DZK nimmt Stellung zur Tuberkulose-Untersuchung bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine

Für geflüchtete ukrainische Kinder und Jugendliche besteht ein erhöhtes Tuberkulose-Risiko, so eine Stellungnahme des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose e. V. (DZK).

In der europäischen WHO-Region ist die Ukraine das Land mit der höchsten Tuberkulose-Inzidenz. Hierdurch besteht für geflüchtete ukrainische Kinder und Jugendliche ein erhöhtes Risiko für Tuberkulose. Eine in der Fachzeitschrift Pneumologie veröffentlichte Stellungnahme des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose e. V. (DZK) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Leitlinie Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter und der Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie (GPP) geht auf spezielle Faktoren und Fragen bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine ein.

Die Stellungnahme richtet sich dabei vornehmlich an Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst sowie an alle Personen, die in die medizinische Betreuung geflüchteter Kinder und Jugendlicher eingebunden sind.

Erhöhte Tuberkulose-Inzidenz unter Geflüchteten zu erwarten

In ihrer Stellungnahme zieht die DZK einen Ländervergleich heran, um die Lage zu verdeutlichen: In Deutschland lag demnach die Tuberkulose-Inzidenz im Jahr 2020 bei 5:100.000 Einwohner, bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren bei 1,4:100.000 Kinder.1 Die Ukraine hatte im Vergleich dazu 2020 im Durchschnitt eine Tuberkulose-Inzidenz von 73:100.000 Personen.2 Es ist besonders darauf hinzuweisen, dass hierbei 33 % der Betroffenen multiresistente Tuberkulose-Stämme aufwiesen, bei vorbehandelten Patientinnen und Patienten sogar 46 %.3

Laut dem European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) bestand im Jahr 2019 bei ukrainischen Kindern eine Tuberkulose-Inzidenz von 9,4:100.000 für die Altersgruppe von 0–4 Jahren und 7,8:100.000 bei 5–14-Jährigen.4

Dies sind nicht zu unterschätzende Zahlen, denn wie laut Stellungnahme eine Untersuchung bereits zeigte, besteht ein erhöhtes Tuberkulose-Risiko auf der Flucht und bei Aufenthalten in Massenunterkünften.5 Daher müsse mit einer relevanten Zahl infizierter Personen gerechnet werden.

Zwar sei das Risiko einer Tuberkulose-Übertragung bei Kindern geringer als bei Erwachsenen, jedoch solle laut DZK eine Tuberkulose-Erkrankung mit der bestmöglichen Methode ausgeschlossen werden. Bei bekanntem Kontakt oder bei klinischem Verdacht auf eine Tuberkulose solle daher immer eine Abklärung gemäß bestehenden nationalen Empfehlungen erfolgen.6,7

Frühe und effektive Fallfindung geboten

Die DZK fordert in ihrer Stellungnahme daher eine frühe und effektive Fallfindung. Gerade in der häufig räumlich beengten Unterbringung von Gemeinschaftsunterkünften bestehe eine potenzielle Gefährdung für viele Kontaktpersonen. Des Weiteren seien gerade in solchen Aufnahmeeinrichtungen vulnerable Personengruppen (Kleinkinder, Schwangere, Immungeschwächte, Unterernährte, etc.) mit infektiösen Personen exponiert.

Außerdem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass durch Umverteilungen von Geflüchteten innerhalb Deutschlands eine zeitnahe Diagnose und Therapieeinleitung sowie die korrekte Einhaltung regelmäßiger Nachkontrollen ungleich erschwert würden.

Gesetzlicher Hintergrund

Die Stellungnahme der DZK bezieht auch die gesetzlichen Hintergründe mit ein: laut § 36 Absatz 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) müssen eine Gemeinschaftsunterkunft aufsuchende Flüchtige ein ärztliches Zeugnis vorlegen, welches belegt, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für eine ansteckungsfähige Lungentuberkulose zu finden sind. Hierzu gehört laut IfSG bei über 15-Jährigen eine Thorax-Röntgenaufnahme (mit Ausnahme von Schwangeren).

Für nicht in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Geflüchteten gibt es keine gesetzliche Untersuchungspflicht.

Untersuchungsansätze

Die DZK listet in der Stellungnahme eine Anzahl unterschiedlicher Untersuchungsansätze auf und gibt dabei an, dass eine symptombasierte Untersuchung keine zufriedenstellende Sensitivität zur Tuberkulose-Detektion aufweise. Beispielsweise würde aus Strahlenschutzgründen ein Thorax-Röntgenbild nur zur gezielten weiteren Abklärung von pathologischen immundiagnostischen Testergebnissen oder Tuberkulose-verdächtiger Symptomatik durchgeführt werden.

Für die DZK stellen demnach immundiagnostische Testverfahren die geeignetste Methode für eine Erstuntersuchung von Tuberkulose-gefährdeten Geflüchteten im Kindes- und Jugendalter dar.

