Bestandsaufnahme der MVZ-Entwicklung

In der aktuellen Diskussion stehen die mitunter besorgniserregenden Transaktionen von Finanzinvestoren auf dem Sektor der medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Brennpunkt. Wie konnte es dazu kommen, und wie sah die Entwicklung der MVZ in den Vorjahren aus?

Die Gründung von MVZ wurde bereits zum 01.01.2004 durch die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt als zusätzliche Versorgungsform mithilfe des GKV-Modernisierungsgesetzes ermöglicht. Die Anzahl der MVZ verzeichnet seitdem eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung. Mit dem 2015 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VStG) wurden die Gründungsvoraussetzungen gravierend geändert: Die MVZ müssen nicht mehr wie bis dato „fachübergreifend“, sondern können auch „arztgruppengleich“ sein. Wie hat sich die Möglichkeit, arztgruppen­gleiche MVZ zu gründen, auf die Gesamtentwicklung der MVZ ausgewirkt? Dem vorliegenden statistischen Material, das von der Kassen­ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im Herbst 20171 veröffentlicht wurde, ist nicht zu entnehmen:

  • Wie viele MVZ im betrachteten Zeitraum wieder aufgelöst wurden.
  • Wie viele fachgruppengleiche MVZ gegründet wurden.
  • Wie viele MVZ gegebenenfalls durch Kommunen gegründet wurden.

Mithilfe der Grafik 1 wird sehr gut vor Augen geführt, wie nach einer sich abflachenden Kurve in den Jahren 2013 und 2014 ein steiler Anstieg im Jahr 2016 zu verzeichnen ist. Alleine 2016 wurden 417 neue MVZ gegründet, was überwiegend auf die Möglichkeit der „arztgruppengleichen“ MVZ zurückzuführen sein dürfte. Nach Schätzungen hat sich die Zahl der MVZ Ende 2017 auf 2.830 erhöht. Im Jahr 2015 waren von insgesamt 2.156 MVZ 910 in Trägerschaft eines Krankenhauses, in denen fast ausschließlich angestellte Ärzte arbeiten; das heißt von den 417 zusätzlichen MVZ von 2015 auf 2016, hatten die „Krankenhaus-MVZ“ nur einen Anteil von 100 MVZ.

Trend zu mehr Ärzten in Anstellung

Wie sieht hierzu die Entwicklung der absoluten Arztzahlen in dem vorbezeichneten Zeitraum aus? Setzt sich der allgemeine Trend zu immer mehr angestellten Ärzten, der auch bei den Einzelpraxen und den Berufsausübungsgemeinschaften zu verzeichnen ist, fort? Während die Zahl der Vertrags­ärzte seit 2012 mehr oder weniger konstant bleibt, steigt die Zahl der angestellten Ärzte rasant an: Allein zwischen 2015 und 2016 stieg die Zahl um 1.584 Ärzte an. Allerdings geht aus der Statistik nicht hervor, inwieweit die angestellten Ärzte in Voll- oder Teilzeit arbeiten, was im Hinblick auf die zur Patientenversorgung angebotenen Behandlungsstunden eine wichtige Information wäre. Die Gründe für die stetig steigende Nachfrage nach Angestelltenverhältnissen liegen unter anderem in der Feminisierung des Arztberufs, den anderen Vorstellungen einer „Work-Life-­Balance“ der Generation Y und Z sowie der veränderten Risikobereitschaft angesichts hoher Investitionsvolumina.

Hausärzte und Internisten am häufigsten vertreten

Bei einer direkten Gegenüberstellung ausgewählter Daten mit denjenigen zum 31.12.2016 fällt auf, dass die durchschnittliche MVZ-Größe von 6,4 Ärzten gleich geblieben ist.* Die am häufigsten vertretenen Fachgruppen sind weiterhin Hausärzte, fachärztliche Internisten und Chirurgen. Die Einführung eines weiteren Akteurs in der ambulanten Versorgung wurde mit der Intention einer langfristigen Versorgungssicherheit, insbesondere der ländlichen Bevölkerung, vorgenommen. Bei einem Blick auf die räumliche Ansiedlung in den letzten Jahren, kommen berechtigte Zweifel auf, ob dies so gelingen kann. Der Trend, dass sich MVZ überwiegend im kaufkraftstarken städtischen Raum niederlassen, setzt sich fort. Auch die neu hinzugekommene Möglichkeit, dass Kommunen MVZ gründen dürfen, hat hier noch zu keiner Trendwende geführt. Die gewünschte Versorgungssicherheit auf dem Land wird auf diesem Weg jedoch nicht erreicht werden können.

Finanzinvestoren

Bei den Z-MVZ, die überhaupt erst mit Verabschiedung des GKV-VStG möglich wurden, hat es einen deutlichen Schub gegeben, der durch die zusätzliche Gründung von fachgruppengleichen MVZ ausgelöst wurde. Durch diese Möglichkeit sind aber auch Finanzinvestoren, die eigentlich gerade nicht als MVZ-Gründer zugelassen werden sollten, auf den Plan getreten. Die Erklärung liegt in der sogenannten „Buy-and-Build-Strategie“: z.B. über das Vehikel „Aufkauf eines sanierungsbedürftigen Krankenhauses“, das dann als MVZ-Trägergesellschaft dient, wird die Tür in den (zahn-)ärztlichen Versorgungsbereich hinein weit geöffnet: Ausgehend von der MVZ-Trägergesellschaft gründen die Finanzinvestoren neue MVZ oder kaufen bereits bestehende Praxen auf und gliedern sie ein. Aufgrund der verschachtelten Inhaberstrukturen kann man selten auf den ersten Blick erkennen, ob und wenn ja, welcher Fremdinvestor sich hinter einem neu zugelassenen MVZ verbirgt. Zu Recht wird hier die Einführung eines „MVZ-Registers“ von der KZBV gefordert.

Nicht nur eine Fokussierung auf kurzfristige Gewinnoptimierung in attraktiven Ballungsgebieten widerspricht der ursprünglichen Intention der Zulassung von (fachgruppengleichen) MVZ, sondern auch das nicht von der Hand zu weisende (rein betriebswirtschaftlich nachvollziehbare) Risiko, dass die internationalen Kapitalanleger die neu geschaffenen, möglichst profitabel arbeitenden Ketten mit Gewinn weiterveräußern wollen. Der neue Eigentümer möchte dann natürlich, dass sich „seine“ Investition wieder „rentiert“ (ein Teufelskreislauf, der zudem zu einer „Blase“ führen kann).

Je mehr junge (Zahn)Ärzte durch Angestelltenverhältnisse „absorbiert“ werden und nicht für die Übernahme einer Praxis zur Verfügung stehen, desto größer ist die Gefahr, dass zum einen die Versorgung sich in manchen Bereichen rapide verschlechtern wird. Zum anderen können dann die Finanzinvestoren sich die Rosinen herauspicken und noch schneller wachsen.  

Weiterführende Hinweise: www.kbv.de; www.bmvz.de

* Die vorletzte veröffentlichte Erhebung der KBV zur Entwicklung der MVZ lieferte Daten zum 31.12.2013.
** Anm.: im Jahr 2012 gibt es bei der Addition der veröffentlichten Daten eine Differenz von 18

1 KBV: Entwicklungen der Medizinischen Versorgungszentren, www.kbv.de

Dr. Detlev Nies und
Dipl. Volkswirt Katja Nies
Sachverständige für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen
www.praxisbewertung-praxis­beratung.com

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