Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub? • Entsperrung eines Planungsbereichs

Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub?  

Frau Dr. N. aus Ratingen

Ich bin Gynäkologin und beschäftige mehrere Medizinische Fachangestellte (MFA). Eine meiner MFA hat nun nach über zehn Jahren der Anstellung gekündigt und verlangt eine finanzielle Vergütung für 101 Tage bezahlten Jahresurlaub, den sie zwischen 2013 und 2017 nicht genommen hatte. Kann es sein, dass meine ehemalige Mitarbeiterin nach so vielen Jahren eine Vergütung für diesen Urlaub beanspruchen kann?

Herr Rothfuß:

„Grundsätzlich verjährt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaub gem. §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Damit wäre der Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 mit Ende des Jahres 2020 verjährt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 22.09.2022 (Az.: C-120/21) allerdings entschieden, dass EU-Recht der Verjährung eines Urlaubsanspruchs bzw. der finanziellen Vergütung für nicht genommenen Urlaub entgegensteht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht „tatsächlich in die Lage versetzt hat, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wahrzunehmen“. Insofern treffen den Arbeitgeber „Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer“. Die bedeuten, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bzw. auf finanzielle Vergütung nicht genommenen Urlaubs nur innerhalb von drei Jahren verjährt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor aufgefordert hat, den Urlaub auch zu nehmen. Es ist daher dringend zu empfehlen, die Arbeitnehmer entsprechend – auch nachweislich dokumentiert – zur Inanspruchnahme des Urlaubs anzuhalten. Wenn Sie dies nicht getan haben oder nicht nachweisen können, könnte das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die EuGH-Entscheidung eine Verjährungseinrede als rechtsmissbräuchlich zurückweisen.“

Entsperrung eines Planungsbereichs

Herr Dr. R. aus Karlsruhe

Wir sind eine Berufsausübungsgemeinschaft aus drei Orthopäden. Der Landes­ausschuss hat für unseren Planungsbereich eine partielle Entsperrung beschlossen und einen zusätzlichen vollen Vertragsarztsitz für die Fachgruppe der Orthopäden ausgeschrieben. Wir haben uns auf diesen Sitz beworben und wollten ihn mit einem angestellten Arzt besetzen. Der Zulassungsausschuss hat allerdings einen anderen Bewerber ausgewählt. Wir haben daraufhin Widerspruch gegen die Zulassung des anderen Bewerbers eingelegt, da uns aufgefallen war, dass der Landesausschuss der Öffnung des Planungs­bereichs völlig veraltete Einwohnerzahlen aus den 80er Jahren zugrundegelegt hat. Tatsächlich leben über 6.000 Einwohner weniger im Planungsbereich als angenommen. Indem nun ein weiterer Orthopäde im Planungsbereich zugelassen wurde, ohne dass es mehr Einwohner zu versorgen gäbe, wird unsere Praxis doch faktisch entwertet. Können wir uns hiergegen irgendwie wehren?

Herr Rothfuß:

„Einen ähnlich gelagerten Fall hat das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein mit Urteil vom 29.03.2022 (Az.: L 4 KA 24/18) entschieden. Grundsätzlich könne der Widerspruch eines Dritten gegen eine Zulassung nur darauf gestützt werden, dass eine Norm mit „drittschützender Wirkung“ verletzt worden sei. Die widersprechende Partei muss also geltend machen können, dass durch die Entscheidung eine Norm verletzt wurde, die gerade dazu dient, sie selbst zu schützen. Die Öffnung des Planungsbereichs beruht auf § 103 Abs. 3 SGB V, in dem es heißt: „Die Zulassungsbeschränkungen sind aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Überversorgung entfallen sind.“ Diese Norm gebiete aber aus Sicht des LSG keine Prüfung eines Versorgungsbedarfs. Die Öffnung des Planungsbereichs setze lediglich voraus, dass der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad nicht (mehr) um 10 % überschritten wird. Damit schütze – so das LSG – diese Norm keine Belange derjenigen, die bereits im Gebiet tätig sind. Dass die Arztstelle besetzt werden könne, stehe für den Zulassungsausschuss mit der partiellen Öffnung – ohne eigenes Prüfungsrecht – fest; er entscheide also lediglich darüber, wer für den freien Vertrags­arztsitz zugelassen wird. Dementsprechend könnten bei einem Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses für einen bestimmten Bewerber keine Einwände dagegen erhoben werden, dass der Planungsbereich überhaupt geöffnet wurde – eine Ausnahme komme in Betracht, wenn die Öffnung willkürlich auf einer fehlerhaften Datenbasis erfolgte (dies war im entschiedenen Fall allerdings nicht gegeben). Die Bedarfsplanung dient im Übrigen nicht dem Zweck, dass bestehende Praxen in ihrem Marktwert nicht beeinträchtigt werden. Ob die Zugrundelegung einer zu hohen Einwohnerzahl hier unter dem Aspekt des Drittschutzes angreifbar ist, dürfte insbesondere davon abhängen, ob sich dies dann tatsächlich auf den Versorgungsgrad ausgewirkt hat.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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