Die Stellungnahme befasst sich tiefgehend mit unterschiedlichen Untersuchungsansätzen wie der symptombasierten oder der Thorax-Röntgenuntersuchung sowie der immundiagnostischen Testung.

Dabei geht die DZK auf deren jeweilige Sensitivität und Spezifität und somit auch auf die einzelne Aussagekraft näher ein.

Wann eine Tuberkulose-Untersuchung sinnvoll ist

Schon allein gesetzlich (s.o.) sollte lauf IfSG vor oder unverzüglich nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft eine Tuberkulose-Untersuchung durchgeführt werden. Geflüchtete Kinder und Jugendliche, welche nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden, sollten ein Untersuchungsangebot erhalten, sofern zusätzliche Risikofaktoren vorliegen.

Die Stellungnahme erwähnt einige Punkte, deren Prüfung die Identifikation Tuberkulose-gefährdeter Kinder und Jugendlicher erleichtern kann:

  • Das Prüfen auf tuberkulosetypische Symptome, d.h. bei Jugendlichen Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Husten, blutiger Auswurf oder bei Säuglingen und Kleinkindern Gedeihstörung, Spielunlust, aber auch unspezifische Symptome.
  • Auch Tuberkulosevorerkrankungen im familiären Umfeld seien ein wichtiger hinweisender Indikator, ebenso wie ein kürzlich zurückliegender Risikokontakt.6
  • Ein längerer Aufenthalt in beengten, schlecht belüfteten Räumlichkeiten während der Flucht könnte ebenfalls das Risiko erhöht haben.
  • Schlussendlich sollten laut DZK aufgrund eines potenziell schweren Tuberkulose-Verlaufs vulnerable Gruppen wie Kinder mit HIV-Infektion, Immunsuppression oder chronischer Erkrankung großzügig getestet werden.8
 

 

Um Infizierte schnellstmöglich zu erkennen, sollten diese Fälle mit einem immundiagnostischen Test weiter untersucht werden. Sei dieser positiv, müsse laut DZK eine weiterführende Tuberkulose-Diagnostik erfolgen und gegebenenfalls eine Therapie gemäß der nationalen Leitlinie und Empfehlungen erfolgen.6,7

Sind diese weiterführenden Untersuchungen unauffällig, liege definitionsgemäß eine latente tuberkulöse Infektion (LTBI) vor, eine darauffolgende Chemoprävention nach Evaluation von Resistenzen und ausführlicher Beratung wird von der DZK empfohlen.

Weitere Informationen zur Chemoprävention sowie zur Nachsorge finden sich ebenfalls in der Stellungnahme.

BCG-Impfung gegen Tuberkulose

Die Stellungnahme betont, dass eine BCG-Impfung in Deutschland grundsätzlich nicht empfohlen wird. Dies betreffe auch geflüchtete Kinder mit unklarem BCG-Impfstatus sowie in Deutschland geborene Kinder von Geflüchteten.9

DZK-Stellungnahme

Die ausführliche DZK-Stellungnahme zur Untersuchung auf Tuberkulose bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine ist unter folgendem Link zu finden:

https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/a-1832-2546?cooperation=033207199170100092019027182074022121086039001097

 

Literatur:

1 Robert Koch-Institut. Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2020. Berlin, Robert Koch-Institut (2021)

2 WHO. Tuberculosis country profile: Ukraine. https://worldhealthorg.shinyapps.io/tb_profiles/?_inputs_&entity_type=%22country%22&lan=%22EN%22&iso2=%22UA%22 [abgerufen am 13.06.2022]

3 WHO-Euro. World Tuberculosis Day: supporting Ukraine in scaling up TB diagnosis and treatment (2021) www.who.int/europe/news/item/23-03-2021-world-tuberculosis-day-supporting-ukraine-in-scaling-up-tb-diagnosis-and-treatment [abgerufen am 13.06.2022]

4 European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) WROfE. Tuberculosis surveillance and monitoring in Europe 2021–2019 data. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe (2021)

5 Kimbrough W et al. Lancet Infect Dis (2012). DOI: 10.1016/S1473-3099(12)70225-6

6 Feiterna-Sperling C et al. Pneumologie (2017). DOI: 10.1055/s-0043-116545

7 Diel R et al. Pneumologie (2011). DOI: 10.1055/s-0030-1256439

8 European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) and World Health Organization (WHO). Testing for TB infection and screening for TB disease among refugees arriving in European countries from Ukraine (2022) www.ecdc.europa.eu/en/news-events/testing-tuberculosis-infection-and-screening-tuberculosis-disease-among-incoming [abgerufen am 13.06.2022]

9 Robert Koch-Institut. Tuberkulose-Impfung in Deutschland? Welche Möglichkeiten gibt es, wenn die Impfung für einen Auslandsaufenthalt gefordert wird? (2018) www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Tuberkulose/FAQ01.html [abgerufen am 13.06.2022]

Quelle:Thieme. Pneumologie (2022). DOI 10.1055/a-1832-2546

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