Digitale Gesundheitsanwendungen in der Praxis – Aspekte einer wirtschaftlichen Verordnung

Dieser Beitrag möchte einen konkreten Aspekt zum Einsatz von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) näher beleuchten. In der Praxis gibt es immer wieder Fragen, wie denn das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Verordnung von DiGA konkret umzusetzen ist. Dabei gibt es einige Aspekte, die für eine wirtschaftliche Verordnung zu berücksichtigen sind.

piekosten von bis zu 8,26 € – nachzulesen auf der Seite „KV-App-Radar“ des Zentral­instituts für die Kassenärztliche Versorgung – kommt der eine oder die andere vielleicht doch ins Grübeln. Nur insgesamt 3 der 17 KVen gehen auf das Thema konkret ein. Deshalb wollen wir Verordnerinnen und Verordnern von DiGA Orientierung und Sicherheit geben, welche Aspekte für die wirtschaftliche Verordnung zu berücksichtigen sind.

DiGA – die wichtigsten Fakten

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) bekamen gesetzlich Versicherte Anspruch auf die Anwendung und Erstattung von geprüften Gesundheits-Apps. Damit entsteht seit September 2020 mit den DiGA neben der Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder häuslicher Krankenpflege ein neuer Leistungsbereich.

Medizinisch geprüft

DiGA werden als Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) klassifiziert, deren Hauptfunktion auf digitalen Technologien beruht und die eigenständig von Patientinnen und Patienten angewendet werden. Durch die GKV werden die Kosten aber nur für digitale Anwendungen übernommen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft wurden und im DiGA-Verzeichnis gelistet sind. Dieses enthält verordnungsrelevante Informationen u. a. zu Anwendungsgebieten, Kontraindikationen und Altersbereich der geeigneten Patientinnen und Patienten.

Weg zur DiGA

DiGA werden wie Arzneimittel über das Muster 16 mittels der zugehörigen Pharmazentralnummer (PZN) verordnet. Über die PZN sind sowohl die Diagnose als auch die Verordnungsdauer verschlüsselt. Alternativ kann sich die Patientin oder der Patient auch direkt an die Krankenkasse wenden und einen Antrag auf Nutzung einer DiGA stellen. Die Krankenkasse genehmigt den Antrag, wenn die Indikation für den Einsatz der DiGA vorliegt. In der Regel genügt für den Nachweis eine kurze ärztliche Bescheinigung. Die entsprechende Indikation kann hierbei auch aus der Krankenkasse bereits vorliegenden Behandlungsunterlagen hervorgehen. Die Mehrzahl der DiGA wird jedoch ärztlich verordnet; auch die Krankenkassen
präferieren diesen Weg.

 

Wirtschaftlichkeit von DiGA

Durch die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis ist die Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit der DiGA gegeben. In den §§ 106 bzw. 106b wird die arztbezogene Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen geregelt. KBV und GKV-Spitzenverband haben Rahmenvorgaben zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen vereinbart, in denen Mindestregelungen für die regionale Ausgestaltung der zwischen den regionalen KVen und den Landesverbänden der Krankenkassen zu schließenden Prüfvereinbarungen getroffen werden. In § 2 Abs. 2 der Rahmenvorgabe werden die Leistungsbereiche konkret benannt, die der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen:

  • Verordnungen von Medizinischer Rehabilitation
  • Arznei- und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf
  • Heilmitteln
  • Hilfsmitteln
  • Krankentransporten
  • häuslicher Krankenpflege
  • Soziotherapie 
  • Spezialisierter Ambulanter Palliativ­versorgung

Verordnungen von DiGA sind nicht Gegenstand der aktuellen Rahmenvorgabe. Dementsprechend werden DiGA auch in keiner der 17 regionalen Prüfvereinbarungen erwähnt. Damit ist klar, dass DiGA aktuell nicht zusammen mit den Arzneimittel­verordnungen im Rahmen statistischer Auffälligkeitsprüfungen wie z. B. der Prüfung nach Richtgrößen, Durchschnittswerten oder im Rahmen der Wirkstoffprüfung geprüft werden können. 

Restrisiko bleibt

Trotzdem bieten einige Prüfvereinbarungen den Spielraum einer Einzelfallprüfung „anderer verordneter Leistungen“. Es gibt also zumindest ein theoretisches Restrisiko, dass insbesondere eine Krankenkasse einen Antrag bei den Prüfgremien auf Wirtschaftlichkeitsprüfung einer DiGA-Verordnung stellen könnte. In der Praxis muss bei der Verordnung von DiGA nur auf eine prüfrelevante Konstellation geachtet werden. 

