Praxisübergabe an Familienangehörige steueroptimal gestalten

Oftmals stellt die spätere Veräußerung der Arztpraxis an einen fremden Dritten einen zentralen Bestandteil der Altersvorsorge dar. In der Beratung zeigt sich, dass Kinder oftmals in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Somit nimmt die Übergabe der über Jahre aufgebauten Praxis auf die nachfolgende Generation ein zentrales Thema im Familienverbund ein, um den Kindern unter Umständen den Einstieg in die Selbständigkeit zu erleichtern. Dieser Beitrag stellt verschiedene Gestaltungsvarianten an einem praktischen Beispiel dar.

Da die Praxis bei der Altersvorsorge des Arztes oft einen zen­tralen Bestandteil darstellt, stehen die (steuerlichen) Interessen des Übergebers regelmäßig im Vordergrund. Deshalb sollten die Kinder die Praxis häufig nicht vollumfänglich unentgeltlich erhalten. Dies sichert die Altersvorsorge des Übergebers, beugt späteren Streitigkeiten vor und bewirkt, dass die Kinder im Regelfall eine höhere Motivation in den Erhalt der Praxis einbringen. Ob hierbei ein fremdüblicher Kaufpreis gezahlt werden soll oder ein geringerer Wert vereinbart wird, muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, denn gerade hier ergeben sich für eine steueroptimale Übertragung unter Berücksichtigung der eigenen lebenslangen Versorgung und die des Ehegattens verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Gleichwohl sollte die Praxis möglichst nicht im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auf die nächste Generation übertragen werden. Aus diesem Grund beschäftigt sich dieser Beitrag mit Modellen, wie eine Praxis im Familienverbund steuerlich möglichst günstig übertragen werden kann.

Überblick und Allgemeines

Die steuerlichen Folgen der Praxisübergabe hängen grundsätzlich von der Art der Veräußerung bzw. Übergabe ab. Zum einen kann die Praxis „klassisch“ gegen die Zahlung eines sofort fälligen Kaufpreises veräußert werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Praxis gegen eine lebenslange Rente zu übertragen. Diese Rentenzahlungen können dann wiederum steuerlich einerseits entgeltlich oder andererseits unentgeltlich (sog. private Versorgungsleistungen) ausgestaltet werden. Die jeweiligen Varianten bewirken jeweils unterschiedliche steuerliche Folgen. Hinweis: Trotz des Begriffs der Unentgeltlichkeit kommt es stets zu einem Zu- bzw. Abfluss von Geldern. Denn die Zahlung von privaten Versorgungsleistungen werden in diesen Fällen lediglich steuerlich als unentgeltlich fingiert.

Die entgeltlichen Rentenzahlungen unterscheiden sich noch in zwei unterschiedliche Varianten abhängig von der Wahl der Besteuerung. Insgesamt ergeben sich somit die abgebildeten Alternativen (s. Abb.).

Vermögensübertragung gegen private Versorgungsleistungen

Im Rahmen der Versorgungsleistungen behält sich der Übergeber typischerweise Erträge seines Vermögens vor. Kommt man unter Beachtung der steuerlichen Voraussetzungen zu dem Ergebnis, dass eine Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen vorliegt, ergeben sich hieraus folgende steuerliche Auswirkungen:

  • Insgesamt liegt eine unentgeltliche Übertragung der Praxis vor.
  • Der Veräußerer erzielt daher keinen Veräußerungsgewinn und der Erwerber führt die Buchwerte der Praxis fort. Er tritt quasi in die „Fußstapfen“ des Vorgängers.
  • Die laufenden Rentenzahlungen sind beim Veräußerer voll steuerpflichtig.
  • Der Erwerber kann die laufenden Rentenzahlungen wiederum als Sonderausgaben steuerlich abziehen.

Dabei ist Vermögensübertragung gegen private Versorgungsleistungen an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, welche aufgrund der vielschichtigen steuerlichen Besonderheiten hier nicht näher thematisiert werden sollen. Bei einer Praxisübertragung auf die Kinder gegen eine lebenslange Leibrente zugunsten des veräußernden Elternteils oder dessen Ehegatten sind diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt, sofern diese nicht wie unter fremden Dritten abgewogen und vereinbart wurden. Obwohl in diesem Fall eine monatliche Rente gezahlt wird, wird steuerlich die Unentgeltlichkeit der Leistungen angenommen, sodass es zwar im Rahmen der Einkommensteuererklärung zu einer laufenden Besteuerung der Rente und zeitgleich zu einem steuermindernden Abzug kommt, aber die Aufdeckung von ggf. erheblichen stillen Reserven und deren punktuelle Besteuerung wird vermieden. Dadurch kann sich die Steuerlast der Familie wegen eines günstigeren Steuerprogressionsgefälles unter Umständen insgesamt verringern.

