Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Urlaubsrecht wissen müssen

Das deutsche Urlaubsrecht ist bedingt durch die europarechtlichen Einflüsse auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung im stetigen Wandel. Erst kürzlich hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmer ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich ausüben. In der Regel kann ein Urlaubsverfall damit nur noch eintreten, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub zu nehmen und darauf hingewiesen hat, dass er anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Der folgende Beitrag gibt einen allgemeinen Überblick über das Urlaubsrecht und erläutert die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung.

Grundsatz

Der Anspruch auf Erholungs­urlaub ist im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt. Der insoweit in § 1 BUrlG niedergelegte Anspruch auf Erholungsurlaub dient dem Schutz und der Förderung der Gesundheit und der Leistungs­bereitschaft des Arbeitnehmers. Er beinhaltet die Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Der Urlaubsanspruch ist auf das jeweilige Kalenderjahr befristet und kann nur unter bestimmten Voraussetzungen auf das nächste Jahr übertragen werden.

 

Alle Arbeitnehmer haben Anspruch auf Erholungsurlaub. Die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 BUrlG stellt klar, dass Arbeitnehmer im Sinne des BUrlG Arbeiter und Angestellte sowie die in ihrer Berufsbildung Beschäftigen sind. Unerheblich ist, ob der jeweilige Arbeitnehmer in Voll- oder Teilzeit, zur Aushilfe, zur Ferienarbeit oder in einer Nebenbeschäftigung tätig ist. Der Urlaubsanspruch besteht somit unabhängig von dem Umfang der erbrachten Arbeitsleistung.

Gemäß § 4 BUrlG entsteht der Anspruch auf den vollen Erholungsurlaub erst dann, wenn das Arbeitsverhältnis sechs Monate (sog. „Wartezeit“) bestanden hat. Von der Voraussetzung der Wartezeit kann gemäß § 13 Abs. 1 BUrlG durch den Arbeitsvertrag oder die Betriebsvereinbarung nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, d. h. nur eine Verkürzung der Wartezeit ist rechtlich zulässig. Eine rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses ist für die Erfüllung der Wartezeit nur dann ohne Bedeutung, wenn diese kurzfristig ist. Jedenfalls dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien vor Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses vereinbaren und nur eine kurze Unterbrechung von wenigen Tagen eintritt, sind beide Arbeitsverhältnisse urlaubsrechtlich als Einheit zu betrachten. Es entsteht deshalb ein Anspruch auf den Vollzeiturlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres endet und damit die sechsmonatige Wartezeit erfüllt wurde. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer in dem laufenden Kalenderjahr nicht über das gesamte Urlaubsjahr beschäftigt war, oder wenn er gleichzeitig mit Erfüllung der Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. 

 

Übertragung des Urlaubs in das nächste Jahr

Gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG ist der Urlaub in dem jeweiligen Urlaubsjahr zu nehmen. Er kann nur ausnahmsweise aus den in § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG genannten Gründen auf das nächste Jahr übertragen und muss bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden. Erforderlich ist, dass der Urlaub entweder aus betrieblichen Gründen im Kalenderjahr nicht genommen werden konnte oder dass er aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers nicht gewährt werden konnte. Liegt mindestens eine dieser Übertragungsvoraussetzungen vor, so bedarf die Übertragung keines weiteren Aktes der Arbeitsvertragsparteien, denn die Übertragung erfolgt kraft Gesetzes. Ein Antrag des Arbeitnehmers auf Übertragung des Urlaubs ist ebenso wenig erforderlich wie eine Annahmeerklärung des Arbeitgebers. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, erlischt der Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr mit Ablauf des 31. Dezembers.  

Kein Verfall bei Arbeits­unfähigkeit oder Erfüllung bei Beschäftigungsverbot

Wenn Arbeitnehmer über Monate oder Jahre krankheitsbedingt ausfallen, verfallen ihre Urlaubstage nicht direkt. Arbeitnehmer können ihre Urlaubsansprüche noch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres geltend machen. Auch ein Beschäftigungsverbot führt nicht zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs. Ein generelles Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz, verhindert insoweit die Erfüllung des Urlaubsanspruchs, da währenddessen keine Arbeitspflicht besteht. 

Festlegung des Urlaubs

Die konkrete zeitliche Festlegung des Urlaubs erfolgt einseitig durch den Arbeitgeber, wobei dieser hierbei die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat. Ein Zwangsurlaub wegen Betriebs­ferien darf nicht den ganzen Jahresurlaub umfassen, denn der Arbeitnehmer muss Urlaubstage zur freien Verfügung haben. Hinsichtlich der Frage, wie viele Urlaubstage der Arbeitnehmer selbst bestimmen kann, variiert die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass zumindest 40 % des Gesamturlaubs dem Mitarbeiter individuell zur Verfügung stehen muss. 

Ist der Zeitpunkt des Urlaubs einmal festgelegt, sind sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer hieran gebunden. Eine Änderung des einmal erteilten Urlaubs ist nur im Einvernehmen möglich. Eine Ausnahme besteht nur bei Notfällen. 

Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren. In jedem Fall muss einer der Urlaubsteile im Hinblick auf das Erholungsbedürfnis zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen. Der Arbeitnehmer kann die Berücksichtigung seiner Urlaubswünsche verlangen. Die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers müssen nur dann zurücktreten, wenn dringende betriebliche Belange oder vorangehende Wünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Dringende betriebliche Belange können insbesondere feste Betriebszeiten darstellen, während der gesamte Betrieb stillgelegt wird. Bei entgegenstehenden Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer ist, wenn der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht gleichzeitig erteilt werden kann, eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte, u. a. nach Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit etc. durchzuführen. Der Arbeitgeber hat insoweit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers nicht berücksichtigt werden können. 

Pflichten des Arbeitnehmers; Verstöße

Eine Selbstbeurlaubung des Arbeitnehmers – ohne vorherige Abstimmung mit dem Arbeitgeber – ist unzulässig. Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. 

Pflichten des Arbeitgebers; Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Urlaubsanspruch vom Arbeitnehmer nach dem BUrlG ebenso wie den Anspruch auf Ruhepausen und Ruhzeiten nach dem Arbeitszeitgesetz von sich aus zu erfüllen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach und verfällt der Urlaubsanspruch deshalb nach Ablauf des Übertragungszeitraums, hat der Arbeitgeber ggf. Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubs zu leisten bzw. diesen Ersatzurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten.

Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Urlaubsansprüche verfallen vielmehr nur dann, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass der Mitarbeiter freiwillig auf seinen Urlaub verzichtet hat, nachdem er ihn tatsächlich in die Lage versetzt hat, rechtzeitig Urlaub zu nehmen (EuGH, Urteile vom 06.11.2018, Az: C-619/16 und C-684/16).

Praxishinweis

Arbeitgeber sind in Hinblick auf die Rechtsprechung zur Hinweispflicht des Arbeitgebers bezüglich eines drohenden Urlaubsverfalls gut beraten, Arbeitnehmer rechtzeitig über den bevorstehenden Verfall bzw. über die Anzahl der noch bestehenden Urlaubsansprüche hinzuweisen. Zur praktischen Umsetzung dieser Hinweispflicht dürfte ein Hinweis in der Gehaltsabrechnung für Oktober eines jeden Jahres einen gangbaren Weg darstellen. 

Dr. Tobias Scholl-Eickmann
Fachanwalt für Medizinrecht, Wirtschaftsmediator
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Benedikt Büchling
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