Wie berechne ich die Wirtschaftlichkeit einer Investition?

Jeder Arzt kennt es: Der neueste Werbeprospekt eines Geräteherstellers preist neben den medizinischen Vorteilen auch wirtschaftliche Vorteile an, die sich durch die Investition in das neue Gerät erzielen lassen. Dieser Artikel soll die Einflussgrößen der unbekannten Seite „Investitionsrechnung“ allgemeinverständlich darstellen, um die Berechnungen des Herstellers besser hinterfragen zu können. Anhand von Rechenbeispielen wird am Schluss gezeigt, welche Auswirkungen relativ marginale Veränderungen der Rahmenbedingungen haben können (Sensitivitätsanalyse).

1. Anschaffungskosten/Umsatzsteuer

Als erstes stellen Sie sich die Frage: Was kostet das Gerät?

Dass der Hersteller hier zunächst den Listenpreis ansetzt, dürfte klar sein. Je nachdem, um welches Gerät es sich handelt, sollte aber zumindest ein Seitenblick auf zwei Alternativen geworfen werden:

a)    Kann ich die medizinische Behandlung auch mit einem Gerät der Konkurrenz durchführen und was kostet das?

b)    Kann es Sinn machen, das Investitionsrisiko zu senken, indem ein Gebrauchtgerät angeschafft wird?

In der Regel besteht weniger Verhandlungsspielraum, wenn die Anschaffung über ein Finanzierungsmodell des Anbieters erfolgt. Deshalb sollte man auch die Möglichkeit der Selbstfinanzierung ins Auge fassen (aus eigenen Mitteln, bei der Hausbank), um eventuell Rabatte aushandeln zu können.

Soweit die Leistungen, die mit dem Gerät erbracht werden, nach § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, entfällt der Vorsteuerabzug. Die Vorsteuer kann dann nicht direkt geltend gemacht werden, sondern nur im Wege der Abschreibung.

Sollten mit dem Gerät umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Umsätze erwirtschaftet werden, ist das individuelle Verteilungsverhältnis zu prüfen. Hier ist auf die individuellen Verhältnis der eigenen Praxis abzustellen und nicht auf die allgemeinen Berechnungen des Herstellers.

2. Nutzungsdauer (wirtschaftlich/steuerlich)

Für medizinische Geräte verwendet man – wie für alle technischen Geräte – zwei Ebenen der Nutzungsdauer.

a)    steuerliche Nutzungsdauer (Abschreibungszeitraum): Dieser Zeitraum ist in der Regel durch amtliche AfA-Tabellen vorgegeben.

b)    wirtschaftliche Nutzungsdauer: Die wirtschaftliche Nutzungsdauer wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Neben der allgemeinen technischen Haltbarkeit sind auch z. B. die Kosten regelmäßiger Wartung und Instandhaltung rechnerisch zu berücksichtigen. Im Rahmen der Investitionsrechnung stellt sich hier die Frage: Wer trägt das Risiko für Wartungs-/Instandhaltungskosten? Um das Risiko für den Arzt zu mindern, werden häufig Full-Service-Wartungsverträge mit angeboten, damit mit einer festen monatlichen Belastung kalkuliert werden kann.

Ob sich der Abschluss eines Wartungsvertrags lohnt, ist oft schwer zu beurteilen. Je nach Marktlage können Wartungsverträge sehr günstig sein, weil der Hersteller darüber einen Vorteil gegenüber Alternativ-Geräten im Markt platzieren will. Umgekehrt eröffnen solche Verträge für den Hersteller auch die Möglichkeit weitere Erträge zu erwirtschaften.

Soweit es im Vorfeld nicht möglich ist, diese beiden Konstellationen zu unterscheiden, sollte darauf geachtet werden, keine langen Vertragslaufzeiten einzugehen. Gleichzeitig ist aber eine langfristige Zusage für Ersatzteile sehr wichtig.

Neben der technischen Haltbarkeit beeinflusst auch die technische Entwicklung die Nutzbarkeit. Wenn neue und deutlich bessere Verfahren in der Entwicklung sind, sollte gut überlegt werden, ob langfristige Investitionen in ein bald technisch über­holtes Gerät getätigt werden.

3. Finanzierung

Im Bereich der Finanzierung werden von den Herstellern oft Finanzierungs- und Leasingpakete angeboten. Bei der Kalkulation sollte man auf den Effektivzinssatz achten. Noch wichtiger ist es, die Entwicklung der Liquiditätsbelastung im Auge zu haben.

Die Rückzahlungsmodalitäten sollten sich an zwei Faktoren orientieren:

a)    Dauer der steuerlichen Abschreibung

Während der Abschreibungsdauer kann die Steuerersparnis einen Teil der Finanzierungs­raten amortisieren.

b)    Prognostizierter Verlauf der Umsätze, die mit dem Gerät erzielt werden können.