Wie wähle ich eine DiGA aus?

Zur weiteren Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots ist festzuhalten, dass es bereits jetzt Anwendungsgebiete wie beispielsweise die Depression gibt, für deren Behandlung mehrere DiGA im DiGA-­Verzeichnis gelistet sind, deren Verordnungskosten sich zum Teil deutlich unterscheiden. Hier ist es also unabdingbar, sich mit den einzelnen DiGA im Vorfeld auseinanderzusetzen, um eine für die individuelle Patientensituation geeignete Therapieentscheidung zu treffen. Bei potenziellen Rückfragen von Krankenkassen kann so schnell eine Begründung für die ausgewählte DiGA zur Verfügung gestellt werden. Dieses Vorgehen bei DiGA entspricht der gängigen ärztlichen Vorgehensweise, wenn zur Behandlung einer Erkrankung mehrere – auch kostenmäßig – unterschiedliche Therapiealternativen, zur Verfügung stehen.

Hinweise für die Verordnungspraxis

DiGA sollten nur bei Patientinnen und Patienten in Indikationen verordnet werden, für die positive Versorgungseffekte nachgewiesen wurden oder nachgewiesen werden sollen. Sie sind die Voraussetzung, damit die Kosten der DiGA von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden können. Eine entsprechende Verordnung der DiGA durch eine Ärztin oder einen Arzt kann nur auf Basis der genannten Indikationen erfolgen. Sie finden diese im DiGA-­Verzeichnis, zum Teil bieten die Praxis­verwaltungssysteme aber auch eine entsprechende Unterstützungsfunktion. Achten Sie deshalb auf eine qualifizierende gesicherte Behandlungsdiagnose, da ansonsten Krankenkassen die fehlende Diagnose – analog zum Arzneimittelbereich – als Off-Label-Use interpretieren und einen Antrag auf Einzelfallprüfung bei den Prüf­gremien stellen könnten.

Nutzungsdauer einer DiGA

Einige DiGA haben eine Höchst­dauer für die Nutzung. Bei jeder Verordnung überprüft die Krankenkasse, ob die Patientin oder der Patient versichert und grundsätzlich leistungs­berechtigt ist. Da eine Patientin oder ein Patient sich auch Erst- bzw. Folgeverordnungen von DiGA von mehreren Ärztinnen und Ärzten ausstellen lassen könnte, kann nur die Krankenkasse die Höchstdauer der Nutzung der DiGA eindeutig nachvollziehen. Durch die Verschlüsselung der Verordnungsdauer und der Diagnosen in der PZN könnte sie dann bei einer Überschreitung der Höchstdauer der Nutzung ggf. die Freischaltung des Kodes bei einer Erst- bzw. Folge­verordnung verweigern.

Voraussetzungen

Wie bei jeder verordneten Leistung sollte die Ärztin oder der Arzt vor Verordnung prüfen, dass die Patientin oder der Patient für die Anwendung der DiGA geeignet ist und dass mit dieser der gewünschte therapeutische Effekt voraussichtlich erreicht werden kann. Ebenso müssen vor der Verordnung die infrage kommenden Behandlungsalternativen geprüft werden. Dies bedeutet auch, dass eine pauschale Verordnung von DiGA mit dem Effekt einer nicht nachvollziehbaren Ausweitung der Verordnungsmenge bzw. Kosten von den Kostenträgern als unwirtschaftlich angesehen werden kann.
Bei der Verordnung einer DiGA gibt es weder eine Aut-idem-Regelung noch eine Zuzahlungspflicht für Patientinnen und Patienten. DiGA-­spezifische Dokumentationserfordernisse ergeben sich für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung nicht.

Fazit

DiGA bilden einen neuen Leistungsbereich der GKV, der sowohl für Patientinnen und Patienten als auch Ärztinnen und Ärzte eine relevante Ergänzung des Spektrums der Versorgungsmöglichkeiten bietet. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass die Verordnungen von DiGA im Moment noch außerhalb der klassischen Systematik der Wirtschaftlichkeitsprüfungen laufen. Damit bekommen Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, ohne die ansonsten doch weit verbreitete Sorge vor Prüfungen und Regressen Erfahrungen mit DiGA zu sammeln und schrittweise die digitalen Angebote in die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu integrieren.

Dr. med. Georg Lübben
AAC Praxisberatung AG 
Am Treptower Park 75
12435 Berlin
030-22 44 523-0
www.aac-ag.de

Lars Wiedemann
Fachanwalt für Medizinrecht
pwk & Partner Rechtsanwälte
Saarlandstraße 23
44139 Dortmund
www.pwk-partner.de

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