Praxisgemeinschaft – ist das die richtige Kooperationsform für mich?

Vielleicht haben Sie sich schon öfter die Frage gestellt, ob Sie in Ihrer Praxis einen Kollegen aufnehmen sollen oder Sie haben das Angebot erhalten, in eine andere Praxis einzusteigen. So könnten Sie durchaus Kosten sparen. Sie möchten aber Ihre ärztliche Unabhängigkeit nicht aufgeben und insbesondere nicht für die Fehler eines Kollegen haften. Dann sollten Sie über die Gründung einer Praxisgemeinschaft nachdenken. Diese Form der Kooperation stellen wir im Nachfolgenden genauer vor.

Auf einen Blick: Vor- und Nachteile einer Praxisgemeinschaft

Vorteile

Nachteile

 
  • Reduzierte Betriebskosten
 
 
  • Patientenunterlagen müssen klar getrennt sein
 
 
  • Individuell vereinbarte Nutzung
    von Personal und Gerätschaften
 
 
  • Einsichtnahme in Patientenunterlagen
    nur bei Einverständnis des Patienten
 
 
  • Jeder Arzt haftet für sich
 
 
  • Getrennte Postadressen, Telefonnummern, E-Mailadressen und Webseiten
 
 
  • Ggf. leichtere Trennung einer Praxis­gemeinschaft
 
 
 
  • Keine Genehmigung erforderlich,
    aber Anzeige an die zuständige KV
    und Ärztekammer
 
 

Bei einer Praxisgemeinschaft handelt es sich um ein Mittelding zwischen Einzelpraxis und Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Eine Praxisgemeinschaft ist eine Organisationsgemeinschaft. Im Gegensatz zur ärztlichen BAG findet hier keine gemeinsame Berufsausübung statt, sondern zwei oder mehrere Ärzte teilen sich die Räumlichkeiten, die Geräte und/oder das Personal. Jeder Arzt führt aber seine eigene Praxis, mit eigener Patientenkartei und eigener Abrechnung. Wird ein Patient von mehreren Ärzten in derselben Praxisgemeinschaft behandelt, dann erhält er mehrere Rechnungen. In dieser Art von Praxiskooperation muss jeder Arzt über eine eigene Telefonnummer und E-Mail-Adresse zu erreichen sein. Die Patienten müssen jederzeit wissen, mit welchem Arzt sie es zu tun haben – so als gingen sie in räumlich getrennte Praxen.

Vorteile

Wie jede Kooperation hat auch die Praxisgemeinschaft Vor- und Nachteile. Ein wesentlicher Vorteil einer Praxisgemeinschaft ist das Sparen von Kosten. Da Sie sich mit einem oder mehreren Ärzten die Räume, Geräte und/oder Personal teilen, werden die Betriebskosten für den einzelnen Arzt erheblich reduziert. Sie müssen sich aber nicht das Personal und/oder Geräte teilen, sondern können sich auf die Räumlichkeiten beschränken. Nur Räumlichkeiten gemeinsam zu nutzen kann sinnvoll sein, wenn Sie aufgrund unterschiedlicher Fachgebiete unterschiedliche Geräte benötigen oder auch an die Qualifikation der Mitarbeiter unterschiedliche Anforderungen stellen müssen. 

Haftung

In einer Praxisgemeinschaft bewahren Sie sich Ihre fachliche Unabhängigkeit. Sie behandeln Ihre Patienten ausschließlich nach Ihren Vorstellungen und haften auch nur für Ihre eigenen Fehler. Für den Patienten muss deshalb klar ersichtlich sein, in welcher Form von Kooperation Sie arbeiten. Entsteht für den Patienten der Eindruck, er wäre Patient einer BAG, dann kommt der Behandlungsvertrag so zustande wie mit einer tatsächlichen BAG, in der alle Ärzte gemeinsam haften.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Sie eine Praxisgemeinschaft einfacher auflösen können, da Patientenstamm und -karteien getrennt sind. Verlassen Sie die Praxisgemeinschaft, dann nehmen Sie einfach Ihre Patienten mit.

Gegenseitige Arztempfehlung

In Praxisgemeinschaften von Ärzten verschiedener Fachgebiete werden Sie sich in der Regel gegenseitig empfehlen. Bitte beachten Sie hierbei aber die Berufsordnung.   Der Bundesgerichtshof hat unmissverständlich klargestellt, dass ein Arzt nicht von sich aus Empfehlungen aussprechen darf. Nur wenn der Patient selbst um eine Empfehlung bittet, etwa weil er keinen geeigneten „Leistungserbringer“ kennt, ist es Ihnen erlaubt, dem Patienten einen Kollegen zu empfehlen. 

Überweisungen

Aber meistens braucht man die Empfehlung gar nicht. Überweisen Sie z. B. als Hausarzt einen Patienten an einen Orthopäden und praktiziert ein Orthopäde in denselben Praxisräumlichkeiten mit Ihnen, dann wird der Patient in der Regel in der Praxisgemeinschaft bleiben und keinen anderen Orthopäden aufsuchen. Gemeinsame Patienten sind in einer fachübergreifenden Praxisgemeinschaft daher durchaus üblich. 

Aber Vorsicht: Warnen muss ich aber davor, aus reiner Gefälligkeit Überweisungen an den Kollegen in der Praxisgemeinschaft auszustellen, um seine Patientenzahlen zu erhöhen. Überweisen dürfen Sie nur, wenn es medizinisch notwendig ist.

