Je stärker die Infektion, desto wahrscheinlicher ist Long COVID

Ein interdisziplinäres Team aus Tirol und Südtirol hat anhand einer Online-Befragung von COVID-19-Erkrankten den Zusammenhang von Infektionsstärke mit Long COVID analysiert.

Atemnot, Erschöpfung, Geschmacksverlust, Konzentrations- und Schlafstörung oder depressive Verstimmung – das sind nur einige Beschwerden, von denen Genesene auch noch Monate nach COVID-19 berichten. Die Phase der Gesundung nach COVID-19 hat viele Aspekte und stellt das Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen.

Ein interdisziplinäres Team aus Tirol und Südtirol hat anhand einer Online-Befragung von nicht hospitalisierten COVID-19-Erkrankten, davon 2.065 aus Tirol und 1.075 aus Südtirol, die komplexen und langanhaltenden Symptome ermittelt und analysiert. Long COVID sei ein Patienten-geprägter Begriff, definiert als das Vorhandensein von mindestens einem COVID-19 assoziierten Symptom 28 Tage oder länger nach der akuten Infektphase, erklärt Judith Löffler-Ragg von der Universitätsklinik für Innere Medizin II an der Medizinischen Universität Innsbruck. Dieser neue Begriff sage aber nichts über das klinische Erscheinungsbild aus, das sehr heterogen ist, betont sie.

In die aktuelle Auswertung der ersten, zwischen September 2020 und Juli 2021 durchgeführten Online-Umfrage, wurden ausschließlich die Angaben jener Befragten einbezogen, die nicht im Krankenhaus behandelt werden mussten und 28 Tage oder länger nach dem Infekt noch Symptome hatten. Nahezu die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Tirol: 47,6%, Südtirol: 49,3%) gab an, dass die Symptome über 28 Tage hinaus fortbestanden.

Komplexe Symptommuster

Schon beim Verlauf der akuten COVID-19-Infektion konnten die Studienleitenden in beiden Studien-Kohorten einen Unterschied zwischen der Gruppe mit vorwiegend „Grippe-ähnlichen“ Symptomen und jener mit zahlreichen neurologischen, kardiopulmonalen (Herz/Lunge) und abdominellen (die Bauchorgane betreffend) Beschwerden feststellen. Für letztere Gruppe prägten die Forschenden den Begriff „Multiorgan Phänotyp“ (MOP). Vor allem Menschen im arbeitsfähigen Alter von 35 bis 55 Jahren machten einen akuten Infekt mit durchschnittlich 13 Symptomen zu Hause durch, der häufig dieser Multiorgan-Symptomatik zuzuordnen war. Die Anzahl der akuten Symptome kristallisierte sich schließlich als Risikofaktor für eine verzögerte Genesung heraus, wobei Männer ein um 35 bis 55 % vermindertes Risiko für Long COVID hatten.

Sahanic S et al. Clinical Infectious Diseases (2021). DOI: 10.1093/cid/ciab978

Quelle: Medizinische Universität Innsbruck