Insbesondere dann, wenn sich eine medizinische Methode neu durchsetzen muss, ist zu prognostizieren, wie die Akzeptanz bei den Patienten sein wird. Bei bestehenden Methoden, die einfach nur schneller oder mit geringeren Materialkosten umgesetzt werden können, hat der Arzt relativ verlässliche Zahlen über den zu erwartenden ­Umsatz.

4. Wirtschaftlicher Vorteil

► Neben diesen Punkten ist die entscheidende Frage: „Welche Ersparnis und damit welchen zusätzlichen Gewinn kann ich mit dem Neugerät erzielen?“

Diese Größe setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:

a)    den veränderten Stückkosten durch das neue Gerät
b)    dem veränderten Zeitaufwand pro Behandlung
c)    der Zahl der Behandlungen

Während die Zahl der zu erwarteten Behandlungen letztlich vom Arzt selbst zu prognostizieren ist, sind die beiden anderen Größen diejenigen, die der Hersteller „verspricht“.
Und hier gilt: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“

Gerade bei größeren Investitionen sollte man Kontakt zu einem anderen Arzt aufnehmen, der mit diesem Gerät bereits behandelt und der glaubwürdige Aussagen zu den versprochenen Werten machen kann.
Soweit es sich von Seiten des Herstellers um eine Vergleichsrechnung zu einem bestehenden Verfahren handelt, das in der Praxis bereits eingesetzt wird, sollten die Zahlen für das „Altverfahren“ mit den Werten in der eigenen Praxis verglichen werden.

5. Grundschema Investitionsrechnung

Dieses Grundschema ist an mehreren Stellen vereinfacht (siehe Tab. 1). Es fehlt die Berücksichtigung von Gemeinkosten wie zum Beispiel anteilige Miete für den Platz, den das neue Gerät braucht. Solche Gemeinkosten sind für unsere folgenden Sensitivitätsrechnungen nur dann von Bedeutung, wenn das neue Gerät durch einen deutlich geringeren Platzbedarf eine andere und produktivere Raumnutzung ermöglicht. In den meisten Fällen wird sich eine solche Veränderung durch ein neues Gerät nicht ergeben. Bei der Berücksichtigung der Steuerwirkung wurde vereinfachend davon ausgegangen, dass die steuerliche Abschreibung der betriebswirtschaftlichen Größe „Wertverlust“ entspricht.

Steuerliche Sonderregelungen wie zum Beispiel der Investitionsabzugsbetrag oder die Sonderabschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG kommen nur für solche Praxen in Frage, deren Gewinn kleiner als Euro 100.000 ist.

6. Sensitivitätsanalyse des Neugeräts

Wie man der Tabelle 1 entnehmen kann, gibt es sehr viele Einflussgrößen, die die Wirtschaftlichkeit einer Investition beeinflussen. Um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, ist es Aufgabe des Arztes oder seines neutralen Beraters (z.B. Steuerberater), eine oder mehrere Sensitivitätsanalysen durchzuführen.

Eine Sensitivitätsanalyse ist nichts anderes als eine Alternativ­berechnung, bei der eine (!) bestimmte Größe um einen realistischen Wert verändert wird, um die daraus resultierende Veränderung des Gewinns zu beurteilen.

Bei manchen Größen sind die Auswirkungen sehr einfach zu bestimmen. Dies betrifft insbesondere die Fixkosten, weil Veränderungen hier direkt auf den Gewinn durchschlagen.

Beispiel:

Wenn die Instandhaltung um Euro 1.000 p. a. teurer wird, sinkt auch der Gewinn um Euro 1.000.

Im Bereich der variablen Kosten wird es dann schon etwas komplizierter.

Wenn zum Beispiel die Zahl der Behandlungen nur 50 % der prognostizierten Behandlungszahlen erreicht, ist die Berechnung komplexer.

In unserem Fall:
Wenn die Zahl der Behandlungen nicht 180 sondern 90 beträgt (-50 %), reduziert sich der Deckungsbeitrag ebenfalls um 50 % auf dann Euro 22.950. Davon sind die unveränderten Fixkosten von Euro 15.400 abzuziehen. Der Gewinn nach Steuern sinkt dann von Euro 13.396 auf Euro 2.410 (minus 82 %). Die Liquidität sinkt um 77,1 %.

Während in absoluten Zahlen ein Rückgang des Deckungsbeitrags von Euro 22.950 „nur“ einen Gewinnrückgang von Euro 10.986 bewirkt, steigt die prozentuale Veränderung von minus 50 % (Deckungsbeitrag) auf minus 82 % (betriebswirtschaftlicher Gewinn nach Steuern).

Solche Sensitivitätsanalysen können jetzt für alle relevanten Einflussgrößen gemacht werden, die im Vorfeld schlecht eingeschätzt werden können. (s. Tab. 2).

