Professioneller Umgang mit einem ungeliebten Thema: Schutz vor Haftung

Matthias Dann. Für eine langfristig erfolgreiche Praxisführung sind nicht nur betriebswirtschaftliche Parameter zu beachten. Eine Beschäftigung mit strafrechtlichen Risiken ist ebenfalls essenziell. Auch in der Dermatologie gilt der Satz: „Ärztliche Tätigkeit ist gefahrgeneigte Arbeit.“ Das Risiko, mit einem Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung oder des Abrechnungsbetrugs konfrontiert zu werden, kann sich in jeder Phase des Berufslebens realisieren. Es ist daher ein Gebot professionellen Weitblicks, sich außerhalb einer ­akuten Krisensituation mit Strategien der strafrechtlichen Haftungsvermeidung zu ­befassen.

Zitierweise: HAUT 2021;32(2):84-85

Prüfen Sie Ihre Versicherung 

Strafverfahren können lang und teuer werden. Wenn Sie die Kosten selbst tragen müssen, kann neben die psychische Belastung eine finanzielle treten. Wer böse Überraschungen vermeiden möchte, sollte anhand seiner Versicherungsbedingungen drei Fragen beantworten: 

  • Habe ich eine Rechtsschutzversicherung, die auch die Kosten einer anwaltlichen Vertretung in einem strafrechtlichen Verfahren übernimmt? 
  • Ist der Versicherungsschutz auf fahrlässig begehbare Delikte beschränkt (z. B. fahrlässige Körperverletzung und Tötung) oder erstreckt er sich auch auf sogenannte Vorsatz-Taten (z. B. Abrechnungs­betrug und Korruption)? 
  • Übernimmt die Versicherung nur die Kosten in Höhe der gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder auch in Höhe von Stundensätzen, die mit dem Anwalt individuell vereinbart wurden? Auf Medizinstrafrecht spezialisierte Anwälte arbeiten heute alle auf Basis solcher Honorarvereinbarungen.

Kommunizieren Sie richtig 

Beschwerden von Patienten – mögen diese den Behandlungsverlauf oder eine Privat­abrechnung betreffen – sollte man unbedingt ernst nehmen. Unzufriedenheit und Frus­tration, die aus einem schlechten Beschwerdemanagement resultieren, können die Keimzelle eines Ermittlungsverfahrens sein. Deshalb sollten Sie die Kommunikation mit Patienten, die keine offensichtlichen Querulanten sind, nicht allein an Praxispersonal delegieren, sondern zur Chefsache machen. Wem es gelingt, empathisch und aufmerksam mit Kritikern aus der eigenen Patientenklientel zu interagieren, hat deutlich höhere Chancen, eine juristische Eskalation zu vermeiden. Beachte: Schuldeingeständnisse sollten Sie dabei vermeiden, um keine Pro­bleme mit der Haftpflichtversicherung zu erzeugen. 

Dokumentieren Sie ausreichend

Die Patientendokumentation ist nach wie vor der primäre Bezugspunkt für juristische Bewertungen. Sie werden sich daher deutlich wohler fühlen, wenn Sie im Krisenfall auf eine aussagekräftige Patientenakte zurückgreifen können. Vorwürfe dergestalt, es sei nicht ausreichend aufgeklärt oder unzureichend behandelt worden, lassen sich so deutlich leichter kontern.

Nehmen Sie Behörden und Kostenträger ernst

Wer kritische Anfragen dauerhaft ignoriert, Gesprächsangebote abblockt oder Plausibilitätsverfahren auf die leichte Schulter nimmt, muss sich hinterher nicht wundern, wenn eine Strafanzeige im Raum steht. Gerade konfrontativ geführte Plausibilitätsverfahren münden nicht selten in der Erstattung einer Anzeige wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs. Vor diesem Hintergrund kann es angezeigt sein, bereits frühzeitig mit einem Strafverteidiger Kontakt aufzunehmen, um die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens idealerweise zu vermeiden. 