Vermögensübertragung gegen entgeltliche wiederkehrende Leistungen

Werden die Voraussetzungen der privaten Versorgungsleistungen nicht erfüllt, handelt es sich bei Praxisübertragung und den damit zusammenhängenden Rentenzahlungen um eine entgeltliche Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen. Gerade unter Angehörigen verbleiben hierbei viele Möglichkeiten, die Vermögens­übertragung bewusst (z. B. durch Vereinbarung einer Mindestzeitrente, die schädlich für eine unentgeltliche Übertragung ist) als entgeltliche Leistung durchzuführen.

Steuerliche Folgen für den Praxisveräußerer

Im Fall der entgeltlichen Rentenzahlungen (Kaufpreisrente) erzielt der Veräußerer einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn und hat ein Wahlrecht zwischen der Sofortversteuerung oder der Besteuerung entsprechend des eigentlichen Zuflusses des Geldes.

Sofortversteuerung

Entscheidet sich der Veräußerer für die Sofortversteuerung profitiert er in der Regel von einem ermäßigten Steuersatz für Veräußerungen und hat Anrecht auf einen Freibetrag von bis zu maximal 45.000 € sofern der Veräußerungsgewinn insgesamt 181.000 € nicht übersteigt. Voraussetzung: Er ist nicht älter als 55 Jahre oder dauernd berufsunfähig. Als Veräußerungspreis gilt in diesem Fall ein fiktiver Rentenwert, bei dem die Rentenzahlungen mit einem bestimmten Faktor, welcher vom Alter des Rentenempfängers abhängt, multipliziert werden.

Außerdem muss der Übergeber jährlich einen sog. „Ertragsanteil“ der Rentenzahlungen als Einnahme versteuern. Dieser Ertragsanteil ist ebenfalls abhängig von dem Renten­eintrittsdatum (z. B. bei 65 Jahren 18 %). Der Ertragsanteil berücksichtigt den Zinsanteil in der Rentenzahlung.

Zuflussbesteuerung

praxishinweisZwar profitiert der Praxisveräußerer bei der Sofortversteuerung von einem günstigen Steuersatz, er muss aber auch bereits Steuern auf einen Veräußerungsgewinn zahlen, welchen er noch nicht voll erhalten hat. Hierdurch können sich Liquiditätsprobleme ergeben, welche bereits vor der Vermögensübertragung bedacht werden sollten.

Unter Umständen verfügt der Veräußerer jedoch nicht über die liquiden Mittel, um den Barwert der Veräußerungsrente versteuern zu können. In diesem Fall wählt der Veräußerer die Besteuerung nach Zuflüssen. Im Jahr der Veräußerung wird grundsätzlich kein steuerlicher Veräußerungsgewinn erzielt, sodass eine Versteuerung vorübergehend unterbleibt. Der Steuerfreibetrag (max. 45.000 €) sowie der ermäßigte Steuersatz auf den Veräußerungsgewinn können dann nicht in Anspruch genommen werden. Ein Gewinn entsteht unterdies erst, wenn das Eigenkapital der übertragenen Praxis durch die Rentenzahlungen „verbraucht“ ist. Ab diesem Zeitpunkt muss er den Tilgungsanteil der jährlichen Zahlungen (jährliche Rentenzahlung abzgl. des Ertragsanteils) als nachträgliche Betriebseinnahmen versteuern. Der Ertragsanteil der Zahlungen ist auch in diesem Fall bereits ab dem Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern (s. „Praxishinweis“).
 

Steuerliche Folgen für den Praxisnachfolger

Im Rahmen des entgeltlichen Praxiserwerbs schafft der Nachfolger die Wirtschaftsgüter unabhängig von dem Wahlrecht des Veräußerers an und kann seinen Kaufpreis im Wege der Abschreibung steuerlich geltend machen. Die laufenden Zahlungen stellen bei ihm in Höhe des Ertragsanteils (vgl. Steuerliche Folgen für den Praxisveräußerer) laufende Betriebsausgaben dar.