Praxisvertretung 

In einer Praxisgemeinschaft zwischen fachgleichen Kollegen können Sie sich gegenseitig vertreten und ggf. auch Ihr Leistungsangebot erweitern.

Anzeigepflicht

Sie benötigen als Vertragsarzt auch keine Genehmigung für eine Praxisgemeinschaft, Sie müssen Ihrer Kassenärztliche Vereinigung (KV) und Ärztekammer nur von der Gründung der Kooperation berichten.

Nachteile

Einsicht in Patientenunterlagen

Die Praxisgemeinschaft hat auch Nachteile. Im Gegensatz zur BAG müssen in einer Praxisgemeinschaft die Patientenunterlagen klar getrennt sein. Sie haben kein Recht in die Patientenunterlagen Ihres Kollegen Einsicht zu nehmen. Nur wenn der Patient ausdrücklich einwilligt, können Sie die Akten des Kollegen einsehen, ansonsten verletzten Sie die ärztliche Schweigepflicht. 

Abrechnung

Auch die Abrechnung gegenüber der KV oder auch bei Privatpatienten müssen Sie getrennt durchführen. Sie können sich aber einen Mitarbeiter teilen, der die Abrechnung für jede Praxis einzeln erstellt. Bitte achten Sie auch darauf, dass Sie nur die an Sie adressierte Post öffnen. Gleiches gilt auch für E-Mails. Sie müssen also zwei unterschiedliche E-Mail-Adressen oder auch Webseiten haben. Hinsichtlich des Telefons empfehle ich eine eigene Nummer und nicht nur eine Durchwahl.

Vereinbarung über Aufteilung

Sie müssen mit Ihrem Kollegen schriftlich festlegen, wer welchen Raum oder welches Gerät nutzt und welches Personal wann einsetzt. Auch die Aufteilung der gemeinsamen Kosten muss vereinbart werden, wie z.B.:

  • Miete
  • Löhne
  • Anschaffung und Wartung von Geräten, Büromaterial

Finanzen

Die Praxisgemeinschaft ist eine Kosten­gemeinschaft, Sie zahlen auf ein gemeinsames Konto Gelder ein. Von diesem Konto werden dann die gemeinsamen Ausgaben abgebucht.

Welche Regelungen sollte ein Praxisgemeinschaftsvertrag enthalten:

  • Zweck des Vertrags, Vertragsdauer
  • Praxisräume
  • Einrichtung 
  • Aufbringung der Mittel
  • Beteiligung an Gewinn und Verlust
  • Sprechstundenregelung
  • Honorare 
  • Personal
  • Haftung
  • Berufshaftpflichtversicherung
  • Urlaub 
  • Krankenversicherung
  • Geschäftsführung und Vertretung
  • Jahresabschluss und Beschlüsse
  • Aufnahme neuer Partner
  • Ausscheiden eines Partners
  • Fortsetzung der Praxisgemeinschaft durch den verbleibenden Partner, Auseinandersetzung
  • Auflösung der Praxisgemeinschaft und Auseinandersetzung
  • Schiedsvereinbarung
  • Anwendbare Bestimmungen, 
  • Teilnichtigkeit

Plausibilitätsprüfungen 

Auch in einer Praxisgemeinschaft drohen Plausibilitätsprüfungen. Wenn Sie also auffallend viele identische Patienten behandeln, kann es sein, dass Sie geprüft werden. Die Auffälligkeit beginnt bei 20% gemeinsamer Patienten bei einer fachgleichen Praxis­gemeinschaft. Bei Praxis­gemeinschaften mit unterschiedlichen Fachgebieten, wird die Grenze der Auffälligkeit bei 30 % identischer Patienten gesehen. 

Wenn Sie bei der Prüfung nicht die Höhe der gemeinsamen behandelten Patienten erklären können, kann Ihr Honorar durch den Regress gekürzt werden. Gründe für gemeinsame Patienten können gegenseitige Vertretung im Krankheitsfall, im Urlaub oder auch bei Fortbildungen sein. Aber auch besondere Qualifikationen, die nur ein Partner in der Praxisgemeinschaft hat und an den der Partner überweist, können gemeinsame Patienten rechtfertigen.

Gelingt Ihnen keine plausible Erklärung der zahlreichen gemeinsamen Patienten, drohen Ihnen aber auch strafrechtliche Folgen. Denn Ihnen kann in diesem Fall ein Abrechnungsbetrug unterstellt werden. Daher sollten Sie sich bei einer Plausibilitätsprüfung in jedem Fall rechtlich beraten lassen. Mitglieder des Virchowbundes können sich dies­bezüglich an die Rechtsabteilung wenden.

Unter Umständen sollten Sie auch überdenken, ob Sie Ihre Praxisgemeinschaft in eine BAG umwandeln, um so eine Plausibilitätsprüfung in der Zukunft zu umgehen.

Fazit

Eine Praxisgemeinschaft ist für Sie das Richtige, wenn Sie ärztlich unabhängig bleiben wollen. Gerade in Großstädten, in denen die Miete hoch sein kann, ist es für Sie vorteilhaft, wenn Sie sich Räume, Geräte und/oder Personal teilen. Und wenn es mit der Zusammenarbeit mit dem Kollegen nicht klappt, ist es bedeutend einfacher sich zu trennen als in einer BAG. Achten Sie aber darauf, dass Sie auch tatsächlich zwei getrennte Praxen im Praxisalltag führen. 

 

Andrea Schannath

Justiziarin des Virchowbundes

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung