Liquiditätsplanung in der Arztpraxis – Warum „Management-by-Kontostand“ zu Problemen führen kann

Viele Ärzte lesen ihre betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) gar nicht. Sie betreiben lieber „Management-by-Kontostand“. Solange genug Geld auf dem Konto ist, ist alles gut. Ohne Liquiditätsplanung kann es aber gerade in Arztpraxen zu bösen Überraschungen kommen, weil große Ausgabenpositionen erst dann erkannt werden, wenn sie vom Konto abgebucht wurden.

 

Zentraler Punkt ist hierbei die rechtzeitige Information über anstehende Steuerzahlungen durch den Steuerberater an den Arzt und die Berücksichtigung dieser Zahlungen in einer Vorschau der Konto­entwicklung.
Als zusätzliches Steuerungsinstrument steht dem Arzt auch seine BWA zur Verfügung. Die BWA sollte so aufgebaut sein, dass die wichtigen Informationen auf einen Blick verständlich dargestellt sind.

1. Das Problem: Warum „Management-by-Kontostand“ für Ärzte nicht gut funktioniert

„Management-by-Kontostand“ hat zwei grundlegende Probleme:

Die Liquiditätsentwicklung des Praxiskontos hat nicht unbedingt etwas mit dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis der Praxis zu tun, weil es auch durch die Entnahmen (insbesondere Einkommensteuerzahlungen) beeinflusst wird. Es fehlt der zeitliche Vorlauf, um in Ruhe auf Veränderungen reagieren zu können.

In aller Regel wird das Praxiskonto nicht nur für Praxiseinnahmen und -ausgaben genutzt, sondern auch für private Zahlungen (gemischtes Konto).

Die zeitliche Differenz zwischen dem Abfluss der Einkommensteuer-Vorauszahlung (ESt-VZ) und dem Eingang der Restzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erschwert die Beurteilung der Entwicklung des Praxiskontos zusätzlich.

Grafik 1 zeigt, dass die monatlichen Liquiditätsergebnisse typischerweise in drei Kategorien einzuordnen sind:

  1. Jan, April, Juli, Okt: Deutliches Liquiditätsplus in den Monaten mit KV-Restzahlung

  2. Feb, Mai, Aug, Nov: Ohne Sondereinflüsse ergibt sich das liquide Ergebnis aus Praxisergebnis minus laufende Privatentnahmen.

  3. März, Juni, Sept, Dez: Deutliches Liquiditätsminus durch die Zahlung der ESt-VZ

Zur Klarstellung: Eine ausgeglichene Liquidität in Monaten ohne Sonder­einflüsse bedeutet nicht, dass kein Praxisgewinn erwirtschaftet wurde.

Es bedeutet nur, dass die Privatentnahmen in etwa dem monatlichen Praxisgewinn entsprochen haben. Die Antwort, ob dem wirklich so ist, liefert erst eine gut aufgebaute BWA.

Steuernachzahlung und ESt-VZ-Anpassung einkalkulieren

„Management-by-Kontostand“ verleitet dazu, eine Verbesserung der Liquidität durch die KV-Restzahlung als „Ich bin auf einem guten Weg“ zu interpretieren. Tatsächlich kann der Trend aber ein anderer sein.

Wenn man von einem Konto­stand von  Euro null am 01.01. ausgeht, macht die kumulierte Darstellung nicht nur den Trend sichtbar (Grafik 2 unten). Sie zeigt auch, dass in der Summe im gesamten Jahr Euro 40.000 Liquidität fehlen.

Die Höhe der KV-Restzahlungen und der ESt-VZ sowie deren Zahlungstermine sind in der Regel recht­zeitig bekannt und können gut geplant werden.


Eine böse Überraschung kann die Steuernachzahlung für das Vorjahr und die meist damit verbundene nachträgliche Anpassung der ESt-VZ für das laufende Jahr sein.


Hier geht es schnell um fünfstellige Beträge. An dieser Stelle sollte der Arzt die Qualität seines Steuerberaters daran messen, dass dieser regelmäßig eine Steuerhochrechnung für das laufende Jahr erstellt und über drohende Nachzahlungen informiert.

Eine Hochrechnung auf Basis der Dezember-Buchhaltung ist Pflicht. Auf Basis der Buchhaltung zum 30.09. sollte sie Standard sein. Darüber hinaus sind Hochrechnungen immer dann angesagt, wenn der Steuerberater eine deutliche Abweichung vom Ergebnis des Vorjahres erkennt.

Hochrechnungen dienen dabei nicht nur einer Realisierung von Vorwarnzeiten, sondern auch der Überlegung ob ein Herabsetzungsantrag gestellt werden soll.

Neben den Problemen, die sich aus den natürlichen Schwankungen des Konto­stands bei Ärzten ergeben, sollte auch ein Bewusstsein dafür vorhanden sein, dass das Praxisergebnis nicht unbedingt der entnahmefähigen Liquidität aus der Praxis entspricht.

2. Lösung: Eine verständliche BWA, die diese Aspekte abbildet

Ärzte sind nicht nur der Gesundheit ihrer Patienten verpflichtet, sondern als Unternehmer auch der finanziellen Gesundheit der Praxis und als Privatperson der Gesundheit der eigenen Finanzen. Damit der Arzt Eigenverantwortung für seine Finanzen übernehmen kann, sollte der Steuerberater nicht nur mit seinem Fachwissen die Zahlen zusammenstellen. Er sollte sie so erläutern, dass der Arzt aus den Daten schlau wird.


Da die Kommunikation unterjährig häufig durch die Zusendung der BWA erfolgt, darf man erwarten, dass der Steuer­berater bei besonderen Auffälligkeiten Hinweise gibt. Bei sinkenden Praxis­ergebnissen sollte sowohl über einen Herab­setzungsantrag für die ESt-VZ als auch über die Ursachen für diese Entwicklung gesprochen werden. Bei steigenden Gewinnen sollte rechtzeitig über mögliche Steuer-Nachzahlungen informiert werden, damit entsprechende Rücklagen gebildet werden können.


In beiden Fällen ist der Arzt damit nicht aus der Eigenverantwortung entlassen. Nur er selbst kann die Maßnahmen umsetzen, die zu einer Erholung des Praxis­ergebnisses beitragen beziehungsweise er selbst muss die notwendige Liquidität zur Seite legen.

Der Kommunikationskanal zwischen Steuerberater und Arzt ist keine Einbahnstraße. Rückfragen des Arztes können sich aber nur ergeben, wenn er die eigene BWA wirklich versteht und die darin enthaltenen Informationen interpretieren kann. Simple Voraussetzung: Die BWA muss verständlich sein.

3. Die Quartals-BWA mit Vorjahreszahlen (interner Vergleich)

Eine gute und verständliche BWA kann viele Fragen beantworten, Trends sichtbar machen und eine Hilfestellung bei der Analyse der Zahlen sein. Dazu gehören im Wesentlichen drei Aspekte:

3.1 Die Praxiszahlen

Die Darstellung der Praxiszahlen sollte so aufgegliedert sein, dass die wichtigsten Einnahmequellen differenziert sichtbar und die Ausgaben sowohl in ihrer Wesentlichkeit als auch in ihrer Struktur erkennbar sind.
Sowohl für Einnahmen als auch für Ausgaben sollten auch die Vorjahreszahlen ausgewiesen werden (interner Praxisvergleich), um Trends erkennen zu können.

  • Welche Einnahmequellen haben sich in welchem Umfang verändert?
  • Welche Kosten sind gestiegen und welche gesunken?

 

Die Beispielzahlen (Abb. 1) zeigen auf der Einnahmeseite einen Rückgang sowohl der KV-Honorare als auch der Privat­liquidationen, der analysiert werden sollte.
Auf der Kostenseite fällt auf, dass die Gesamtkostensteigerung von Euro 5.300insbesondere auf eine Kostensteigerung bei den Finanzierungs- und Fahrzeugkosten von zusammen Euro 20.000zurückzuführen ist, während alle anderen Kosten in der Summe um Euro 14.700gesunken sind.

Dadurch ist das Praxisergebnis im Vergleich zum Vorjahr um Euro 16.300gesunken. Die Gewinnquote (Gewinn/Umsatz) beträgt 49,8 Prozent.

