine durchschnittliche Fallzahl liegt bei ca. 1.500 Patientinnen und Patienten. Außerdem bin ich Vater von zwei schulpflichtigen Kindern (14 und 16 Jahre alt). Eine Kollegin, die im Krankenhaus arbeitet und derzeit in Elternzeit ist, würde gerne an zwei Tagen in der Woche halbtags bei mir arbeiten; das Krankenhaus hat keine Einwände. Das käme mir auch deshalb entgegen, weil ich mich dann auch verstärkt um meine Kinder kümmern könnte, was Corona-bedingt ohnehin aufwändiger ist. Für mich stellt sich die Frage, auf welchem Weg ich die Kollegin in meiner Praxis anstellen kann. Da sie nach Ende ihrer Elternzeit (in 18 Monaten) auf jeden Fall ins Krankenhaus zurückkehren möchte, möchte ich den Aufwand möglichst klein halten; außerdem möchte ich auch nicht „gedeckelt“ werden. Haben Sie eine Idee?

Herr Rothfuß:

„Aus meiner Sicht bietet sich hierfür die sog. Entlastungsassistenz an. Wenn Sie Ihren Versorgungsauftrag beispielsweise wegen der Erziehung von Kindern – wie in Ihrem Fall – aktuell nicht ausreichend persönlich wahrnehmen können, können Sie sich eine Entlastungsassistenz nach § 32 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Ärzte-ZV bis zu 36 Monate genehmigen lassen. Den Grund für die Entlastungs­assistenz müssen Sie glaubhaft machen; dies geschieht in Ihrem Fall in der Regel durch die Vorlage der Geburtsurkunden Ihrer Kinder. Das BSG hat am 14.07.2021 (B 6 KA 15/20 R) in diesem Zusammenhang klargestellt, dass Kinder im Sinne dieser Regelung Kinder bis zur Volljährigkeit sind; in dem dortigen Rechtsstreit hatte die beklagte KV die Auffassung vertreten, die Regelung zur Entlastungsassistenz gelte nur bei Kindern bis zur Vollendung des 8. (in Anlehnung an das BEEG) bzw. des 14. Lebensjahres (in Anlehnung an die Abgrenzung Kind – Jugendlicher). Da Ihre Kinder 14 und 16 Jahre alt sind, wäre eine Entlastungsassistenz nach § 32 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Ärzte-ZV für die 18 Monate, für die Ihre Kollegin zur Verfügung stünde, möglich. Übrigens: Die Zeitspanne von 36 Monaten gilt dabei für jedes Kind bis zur Volljährigkeit.“ 

Selbsttest-Zertifikate ohne Arztkontakt

Herr J. aus Wolfsburg:

Wir sind in Berufsausübungsgemeinschaft niedergelassene Hausärzte. Wir sind von einem Online-Anbieter angesprochen worden. Der Anbieter möchte uns beauftragen, für Corona-Selbsttests Zertifikate auszustellen. Wir haben uns das Online-Angebot einmal angeschaut: Der Kunde meldet sich in dem Portal an, macht einen Selbsttest, muss einen Fragebogen ausfüllen und erhält danach das beworbene Selbsttest-Zertifikat als Datei übermittelt. Das Zertifikat ist von einer Ärztin oder einem Arzt ausgestellt mit der Bestätigung, dass die Person symptomfrei und der Selbsttest unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt worden sei. Auf Nachfrage erklärte uns der Anbieter, dass der Kunde das Testergebnis in dem Portal lediglich mitteilt; eine Kontrolle sei nicht vorgesehen. Sollen wir auf das Angebot eingehen?

Herr Rothfuß:

„Lassen Sie sich bitte nicht auf das Angebot ein. Denn es spricht viel dafür, dass das Angebot jedenfalls wettbewerbswidrig ist. Darüber hinaus dürfte es auch für Sie berufsrechtswidrig sein. Jedenfalls hat das LG Hamburg am 07.12.2021 (Az. 406 HKO 129/21) ein ähnliches Online-Angebot als irreführend eingestuft und vorläufig untersagt. Außerdem würden Sie ärztlicherseits etwas bestätigen, was nach dem beschriebenen Angebot tatsächlich nicht stattfindet: Denn der Selbsttest ist gerade nicht unter Ihrer Aufsicht durchgeführt worden, sodass auch keine ärztliche Kontrolle des Testergebnisses möglich ist. Meines Erachtens dürfte dies auch einen Verstoß des § 7 Abs. 4 der ärztlichen Berufsordnung darstellen, da zwischen Ärztin oder Arzt und Kunde überhaupt keine Interaktion stattfindet. Bitte beachten Sie darüber hinaus: Das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse ist nach § 278 StGB sogar strafbewährt. Ob das auch in diesem Fall einschlägig wäre, müsste nach den Umständen des Einzelfalls bewertet werden.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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