Schlussfolgerung

Es sind umfangreiche Berechnungen erforderlich, um zu prüfen, ob eine Übertragung gegen eine „entgeltliche“ oder „unentgeltliche“ Rente durchgeführt werden soll. Innerhalb eines Familienverbunds ergeben sich hieraus aber auch erhebliche steuerliche Chancen, die gesamte Steuerbelastung innerhalb der Familie möglichst gering zu halten.

Beispiel

Der Arzt Dr. A, 60 Jahre, plant, seine Einzelpraxis mit einem jährlichen laufenden Gewinn von 230.000 € auf seinen Sohn Dr. B zu übertragen. Der Wert der Praxis einschließlich Goodwill beträgt 600.000 €, der Buchwert 100.000 €.

Als Gegenleistung wird vereinbart:

  1. Ein sofort fälliger Kaufpreis von 500.000 €.
  1. Eine lebenslange Rente mit einem Rentenbarwert von 500.000 € (in diesem Fall müsste die Rente aufgrund der Lebenserwartung des Dr. A jährlich ca. 38.200 € betragen, wenn eine fiktive Verzinsung von 5 % unterstellt wird).
  1. Eine lebenslange Rente mit einem Rentenbarwert von ca. 500.000 € mit einer Mindestzeit von 20 Jahren und einer Höchstlaufzeit von 25 Jahren (auch hier betrüge die Rente jährlich ca. 38.200 €).

Steuerliche Folgen

Aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Behandlungen der jeweiligen Varianten ergeben sich die in Tab. 1 und 2 dargestellten Steuerbelastungen. Diese berücksichtigen jeweils die Tatsache, dass einige Zahlungen später bzw. über einen längeren Zeitraum zu leisten sind (sog. „Abzinsung“).

 

Tab. 1: Auswirkungen beim Abgebenden
 

Kaufpreis

Versorgungs­leistungen

Wahlrecht

Sofort­versteuerung

Wahlrecht

Zufluss­besteuerung

Barwert der Geldzuflüsse

500.000,00 €

500.000,00 €

500.000,00 €

500.000,00 €

Barwert der Steuer­belastungen

-92.000,00 €

-176.000,00 €

-132.000,00 €

-145.000,00 €

Netto­verbleib

408.000,00 €

324.000,00 €

368.000,00 €

355.000,00 €

Tab. 2: Auswirkungen bei dem Übernehmenden
 

Kaufpreis

Versorgungs­leistungen

Wahlrecht

Sofort­versteuerung

Wahlrecht

Zufluss­besteuerung

Barwert der Geldzuflüsse

500.000,00 €

500.000,00 €

500.000,00 €

500.000,00 €

Barwert der Steuer­belastungen

-191.000,00 €

-217.800,00 €

-239.000,00 €

-239.000,00 €

Nettoaufwand

309.000,00 €

282.200,00 €

261.000,00 €

261.000,00 €

Ergebnis

Während die Geldzu- und -abflüsse jedenfalls rein mathematisch in jedem Beispiel dieselben sind, unterscheiden sich die steuerlichen Auswirkungen und damit der Nettoverbleib bzw. der Nettoaufwand in den Varianten doch erheblich. Das Vermögen wird somit durch jede Variante von dem Sohn auf den Vater bzw. umgekehrt umgeschichtet.

In dem Beispiel würde eine Veräußerung gegen eine jährliche Rente mit einer Mindest- oder Höchstzeit die höchste steuerliche Entlastung im Familienverbund bringen (107.000 €, s. Tab. 3). Beim Abgebenden verbleiben hier jedoch nur 368.000 € (s. Tab. 1), die er nur ratenweise erhält, wohingegen er bei einem sofort gezahlten Kaufpreis 408.000 € nach Abzug der ebenfalls sofort fälligen Steuer in Höhe von ca. 92.000 € erhält.