3.2 Die private Finanzsituation

Wie in den Ausführungen zum „Management-by-Kontostand“ aufgezeigt, ist eine Darstellung der finanziellen Situation des Arztes ohne die Darstellung der privaten Liquidität nicht ausreichend. Deshalb sollte eine gute BWA eine verständliche Darstellung zu zwei Größen enthalten:

  • verfügbares Geld aus der Praxis
  • Summe der privaten Ausgaben.

 

Durch die Überleitungsrechnung (Abb. 2) vom Gewinn zum verfügbaren Geld aus der Praxis wird dargestellt, welche Liquidität für die privaten Ausgaben zur Verfügung steht.

In dem Beispielfall wurde im Jahr 2016 ein Betriebs-PKW im Wert vonEuro 90.000angeschafft und nur zum Teil finanziert. Dadurch standen nichtEuro 279.300(Gewinn), sondern nur Euro 246.700zur Verfügung. Die privaten „Zwangsausgaben“ in Form von Versicherungen (Risiko- und Altersvorsorge inklusive Versorgungswerk) sowie Steuerzahlungen führen zu Zahlungen von Euro 139.600.Das private Wohnen inklusive Eigenheimfinanzierung kostet weitereEuro 59.500.Damit hätten (im Nachhinein betrachtet) Euro 47.600für die Lebenshaltung zur Verfügung gestanden.

Tatsächlich wurden aberEuro 87.500ausgegeben. Eine Differenzierung dieser Lebenshaltungskosten über einen dazugehörigen Einzelkontennachweis ist möglich.

In der Regel spiegeln die Lebenshaltungskosten aber die laufenden Entnahmen auf das nicht gebuchte Privatkonto wider. Die gewünschte Transparenz in den Privatausgaben kann dadurch vom Arzt selbst bestimmt werden.

 

3.3 Die Entwicklung der eigenen Verschuldung

Durch die Buchung der Praxisdarlehen (zwangsweiser Bestandteil der Buchhaltung) und der privaten Darlehen (soweit gewünscht) wird das Bild abgerundet (Abb. 3). Während die privaten Darlehen planmäßig getilgt wurden, haben sich planmäßige Tilgung der bestehenden Praxisdarlehen und Neuaufnahme für die PKW-Finanzierung im abgelaufenen Jahr die Waage gehalten. In der Praxis hat keine Entschuldung stattgefunden.

Im Gegenteil: Durch die Anschaffung des Kfz und den Gewinnrückgang wurde das laufende Praxiskonto um Euro 39.900verschlechtert. Hier spiegelt sich jetzt die „Überentnahme“ der privaten Ausgaben im Vergleich zum verfügbaren Geld aus der Praxis.

Diese Gesamtdarstellung, die sich im Original auf einer Seite findet und hier für Zwecke der Darstellung aufgeteilt wird, ermöglicht einen guten Überblick über die eigene Finanzsituation und die Entwicklung der Praxis.

 

4. Externer Branchenvergleich (jährlich)

Eine Ergänzung sollte ein einmal jährlich stattfindender Vergleich mit entsprechenden Branchenvergleichszahlen sein. Der externe Branchenvergleich zeigt (Abb. 4), dass die Struktur der Einnahmen etwas besser ist als bei Ärzten gleicher Fachrichtung und Umsatzgröße, weil der Anteil der sonstigen Honorare (Privatliquidationen) höher ist. In der Kostenanalyse zeigt sich, dass Dr. Mustermann besser dasteht als vergleichbare Praxen – abgesehen von den Finanzierungs- und den Kfz-Kosten.

5. Fazit

„Management-by-Kontostand“ ist ein erstes Indiz, aber kein geeignetes Instrument zur Steuerung der Praxis und der eigenen Liquidität. Eine gute BWA, die die entsprechenden Aspekte abbildet und ein guter Steuerberater, der diese gut erklärt, sind wichtige Voraussetzungen, um sich mit den eigenen Zahlen beschäftigen zu können und sie zu verstehen. Nur wer sich mit den eigenen Zahlen beschäftigt, kann sie verbessern.

Diplom-Kaufmann Dirk Klinkenberg,
Steuerberater bei der CURATOR Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH
Schlossstraße 20 51429 Bergisch Gladbach
Tel.: 02204-9508-200
Tätigkeitsschwerpunkt der CURATOR ist die steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung von Ärzten, Zahnärzten und sonstigen Heilberuflern.
www.curator.de

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