Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Eine meiner auszubildenden MFA war bei einer Prüfung in der Berufsschule krank. Am Tag der Nachholprüfung erschien sie bei mir in der Praxis, um eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abzugeben. Später am Tag habe ich sie im Fitnessstudio beim intensiven Krafttraining gesehen, zur Prüfung war sie nicht gegangen. Kann ich sie fristlos entlassen, da sie ihre Krankheit offensichtlich nur vorgetäuscht hat? Diese und weitere Fragen beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Nachweispflicht gegen COVID-19

Frau Dr. H. aus Berlin

Ich betreibe alleine eine Praxis als Haus­ärztin und setze vor allem auf alternative Heilmethoden. Ich bin nicht gegen Corona geimpft. Ich teste mich täglich vor Arbeitsbeginn auf Corona, damit sind auch meine Patienten ausreichend geschützt. Seit dem 15. März 2022 schreibt mir § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) vor, dass ich über einen Impf- oder Genesenennachweis verfügen muss. Das verstößt doch gegen mein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Herr Rothfuß:

„Das Bundesverfassungs­gericht (BVerfG) sieht dies anders: Die Pflicht zum Nachweis einer Impfung bzw. des Genesenenstatus aus § 20a IfSG verstoße nicht gegen das Grundgesetz (BVerfG Beschl. v. 27.04.2022, Az. 1 BvR 2649/21). Dabei beschäftigte sich das BVerfG auch mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Zwar sei dieses Grundrecht berührt, da denen, die keinen Nachweis erbringen können, Bußgelder oder sogar Betätigungsverbote drohen. Allerdings rechtfertige der Zweck diesen Eingriff, da besonders vulnerable Menschen geschützt werden müssten. Das BVerfG setzte sich auch mit dem Stellenwert von Schnelltests auseinander. Schnelltests gegen SARS-CoV-2 seien gerade zu Beginn einer Infektion nicht hinreichend verlässlich und böten daher keinen gleichwertigen Schutz wie eine Impfung. Das BVerfG befasste sich auch mit möglichen Nebenwirkungen einer Impfung und kam zu dem Ergebnis, dass der Schutz vulnerabler Patientengruppen schwerer wiege als „extrem seltene Einzelfälle“ von schweren Folgen einer COVID-19-Impfung.“

Vorgetäuschte Erkrankung

Frau Dr. W. aus Bielefeld

Eine meiner auszubildenden MFA war bei einer Prüfung in der Berufsschule krank. Am Tag der Nachholprüfung erschien sie bei mir in der Praxis, um eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abzugeben. Später am Tag habe ich sie im Fitnessstudio beim intensiven Krafttraining gesehen, zur Prüfung war sie nicht gegangen. Kann ich sie fristlos entlassen, da sie ihre Krankheit offensichtlich nur vorgetäuscht hat?

Herr Rothfuß:

„Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Siegburg, das am 17.03.2022 einen ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden hatte (Az.: 5 Ca 1849/21), kann eine fristlose Kündigung tatsächlich rechtmäßig sein. Das Gericht sah eine erhebliche Pflichtverletzung darin, dass die Auszubildende sich die Arbeitsunfähigkeit nur hatte bescheinigen lassen, um nicht an der Nachholprüfung teilnehmen zu müssen. Als Arbeitgeber sei es nicht hinnehmbar eine falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt zu bekommen, wenn diese nur dem Zweck diene an einer schulischen Prüfung nicht teilnehmen zu müssen, insbesondere, wenn es sich um eine Nachholprüfung handelt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.“

Jungpraxis mit wenig Patienten

Herr Dr. K. aus Halle

Ich habe mich kurz vor Beginn der Corona-­Pandemie niedergelassen. In den ersten sieben Quartalen konnte ich nur 15 Fälle abrechnen. Nun wurde mir die Zulassung entzogen, weil ich meine Vertragsarzt­tätigkeit angeblich nicht ausgeübt hätte. Dabei war ich während meiner Sprechzeiten immer erreichbar. Auch habe ich für ca. 25 Patienten im Monat Videosprechstunden durchgeführt. Weil diese aber kaum abgerechnet werden können, habe ich die Abrechnung bisher zurückgestellt. Kann mir einfach die Zulassung entzogen werden, obwohl die Coronakrise Schuld an meinen geringen Fallzahlen war?

Herr Rothfuß:

„Nach § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V ist die Zulassung eines Vertragsarztes zu entziehen, wenn er seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht (mehr) ausübt. Von einer Nichtausübung kann nach der Rechtsprechung bei einer Fallmenge pro Quartal unter 10 % des Fachgruppendurchschnitts ausgegangen werden. Das SG Marburg bestätigte am 30.03.2022 in einem sehr ähnlichen Fall (Az.: S 12 KA 226/21), dass eine Abrechnung von 15 Fällen in sieben Quartalen unter 1 % des Fachgruppendurchschnitts liege und daher von einer Nichtausübung der Tätigkeit auszugehen sei. Die angebotenen Sprechzeiten seien irrelevant, es komme nur auf die tatsächlich ausgeübte Vertrags­arzttätigkeit an. Die Videosprechstunden könnten nicht berücksichtigt werden. Nicht abgerechnete Leistungen gelten als nicht erbracht. Es sei unerheblich, ob beabsichtigt gewesen sei, den Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen oder nicht, oder ob bloß äußere Umstände, wie die Corona­krise, den Praxisaufbau verhindert hätten.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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