7. Sensitivitätsanalyse durch Vergleich mit dem Altgerät

Was ist der grundsätzliche Nutzen einer Investition? Eine Verbesserung zum bestehenden Zustand – medizinisch und finanziell. In unserer Betrachtung geht es um den Gewinn, der mit dem Altgerät erwirtschaftet wird. Eine Investition lohnt nicht, wenn ein positiver Gewinn erwartet wird, sondern erst dann, wenn der erwartete Gewinn höher ist als der mit dem Altgerät.

Diese Betrachtung ist der eigentliche Kernpunkt der Sensitivitätsanalyse:

Auf welchen Wert dürfen bestimmte Annahmen zurückgehen, damit die Investition nicht schlechter wird als der bestehende Zustand?
Für unsere Analyse haben wir Neugerät und Altgerät gegenübergestellt (s. Tab. 3).

Beim Neugerät haben wir unterstellt, dass die Herstellerangabe zu den Behandlungsdauern zu optimistisch geschätzt ist.
Der Hersteller gibt eine Behandlungsdauer von 15 Minuten für den Arzt und 30 Minuten für den Mitarbeiter an. Wir schauen, wie sich die Werte verändern, wenn sich der tatsächliche Zeitaufwand auf 30 Minuten für den Arzt und 45 Minuten für den Mitarbeiter beläuft.

Der Deckungsbeitrag des Neugeräts sinkt dann um 23,5 %, der betriebswirtschaftliche Gewinn nach Steuern sogar um 71,7 % auf Euro 3.792 pro Jahr. Die Auswirkung auf die Liquidität ist dabei gar nicht so groß. Die Liquidität würde nur um 7,7 % sinken.

Der entscheidende Vergleich ist jetzt der mit dem Altgerät.

Die Kalkulation für das Altgerät unterscheidet sich im Wesentlichen in zwei Punkten:

a)    Sowohl die Materialkosten pro Stück als auch der Zeitbedarf sind höher als mit dem Neugerät.
b)    Es fallen keine Finanzierungskosten an und der Wertverlust ist deutlich niedriger.

Unsere Berechnung zeigt, dass das Altgerät einen betriebswirtschaftlichen Gewinn vor Steuern erwirtschaftet, der um 62,3 % niedriger ist als die Berechnung nach dem Verkaufsprospekt des Neugeräte-Herstellers. Der betriebswirtschaftliche Gewinn nach Steuern ist für das Altgerät sogar negativ!

Warum ist das bis jetzt niemandem aufgefallen?

Weil eine Kalkulation für Altgeräte nicht ohne Anlass gemacht wird. Das negative Ergebnis ist aber ohne Kalkulation kaum zu entdecken, weil es in der Gesamtheit der Zahlen unter geht und weil in diesem Fall das so gerne genutzte „Management-by-Kontostand“ keine Hinweise liefert. „Management-by-Kontostand“ bedeutet, dass das betriebswirtschaftliche Controlling durch den Blick auf den Kontostand ersetzt wird. In unserem Fall ist das liquide Ergebnis des Altgerätes sogar besser als beim Neugerät.

Das sollte aber nicht zu dem Schluss verleiten: „Dann behalten wir doch das Altgerät.“ Dann würden wir die hier entscheidende Größe Unternehmerlohn ignorieren. Entscheidende Größe für den Vergleich ist der betriebswirtschaftliche Gewinn nach Steuern, der den Unternehmerlohn berücksichtigt

Der Arzt investiert gegenüber dem Einsatz des Neugeräts im Jahr 180 Behandlungen x 30 Minuten Behandlungszeit = 90 Stunden = mehr als zwei Arbeitswochen Zeit.

In dieser Zeit können – Auslastung der Praxis vorausgesetzt – andere Behandlungen durchgeführt werden, die den Gewinn der Praxis erhöhen. In unserem Fall wäre es also sinnvoll das Neugerät anzuschaffen.

8. Fazit

Wie immer gilt: Wenn Dir einer etwas verkaufen will, überlege genau welche Aussagen Fakten sind und welche „Verkaufs­optimismus“. Investitionsrechnung ist kein betriebswirtschaftliches Hexenwerk, aber das Ergebnis ist immer nur so gut wie die Daten mit denen man rechnet. Gerade bei größeren Geräte-Investitionen lohnt sich die Investition in betriebswirtschaftliche Kontrollrechnungen.

Diplom-Kaufmann Dirk Klinkenberg

Fachberater für Vermögensgestaltung (DVVS e.V.)
Steuerberater bei der CURATOR Treuhand- und Steuerberatungs­gesellschaft mbH

mit Hauptsitz in der Schlossstraße 20, 51429 Bergisch Gladbach, Tel.: 02204-9508-200

und einer Niederlassung in der Gohliser Str. 11, 04105 Leipzig
Tätigkeitsschwerpunkt der CURATOR ist die steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung von Ärzten, Zahn­ärzten und sonstigen Heilberuflern.

► Mehr zum Thema betriebswirtschaftliches Controlling in der Praxis lesen Sie unserem Wirtschafts-Beitrag "Liquiditätsplanung in der Arztpraxis – Warum „Management-by-Kontostand“ zu Problemen führen kann"

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