Interview: Präventionsmedizin hat ökonomisches Potenzial

Patientinnen besser versorgen und der Budgetierung entkommen: Die moderne Präventionsmedizin macht beides möglich, sagt Frauenarzt Dr. Edgar Leißling aus dem Vorstand der Ärzteorganisation GenoGyn, die für das notwendige Fachwissen sorgt.

Herr Dr. Leißling, wo liegen die Chancen der Präventionsmedizin?

Leißling: „Die jüngste gesetzgeberische Schikane heißt Terminservice- und Versorgungsgesetz, das uns vor allem eine populär-­politische Erhöhung der Mindestsprechstundenzeiten und offene Sprechstunden ohne feste Terminvorgabe bescheren wird. Die geplanten extrabudgetären Anreize könnten laut dem Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvereinigung Dr. Andreas Gassen im Idealfall geschätzte 4.000 Euro Mehr­einnahmen erbringen, also etwa 16 Euro pro Arbeitstag. Das ist angesichts massiver Eingriffe in die Praxis­organisation und die Freiberuflichkeit ein Skandal und wird die finanziellen Bedingungen im Bereich der Kassenmedizin nicht verbessern. Die Präventionsmedizin bietet dagegen Chancen außerhalb des Budgets – für unsere Praxen und für unsere Patientinnen.“

Wo sehen Sie die Probleme mit der Kassenmedizin?

Leißling: „Eines ist doch klar, unter dem bestehenden Budget- und Regressdruck werden heute häufig eine suboptimale Diagnostik und Therapie angeboten. Frei nach dem Motto: Ist der TSH-Wert in Ordnung, hat die Patientin kein Schilddrüsen-Problem. Damit decke ich natürlich keinen Morbus Hashimoto auf, der für die Patientin erhebliche gesundheitliche Konsequenzen haben kann. Genau hier liegen die Chancen der Präventionsmedizin, die es uns erlaubt, selbstbestimmt innovative, medizinische Inhalte anzubieten, die mit einem Gesamt-Konzept auch ein erhebliches ökonomisches Potenzial für den niedergelassenen Gynäkologen bergen. Voraussetzung ist eine geeignete Qualifikation zum ‚Facharzt bzw. -ärztin für die Frau‘.“

Welche präventionsmedizinischen Leistungsangebote betreffen zum Beispiel den Bereich der Schwangeren­vorsorge?

Leißling: „Zum einen konstatieren wir heute höhere Belastungen der Schwangeren durch Umwelteinflüsse und auch in der Arbeitswelt sowie eine schlechtere Gesundheit junger Frauen. Orale Kontrazeptiva, Antibiotika, Alkohol, Tabak, Koffein, Reduktionsdiäten und Fast Food, aber auch eine vegane Ernährung und andere Einflussfaktoren können zu erheblichen Vitalstoffmängeln führen. Zum anderen revolutioniert die aktuelle Forschung gerade unser Wissen über die intrauterine Prägung der Kinder. Daraus ergibt sich beispielsweise Handlungsbedarf bei der Nährstoffsupplementation sowie die dringende Notwendigkeit, einen Gestationsdiabetes mellitus (GDM) tatsächlich zu detektieren. Das heißt, ich biete statt des 50 g-Suchtests den von den Fachgesellschaften empfohlenen oralen Glukosetoleranztest (75 g oGTT) an.“

Haben Sie ein Abrechnungsbeispiel?

Leißling: „Bleiben wir beim 75 g oGTT, der nach der GOÄ mit ‚normalen‘ Steigerungssätzen abgerechnet wird – was ich übrigens zur Abrechnung aller privatärztlichen Zusatzleistungen empfehle. Die Abrechnung mit 1,1435-fachem Satz, um eine glatte Summe zu erhalten, empfiehlt sich nicht.“

Welche weiteren Angebote können Gynäkologen mit Zusatzqualifikation Präventionsmedizin zum Beispiel anbieten?

Leißling: „Wir haben den großen Vorteil, unsere Patientinnen in allen Lebensphasen zu begleiten, sodass wir ein breites Leistungsspektrum anbieten können – angefangen bei der fetalen Programmierung über kardiovaskuläre Prävention und Bewegungs- sowie Adipositastherapie bis hin zur Prävention altersassoziierter Erkrankungen wie Osteoporose und Neurodegeneration. Aber natürlich stehen auch die Impfprophylaxe, Ernährungsmedizin, Mund- und Darmflora sowie die Schlafmedizin im Fokus einer personalisierten Präventionsmedizin.“

Wie lautet Ihr Fazit für den Präventionsmediziner?

Leißling: „Budgetfreie Diagnostik und Therapie sowie eine moderne, individuell optimierte und personalisierte Medizin, die uns Ärzte fordert, uns aber auch die Freiheit im und die Freude am Beruf wieder zurück gibt.“

qualifizierung zum/R präventionsmediziner/InGenoGyn bietet ein komplettes Konzept unter dem Namen „Gyn-for-life“ an, das die Vermittlung präventivmedizinischer Inhalte ebenso abdeckt wie deren Umsetzung in die Praxis. Die Basis ist eine hochqualifizierte zertifizierte Ausbildung zum Präventionsmediziner. Dazu kommen Workshops etwa zur modernen Schwangerenvorsorge, zur integrativen Onkologie und zu Wechsel­jahren und Altersprävention. Die Workshops beinhalten Konzepte zu Diagnostik und Therapie, Leistungs­ziffernketten zur Abrechnung, Anleitung in Praxis- und Personalmanagement sowie die sichere Kommunikation von Präventions- und Selbstzahlerleistungen unter Wahrung der vorgeschriebenen IGeL-­Umsetzungsregeln nach der
neuesten Rechtsprechung.

 

► Die Ausbildung zum Präventionsmediziner geht Anfang 2019 wieder an den Start. Anmeldung unter www.genogyn.de.

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Dr. med. Edgar Leißling
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,
Vorstand der GenoGyn,
Leitender Arzt des Instituts für Prävention und Ernährung (IPE), Ärztlicher Referent des Curriculums Ernährungsmedizin der Ärztekammer Nordrhein

Interview: Amelie Kaufmann

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