Analysieren Sie Ihr Risiko

Die Neigung, Risiken auszublenden oder zu verdrängen, ist unter allen Berufsgruppen verbreitet. Gleichwohl ist eine genaue Risikoanalyse der erste Schritt, um dauerhaft pro­blemfrei arbeiten zu können. Zu den klassischen Risiken zählen z. B. die Zusammen­arbeit mit der Industrie und Kooperationen mit anderen Leistungserbringern. Seit der Einführung des Straftatbestands der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen im Jahr 2016 ist es zwar nur zu einer überschaubaren Anzahl von Ermittlungsverfahren gekommen. Doch sollte einen dieser Umstand nicht in falsche Sicherheit wiegen. Abrechnungstechnische Risiken lassen sich selten intuitiv erfassen. Denken Sie z. B. daran, dass auch die Abrechnung lege artis erbrachter Leistungen einen Abrechnungsbetrug darstellen kann, wenn bestimmte sozialrechtliche Vorgaben missachtet wurden. 

Denken Sie an den Ernstfall: Durchsuchung der Praxisräume

Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die zuständige Staatsanwaltschaft erfährt man häufig erst im Rahmen einer Durchsuchung der Praxisräume. Für viele Betroffene ist ein solches Ereignis ein Schock. Sie können zumindest dafür sorgen, dass dieser Sie im Falle eines Falles nicht völlig unvorbereitet trifft. Es gibt einige zentrale Verhaltensregeln, die bei einem unangekündigten „Hausbesuch“ weiterhelfen: 

  • Stellen Sie sicher, dass Ihr Personal Sie sofort informiert, wenn Ermittler die ­Praxis betreten.
  • Lassen Sie sich den Durchsuchungs­beschluss aushändigen. 
  • Benachrichtigen Sie unverzüglich einen anwaltlichen Spezialisten Ihres Vertrauens, damit dieser Sie bei Bedarf persönlich vor Ort unterstützen kann. 
  • Verweisen Sie auf Ihren Anwalt, wenn Sie als Zeuge oder Beschuldigter vernommen werden sollen. Als Beschuldigter sind sie nicht zur Aussage verpflichtet. Als Zeuge haben Sie das Recht, sich von einem sogenannten Zeugenbeistand helfen zu lassen. 
  • Geben Sie Patientenakten nicht freiwillig heraus, sondern bestehen Sie auf einer offiziellen Beschlagnahme. Hiervon kann allenfalls ausnahmsweise abgewichen werden, was Sie aber niemals ohne Rück­sprache mit Ihrem Anwalt entscheiden sollten. 
  • Vernichten Sie keine Beweismittel und legen Sie Ihren Mitarbeitern keine Worte in den Mund, die diese im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung artikulieren sollen. 

Wählen Sie klug

Wenn Sie mit einem strafrechtlichen Vorwurf konfrontiert werden, benötigen Sie einen Spezialisten. Bei der Auswahl des zu Ihnen passenden Anwalts sollten Sie auf Erfahrung und spezifische Expertise im Strafrecht setzen. Fehlen diese Qualitäten, sollte persönliche Bekanntheit kein Auswahlkriterium sein. Sie benötigen jemanden, der auch berufs- und vertragsarztrechtliche Implikationen eines Strafverfahrens mitdenkt und dafür sorgt, dass eine 360-Grad-Betrachtung durchgeführt wird.

Fazit

Der Aufwand für einen professionellen Umgang mit den strafrechtlichen Risiken einer Arztpraxis ist überschaubar. Geeignete Instrumente sind z. B. eine Risikoanalyse und eine Durchsuchungsschulung durch einen spezialisierten Anwalt. In einem ersten Schritt bedarf es allerdings der Bereitschaft, sich auf dieses ungeliebte Thema einzulassen. 

Korrespondenzadresse

Dr. Matthias Dann, LLM
Rechtsanwalt/ Partner
Wessing & Partner, Rechtsanwälte mbB
Rathausufer 16-17, 40213 Düsseldorf
E-Mail: dann(ett)strafrecht.de
strafrecht.de

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