Steuernachzahlungszinsen – Änderung der Rechtslage möglich

Wenn Steuerbescheide nachträglich geändert werden und es zu Nachzahlungen für vergangene Jahre kommt, ist dies für den Steuerbürger schon schlimm genug. Die Tatsache, dass die Steuernachzahlungen zusätzlich noch mit sechs Prozent zu verzinsen sind, hat in der Beratungspraxis zu viel Unmut und Diskussionen geführt. Denn der seit 1961 unverändert gültige Zinssatz von sechs Prozent entspricht – bei der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase – nicht mehr der Realität.

Selbst Angehörige der Finanzverwaltung kritisieren – wenn auch unter vorgehaltener Hand – die Regelung des § 233 a Abgabenordnung, in dem der Nachzahlungszinssatz von sechs Prozent fixiert ist. Denn wenn nach durchgeführten Betriebsprüfungen oder nach der Änderung von Beteiligungseinkünften rückwirkend Steuernachzahlungen anfallen, ist die derzeit gültige Gesetzeslage unbarmherzig.

Zwar werden mögliche Steuererstattungsansprüche ebenfalls zusätzlich mit sechs Prozent vergütet, aber dies ist nur ein kleiner Trost für diejenigen, die mit Nachzahlungen zu kämpfen haben.

Nachzahlungszinsen müssen zunächst nicht gezahlt werden

Ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen hat in seinem Steuernachzahlungsfall Klage beim Finanzgericht in Köln erhoben. Leider vergeblich, denn das Finanzgericht lehnte die Beschwerde ab.

► Der Bundes­finanzhof (BFH) sieht die Rechtslage jedoch anders und hat in seinem Beschluss vom 25. April 2018 (Az. IX B 21/18) erhebliche Zweifel an dem sechsprozentigen Zinssatz für Steuer­nachzahlungen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 geäußert.

Der BFH ging in dem Beschluss noch weiter und hat im Falle des Ehepaares, nach summarischer Prüfung des Sachverhalts, Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt. Die Tatsache, dass die Nachzahlungs­zinsen zunächst nicht zu zahlen sind, ist zwar positiv, sie ist jedoch nur als Etappensieg zu werten.

Realitätsferne Zinssatzbemessung

Da der BFH erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des sechsprozentigen Zinssatzes gesehen hat, wird es voraussichtlich zu einer Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht kommen. Der BFH sieht bei der derzeitigen Rechts­lage – im Verhältnis zu der Niedrigzins­phase – den allgemeinen Gleichheitssatz, Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt.

Das können Ärzte tun

Für betroffene Ärzte ist jetzt Handlungs­bedarf angesagt. Gegen zukünftig ergehende Steuerbescheide, in denen neben der Steuernachzahlung auch Steuernachzahlungszinsen angefordert werden, sollte Einspruch eingelegt und der Steuerbescheid insoweit hinsichtlich seiner materiellen Bestandskraft offen gehalten werden.

In dem Einspruchschreiben sollte auf den BFH-Beschluss vom 25.04.2018 Az. IX B 21/18 verwiesen werden. Zweck­mäßigerweise sollte auch vermerkt werden, dass man mit dem „Ruhen des Verfahrens“ bis zum Abschluss des Verfassungsgerichtverfahrens einverstanden ist.

Im Übrigen bleibt noch darauf hinzuweisen, dass diese Problematik auch die Gewerbesteuer bei den Gemeinden betrifft. Hier muss der Rechtsbehelf des Widerspruchs geführt werden.

praxistippWer auf eine positive Entscheidung des Verfahrens zugunsten des Steuerbürgers setzt, kann auch ohne Bedenken Aussetzung der Vollziehung der angeforderten Nachzahlungszinsen beantragen. Hier gilt: Nachzahlungszinsen sind in ihrer rechtlichen Beurteilung sogenannte steuerliche Neben­leistungen und können insoweit – egal wie lange das Verfahren bis zur Entscheidung dauert – nicht noch zusätzlich mit Nachzahlungszinsen belegt werden.

Im Zweifelsfall ist zu empfehlen, den steuerlichen Berater zu konsultieren, soweit dieser nicht hinsichtlich der Gesamtproblematik bereits selbst aktiv geworden ist.

Dennis Balharek
Bachelor of Arts in Business Administration (B.A.)
Steuerberater
Teamleiter
alpha Steuerberatungs­gesellschaft mbH
Bantzerweg 3, 35396 Gießen
Tel.: 0641/3002 475

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