Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Wir lagern immer einen gewissen Vorrat an Impfstoffen im Kühlschrank unserer Praxis. Nachdem ein Relais in dem Kühlschrank kaputt ging, mussten wir die Impfstoffe im Wert von ca. 24.000 € vernichten. Müssen wir die Kosten für die verworfenen Impfstoffe tragen? • Mehrfache Plausibilitätsprüfung: Muss ich eine zweite Honorarrückforderung auch noch begleichen? • Eine Patientin verlangt Schadensersatz von uns, da sie nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Allerdings habe ich sie aufgeklärt und sie hat auch ein entsprechendes Aufklärungsblatt unterzeichnet.

Verworfene Impfstoffe

Herr Dr. M. aus Lüneburg

Wir lagern stets einen Vorrat an Impfstoffen im Praxis-Kühlschrank, um diese bei Bedarf direkt in der Sprechstunde verimpfen zu können. Vor einiger Zeit ging ein Relais im Kühlschrank kaputt, sodass nicht mehr die für die Lagerung vorgeschriebene Temperatur herrschte. Nach Rücksprache mit den Herstellern mussten wir die Impfstoffe im Wert von ca. 24.000 € vernichten. Wir beschafften ersatzweise Impfstoffe über den Sprechstundenbedarf. Nun erreichte uns eine Regressforderung in Höhe von 24.000 € für die vernichteten Impfstoffe. Dabei haben wir doch einen der DIN entsprechenden Medikamenten- und Impfstoffkühlschrank verwendet. Müssen wir die Kosten tragen?

Herr Rothfuß:

„Das BSG bestätigte mit Urteil vom 29.06.2022 (Az.: B 6 KA 14/21 R) ein Urteil des SG Magdeburg vom 14.07.2021 (Az.: S 1 KA 25/17), nachdem ein solcher Regress rechtmäßig sei. Es handle sich nicht um einen verschuldensabhängig zu ersetzenden sonstigen Schaden gem. § 48 BMV-Ä. Der Regress wurde auf § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB V gestützt, da die Verordnung unwirtschaftlich gewesen sei. Bei diesem Regress komme es nicht auf ein Verschulden des Arztes an. Es genüge insofern, dass der Schaden wegen der Fehlfunktion eines Geräts in der Praxis eingetreten sei. Der Vertragsarzt habe die Möglichkeit, das Risiko eines Schadenseintritts in der Praxis zu beeinflussen, sei es etwa durch Auswahl und Überwachung seiner Geräte als durch die Menge an Impfstoffen, die er vorrätig hat. Eine andere Beurteilung könnte im – hier aber nicht einschlägigen Fall – höherer Gewalt (etwa bei Schäden durch ein Naturereignis) geboten sein.“

Mehrfache Plausibilitätsprüfung

Herr Dr. L. aus Velbert

Ich betreibe eine hausärztliche Einzel­praxis. Nachdem bei mir für die Quartale I/16 bis I/17 eine Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen durchgeführt wurde, erreichte mich eine Honorarrückforderung über 5.000 €. Diese habe ich beglichen. Später teilte die KV mir mit, dass nun für den gleichen Zeitraum eine patientenbezogene Plausibilitätsprüfung durchgeführt würde. Sie setzte für die gleichen Quartale eine weitere Honorarrückforderung fest. Muss ich diese auch noch begleichen? 

Herr Rothfuß:

„Am 01.08.2022 hat das SG Marburg (Az.: S 18 KA 52/16) entschieden, dass die KV ihr Prüfungsrecht für eine weitere Plausibilitätsprüfung grundsätzlich verbraucht hat, wenn sie bereits eine Plausibilitätsprüfung über einen bestimmten Abrechnungszeitraum durchgeführt und eine Neufestsetzung des Honorars erlassen hat. Eine Ausnahme soll nur gelten, wenn die KV sich eine solche vorbehält. Erfolge kein solcher Hinweis, sei ein Arzt grundsätzlich schutzwürdig in seinem Vertrauen. Der Vertrauensschutz begrenze dann das Recht der KV zur erneuten sachlich-rechnerischen Richtigstellung für denselben Zeitraum. Der Vertrauensschutz steht damit in Ihrem Fall der zweiten Rückforderung entgegen, es sei denn, die KV hatte sich im ersten Rückforderungsbescheid eine weitere Prüfung vorbehalten. Formal müssen Sie gegen den Bescheid fristgerecht Widerspruch einlegen.“

Unzureichende Aufklärung

Frau Dr. C. aus Koblenz

Ich bin als Orthopädin in einer BAG tätig. Vergangenen März habe ich bei einer Patientin einen Tennis­arm diagnostiziert und ihr zur Behandlung, nachdem ich sie über die Risiken der Behandlung aufgeklärt hatte, Triam/Xylonest subkutan injiziert. Später kam es zu einer Gelenk­infektion mit S. aureus, die operativ behandelt werden musste. Nun verlangt die Patientin 25.000 € Schadensersatz, da sie nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Allerdings hat sie auch ein Aufklärungsblatt unterzeichnet.

Herr Rothfuß:

„Mit Urteil vom 15.02.2022 (Az.: 26 U 21/21) gestand das OLG Hamm einer Patientin in einem ähnlichen Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zu. Die behandelnde Ärztin konnte nur nachweisen, dass sie die Patientin über die Risiken der Injektion aufgeklärt hatte. Das Gericht ging von einer unzureichenden Aufklärung aus, denn es habe keine ausreichende Aufklärung über Behandlungsalternativen und die Erfolgsaussichten der Injektionstherapie stattgefunden. Wenn zur Behandlung mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten mit unterschiedlicher Belastung des Patienten und unterschiedlichen Risiken und Erfolgsaussichten zur Verfügung stünden, müsse ein Arzt über diese aufklären. Zudem hätte die Patientin über die begrenzten Erfolgsaussichten der Behandlung durch die Injektion (laut Sachverständigem 30 %) aufgeklärt werden müssen. Es genügt damit nicht, bloß über die Risiken einer Behandlung aufzuklären, wenn, wie in diesem Fall, mehrere gleichwertige Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung