Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Haftung für Verpflichtungen der Berufs­ausübungsgemeinschaft: Müssen Regresse im Sprechstundenbedarf oder bei fehlerhaften Arzneimittelverordnungen von demjenigen Arzt getragen werden, der die fehlerhafte Verordnung getätigt hat? Ist es erlaubt, bei der Abrechnung Leistungen einem Behandler bzw. dessen LANR zuzuordnen, die er selbst gar nicht erbracht hat, weil der Patient tatsächlich bei einem anderen Arzt in der Praxis war?

Haftung für Verpflichtungen der Berufs­ausübungsgemeinschaft

Herr Dr. R. aus Dortmund:

Ich arbeite mit einem Kollegen in einer Berufsausübungs­gemeinschaft (BAG) zusammen. Es gibt immer mal wieder – das ist, glaube ich aber auch nicht ungewöhnlich – kleinere Regresse im Sprechstundenbedarf oder bei fehlerhaften Arzneimittel­verordnungen. Bislang hat unsere BAG die Regresse bezahlt. Das war auch nie ein Streitpunkt. Mein Kollege meinte jetzt, solche Regresse müsste zukünftig derjenige von uns tragen, der die fehlerhafte Verordnung getätigt hat. Da ich aufgrund meiner Spezialisierung deutlich mehr verordne als mein Kollege, würde mich dies mehr betreffen. Gibt es da rechtliche Vorgaben?

Herr Rothfuß:

„Ihre Frage muss ich differenziert beantworten: Gesellschafter einer GbR haften im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch in voller Höhe. Zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft wirkt eine evtl. zwischen den Gesellschaftern intern vereinbarte Haftungsbeschränkung für einen der Gesellschafter nicht. Das gilt auch gegenüber Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung (BSG, Beschl. v. 14.12.2011, B 6 KA 57/11 B). Ob ein Gesellschafter der GbR dann im gesellschaftsrechtlichen Binnenverhältnis der Gesellschafter untereinander gegenüber seinem Mitgesellschafter einen sog. Innenausgleichsanspruch hat, richtet sich primär nach den im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Regelungen. Da ich keine Kenntnis über Ihre gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen habe, kann ich dies konkret für Ihren Fall nicht beantworten. Häufig sehen aber Gesellschaftsverträge einen sog. Innenausgleich dann vor, wenn bspw. der Regress schuldhaft von einem der Gesellschafter verursacht worden ist, d. h. wenn ein Gesellschafter den Regress fahrlässig oder vorsätzlich zu vertreten hat; mitunter schränken Gesellschaftsverträge den Innenausgleichsanspruch auf Fälle mit einem Verschuldensgrad mindestens der groben Fahrlässigkeit ein. Fehlt eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zum Innenausgleich, dann gelten die allgemeinen Regelungen des sog. Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB. § 426 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafter im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen verpflichtet sind.“

Hinterlegung der LANR in der Abrechnung

Frau H. aus Reutlingen:

Wir führen seit ungefähr sechs Monaten eine größere fachgleiche BAG mit insgesamt fünf Gesellschaftern und drei angestellten Ärzten. Bei einer Überprüfung unserer Organisationsstrukturen haben wir festgestellt, dass unser Personal – wohl aus Praktikabilitätsgründen – die Behandlungen nicht arztindividuell im EDV-System hinterlegt, sondern im Zwei-Stunden-Rhythmus das System auf einen anderen Behandler umstellt. Das führt im Ergebnis dazu, dass bei der Abrechnung Leistungen einem Behandler bzw. dessen lebenslanger Arztnummer (LANR) zugeordnet werden, die er aber gar nicht erbracht hat, weil der Patient tatsächlich bei einem anderen Arzt in unserer Praxis war. Ist das in Ordnung? Die Leistungen werden ja erbracht.

Herr Rothfuß:

„Diese Praxis müssen Sie sofort abstellen. Als Vertragsärzte sind Sie zur peinlich genauen Abrechnung verpflichtet. Dazu gehört auch die korrekte Hinterlegung der LANR in der Abrechnung. Die abgerechneten Leistungen müssen der LANR des tatsächlichen Behandlers zugeordnet werden. Ansonsten ist die Abrechnung falsch. Das kann nicht nur zu Honorarrückforderungen führen, sondern auch disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen oder im schlechtesten Fall sogar Zulassungsentziehungen begründen. Eine entsprechend in wirtschaftlicher Hinsicht schmerzliche Erfahrung mussten Kollegen von Ihnen machen. Das LSG Sachsen sah in einem ähnlich gelagerten Fall – auch dort waren Leistungen falsch zugeordnet worden – eine Honorarrückforderung von über 200.000 € als begründet an (LSG Sachsen, Beschl. v. 20.05.2020, L 1 KA 2/20 B ER). Sie müssen diese Praxis Ihres Personals daher unverzüglich abstellen.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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