 

Tab. 3: Gegenüberstellung der Steuerentlastungen im Familienverbund
 

Kaufpreis

Versorgungs­leistungen

Wahlrecht

Sofort­versteuerung

Wahlrecht

Zufluss­besteuerung

unentgeltliche Über­tragung

Barwert Steuerbelastung Abgebender

92.000,00 €

176.000,00 €

132.000,00 €

145.000,00 €

0,00 €

Barwert Steuerentlastung Übernehmender

-191.000,00

- 217.800,00 €

-239.000,00 €

-239.000,00 €

0,00 €

Summe Steuerentlastungen

-99.000,00 €

-41.800,00 €

-107.000,00

-94.000,00 €

0,00 €

Diese Nachteile umgeht der Abgebende bei einem sofort fälligen Kaufpreis – im Gegenzug verliert der Familienverbund jedoch eine steuerliche Entlastung von 8.000 € und der Übernehmer muss den Kaufpreis ggf. über eine Bank finanzieren.

Hat man eine solche Gegenüberstellung (s. Tab. 3) entwickelt, müssen sich beide Parteien einigen, welche Gestaltung gewünscht ist und bei welcher Variante beide wirtschaftlich so gestellt werden, wie sie es selbst und gegenseitig verantworten können.

Bei der tatsächlich unentgeltlichen Übertragung ist ersichtlich, dass diese mangels Geldzu- bzw. abflüssen weder beim Abgebenden noch beim Übernehmenden eine steuerliche Belastung bzw. Entlastung bewirkt. Während bei den Varianten, in denen Geldzahlungen fließen, Vermögensumschichtungen bewirkt werden können, hat die unentgeltliche Praxisübergabe keine direkten einkommensteuerlichen Folgen. Es kann somit weder im Familienverbund eine steuerliche Entlastung generiert werden, noch kann Barvermögen umgeschichtet werden.

Schenkungs- und Erbschaftsteuer

Wie aus dem Beispiel ersichtlich ist, führt die Schenkung der Praxis grundsätzlich zu keiner einkommensteuerlichen Belastung, aber auch zu keiner Entlastung. Darüber hinaus ist im Familienverbund die Übertragung auf die nächste Generation in der Regel schenkungssteuerfrei möglich.

Generell gilt, dass die Übertragung einer Praxis im Regelfall zu einem erheblichen Teil (nämlich zu 85 %) von der Erbschafts-/Schenkungsteuer befreit ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sogar die vollständige Steuerfreiheit bewirkt werden.

Da Kinder von einem erbschaftssteuerlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 € profitieren, ist es so möglich, eine Praxis weitgehend bzw. vollständig schenkungssteuerfrei zu übertragen.

10-Jahresfrist bei Schenkung beachten

In diesem Zusammenhang muss jedoch auch bei den Überlegungen einer (verbilligten) Praxisübergabe auf die Schenkungssteuer bzw. Erbschaftssteuer eingegangen werden, da Schenkungen und Erbschaften, die von einer Person kommen und innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums geleistet wurden, zusammengefasst werden. Sollte der Abgeber innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums versterben, würden weitere Vermögensübertragungen mit der lebzeitigen Übertragung im Hinblick auf den zur Verfügung stehenden Freibetrag saldiert werden.

Wird die Praxis jedoch gegen eine Einmalzahlung übertragen, so erhöht dieser Kaufpreis das Barvermögen des zukünftigen Erblassers. Dieses Vermögen wird dann steuerlich ungünstiger auf die Erben übertragen als die Praxis als begünstigtes Vermögen.

Außerdem existieren neben der Praxis häufig weitere Vermögenswerte, die ebenfalls Gegenstand einer lebzeitigen Übertragung oder Übertragung von Todes wegen sein können.

Fazit

Damit auch diese weiteren Vermögenswerte möglichst steuergünstig übertragen werden können, gilt es, möglichst frühzeitig gemeinsam mit dem Steuerberater und ggf. einem Rechtsanwalt ein erbschaftssteuerliches und schenkungssteuerliches Gesamtkonzept zu erarbeiten, durch das sowohl testamentarisch das Vermögen eindeutig und gerecht verteilt wird als auch steueroptimal unter Aus­nutzung aller Freibeträge übertragen wird.

Joachim Blum
Steuerberater, Fachberater für das Gesundheitswesen (DStV e. V.), Fachberater für 
Unternehmensnachfolge (DStV e. V.)
www.laufmich.de

Christoph Gasten
Dipl.-Finw., Steuerberater
Beide Partner Heilberufe­beratung der Kanzlei Laufenberg Michels und Partner
www.laufmich.de

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