Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Kann die KV eine Erhöhung der Fallzahlen in dem RLV verweigern, wenn nach dem Weggang eines ärztlichen Kollegen kein Fallzahlrückgang zu verzeichnen ist? Ist eine Klausel zur Abgeltung von Überstunden im Arbeitsvertrag ungültig? Ist es erlaubt angesichts einer drohenden Überschreitung von Prüfzeiten, die betreffenden Leistungen einfach nicht abzurechnen?

Fallzahlerhöhung

Herr Dr. B. aus München:

Wir führen eine orthopädisch-unfallchirurgische Berufsausübungsgemeinschaft mit insgesamt fünf zugelassenen Vertragsärzten. Bis vor kurzem waren wir allerdings sechs Vertragsärzte. Ein Kollege hat die Praxis verlassen und dabei seine Zulassung mitgenommen. Er hat sich einem MVZ angeschlossen, das über 20 km von unserem Standort entfernt liegt. Wir haben nach seinem Weggang keinen Fallzahlrückgang zu verzeichnen. Trotzdem verweigert die KV die Erhöhung der Fallzahlen in unserem RLV auf das Niveau vor dem Weggang des Kollegen. Das kann doch nicht rechtens sein?

Herr Rothfuß:

„Das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22.12.2020, L 7 KA 45/16) hält das in der Tat für rechtens. Das Gericht lehnte dort einen Anspruch auf Fallzahlerhöhung in einem gleichgelagerten Sachverhalt ab. Die Systematik der Regelleistungsvolumina (RLV) sei ein Instrument der Mengensteuerung. Zwar könne die „Aufgabe einer Zulassung“ nach den honorarrechtlichen Regularien eine Fallzahl­erhöhung im RLV ausnahmsweise begründen. Hier liege aber gerade keine „Aufgabe der Zulassung“ vor. Von einer „Aufgabe der Zulassung“ als Tatbestandsvoraussetzung für eine RLV-Erhöhung könne nur die Rede sein, wenn die Zulassung tatsächlich beendet wird. Das sei aber bei einer Mitnahme und Fortführung an anderer Stelle gerade nicht der Fall. Würde auch dieser Fall eine RLV-Erhöhung ausnahmsweise begründen, liefe dies der Systematik der Mengensteuerung zuwider, da damit dann eine (unerwünschte) Mengenausweitung stattfinde.“

Überstundenabgeltung

Frau Dr. R. aus Krefeld:

Wir vereinbaren in unserer Praxis mit allen Mitarbeitern grundsätzlich im Arbeitsvertrag, dass Überstunden nicht gesondert vergütet werden, sondern mit der vereinbarten Vergütung als abgegolten gelten. Jetzt hat ein Rechtsanwalt in einem Seminar behauptet, eine solche Klausel sei unwirksam. Ist das wirklich so?

Herr Rothfuß:

„Davon müssen Sie in der Tat ausgehen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat schon 2015 (Urt. v. 18.11.2015, 5 AZR 751/13) entschieden, dass eine solche Pauschal­abgeltungsklausel intransparent ist, weil ein Arbeitnehmer bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags erkennen können muss, in welchem Umfang er für die vereinbarte Vergütung arbeiten muss. Das Arbeits­gericht Emden hat dies jüngst nochmals aufgegriffen (Urteil vom 24.09.2020, 2 Ca 144/20) und bestätigt. Wenn aber eine solche Pauschalabgeltungsklausel unwirksam ist, dann bedeutet dies, dass jede Überstunde zu vergüten ist; das gilt nur dann nicht, wenn ein Arbeitnehmer – aufgrund einer überdurchschnittlich hohen Vergütung – keine sog. objektive Vergütungserwartung für geleistete Überstunden hat (BAG Urteil vom 16.05.2012, 5 AZR 347/11). Sie sollten daher dringend Ihre Arbeitsverträge anpassen.“

Peinlich genaue Abrechnung

Herr Dr. F. aus Heidelberg:

Ich betreue als Hausarzt mit einem halben Versorgungsauftrag überwiegend Chroniker und führe viele Patienten-Gespräche, die meine Plausibilitätszeiten stark beanspruchen. Ein Kollege hat mir geraten, um eine Plausibilitätsprüfung zu vermeiden, Leistungen nicht abzurechnen, wenn ich sonst die Zeitgrenzen überschreite. Ich bin mir unsicher, ob dies eine gute Idee ist.

Herr Rothfuß:

„Ihr Gefühl täuscht Sie nicht. Das ist definitiv keine gute Idee. Als Vertragsarzt sind Sie verpflichtet, peinlich genau abzurechnen. Diese Pflicht ist umfassend, positiv wie negativ, zu verstehen. Sie dürfen einerseits nur die Leistungen abrechnen, die Sie unter Beachtung der vertragsarztrechtlichen Vorgaben tatsächlich erbracht haben. Sie müssen aber andererseits auch alle so erbrachten Leistungen in Ihre Abrechnung aufnehmen. Rechnen Sie Leistungen nicht ab, obwohl Sie diese erbracht haben, stellt auch dies einen Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung dar. Denn nur bei Abrechnung aller ordnungsgemäß erbrachten vertragsärztlichen Leistungen funktioniert das System der Überprüfbarkeit der Behandlungsweise. Einer Ihrer Kollegen hat dabei eine bittere Erfahrung machen müssen: Er hatte zwar als Vertragsarzt gearbeitet, aus persönlichen Gründen aber nur unvollständige Honorarabrechnungen abgegeben. Daraufhin wurde ihm die Zulassung entzogen, weil er gegen die peinlich genaue Abrechnung wiederholt verstoßen hatte. Die Zulassungsentziehung wurde vom LSG NRW (Urteil vom 09.09.2020, L 11 KA 32/19) bestätigt; ob das BSG diese Entscheidung ändern wird, bleibt abzuwarten (Nichtzulassungsbeschwerde anhängig unter dem Az. B 6 KA 41/20 B).“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
(0221) 34066961
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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