Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Kann die Entscheidung des Zulassungsausschusses zur Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes angefochten werden? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um die Anstellung einer Ärztin in der Arztpraxis im Sonderbedarf zu beantragen?

Nachbesetzungsverfahren

Frau Dr. S. aus Heidelberg:

Ich möchte meine Praxis an einen Nachfolger abgeben. Mit meinem Wunschkandidaten habe ich auch bereits einen Kaufvertrag abgeschlossen. Derzeit läuft das Nachbesetzungsverfahren. Leider hat sich neben meinem Wunschkandidaten auch noch ein anderer Bewerber gemeldet. Der Zulassungsausschuss (ZA) hatte meinem Wunschkandidaten die Zulassung als Nachfolger erteilt. Dagegen hat der Mitbewerber jetzt Widerspruch beim Berufungsausschuss eingelegt. Ich befürchte, dass der Widerspruch erfolgreich sein könnte. Wie soll ich mich jetzt verhalten? Ich habe gelesen, dass ich mit der Nachbesetzungsentscheidung des ZA das Verfahren nicht mehr stoppen kann. 

Herr Rothfuß:

„In der Tat war bis Anfang letzten Jahres die Rechtslage in diesem Punkt nicht eindeutig geklärt. Zum Teil vertraten Zulassungsgremien, aber auch Sozialgerichte und Teile der juristischen Literatur die Auffassung, dass ein Nachbesetzungsantrag nicht mehr zurückgenommen werden könne, sobald der ZA eine erste Auswahlentscheidung getroffen hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat aber am 12.02.2020 (B 6 KA 19/18 R) klargestellt, dass der das Nachbesetzungsverfahren betreibende Vertragsarzt seinen Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens bis zur Bestandskraft der Nachbesetzungsentscheidung zurücknehmen kann. Das BSG zieht hier die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze heran und hält es auch nicht für geboten, das für Nachbesetzungsverfahren anders zu sehen. Insofern haben Sie die Möglichkeit, Ihren Antrag zurückzunehmen und das laufende Verfahren damit zu beenden. Doch Vorsicht: Wenn es Ihnen nur darum geht, Ihren Wunschkandidaten als Nachfolger zu installieren, dann gehen Sie bei einer Antragsrücknahme das Risiko ein, dass ein zukünftiger Neuantrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahren abgelehnt wird. Denn das BSG hat in dieser Entscheidung auch klargestellt, dass für die Rücknahme des Antrags billigenswerte Gründe angeführt werden müssten; ein solcher Grund läge jedenfalls dann nicht vor, wenn mit der Rücknahme nur die Absicht verfolgt würde, dass der Wunschkandidat den Zuschlag erhält.“

Anstellung im Sonderbedarf

Herr Dr. M aus Freiburg:

Ich bin als Schwerpunkt-Onkologe mit einem halben Versorgungsauftrag niedergelassen. Ich habe einen immensen Patientenzulauf, weil es im Einzugsgebiet meiner Praxis keine anderen ambulanten Versorgungsangebote für Krebspatienten gibt. Die nächste größere Schwerpunktpraxis ist ca. 35 km entfernt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erreichen. Mit dem PKW fahren Patienten ca. 45 Minuten, eher mehr. Außerdem weiß ich, dass diese Praxis weit überdurchschnittliche Fallzahlen und auch keine Kapazitäten mehr hat. Zudem ist dem Chefarzt der ortsansässigen Klinik eine sehr weitreichende Ermächtigung für die Onkologie erteilt worden, die ich auch unterstützt hatte. Ich trage mich daher mit dem Gedanken, meine Frau, die auch Onkologin ist, in der Praxis anzustellen. Kann ich die Anstellung im Sonderbedarf beantragen?

Herr Rothfuß:

„Grundsätzlich können Ärzte auch im Sonderbedarf in einer Vertragsarztpraxis oder in einem MVZ angestellt werden. Hierfür gelten dieselben rechtlichen Voraussetzungen wie für eine Zulassung im Sonderbedarf. Tatsächlich könnte Ihrem Vorhaben auch eine sehr aktuelle Entscheidung des BSG vom 17.03.2021 (B 6 KA 2/20 R) in die Hände spielen. Das BSG hat dort zwar die 25 km-Grenze, die als noch zumutbare Wegstrecke angesehen wird, explizit auf die hausärztliche und die allgemein-fachärztliche Versorgung beschränkt und für die spezialisierte fachärztliche Versorgung festgestellt, dass auch längere Wegstrecken als 25 km noch als zumutbar angesehen werden können. Insofern werden in Ihrem Fall nicht allein die Wegstrecke und die Erreichbarkeit den Sonderbedarf begründen können, wohl aber – wenn Ihre Kenntnis insoweit zutrifft – die Auslastung der nächstgelegenen Schwerpunktpraxis. Außerdem ist auch die erteilte Ermächtigung ein Indiz für ein mögliches Versorgungsdefizit.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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