Bei Psoriasis und bei Polypharmazie: ohne Juckreiz deutlich mehr Lebensqualität

Es juckt und juckt und juckt: 60 bis 90 % der Menschen mit Psoriasis leiden unter Juckreiz. Dass dadurch die Lebensqualität eingeschränkt ist, liegt auf der Hand. Doch wie wirkt sich das ständige Jucken auf die persönliche Belastung aus? Wie auf zwischenmenschliche Beziehungen, wie auf die Sexualität? Und wird man vielleicht schief angeschaut, wenn man sich ständig kratzt und kratzt und kratzt?

Zitierweise: HAUT 2022;33(6):315-316.

Diese Fragen zu beantworten, war das Ziel einer Studie1 des Hamburger Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus in Münster und der Leo Pharma GmbH. In der Auswertung mit 107 Teilnehmenden wurden Patienten mit keinem oder geringem Juckreiz denjenigen gegenübergestellt, die mäßigen bis schweren Juckreiz berichteten.

Am wichtigsten war den Befragten, keine entzündlichen Hautstellen mehr zu haben (88,8 %), keinen Juckreiz (87,0 %) und vertrauen zu können, dass die Therapie hilft (86,0 %). 

Auf Ebene der persönlichen Belastung kam heraus, dass stärkerer Juckreiz mit weniger Lebensqualität sowie mehr Symptomen von Depression und Angst einhergeht. Außerdem machen sich Menschen mit mäßigem bis schweren Juckreiz mehr Gedanken über ihre vermeintlichen körperlichen Makel und profitieren weniger von der ärztlichen Behandlung.

Im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen wurden die Stigmatisierung sowie krankheitsbedingte Probleme im Sexualleben erfasst. Stigmatisiert fühlen sich vor allem junge Menschen, die eine schwere Psoriasis haben, sich häufig kratzen und viel über ihre vermeintlichen körperlichen Makel nachdenken. Probleme im Sexual­leben berichten vor allem Teilnehmende, die eine schwere Psoriasis haben, schlecht schlafen können und deren Lebensqualität allgemein durch die Krankheit eingeschränkt ist. Die Studie macht deutlich, was Menschen mit Psoriasis wichtig ist: Ein Schluss mit dem Jucken! Wird dieses Behandlungsziel vorrangig verfolgt, so kann sowohl auf persönlicher als auch auf zwischenmenschlicher Ebene die Lebensqualität von Menschen mit Psoriasis verbessert werden.

Mitunter juckt es, wenn viele ­Medikamente aufeinandertreffen

Es ist bekannt, dass die gleichzeitige Einnahme mehrerer Wirkstoffe zu Nebenwirkungen führen kann. Somit liegt die Frage nahe, ob derartige Polypharmazie auch auf den Juckreiz bei dermatologischen Erkrankungen einen Einfluss hat.

Eine nationale Kohortenstudie2 mit 3.126 japanischen Teilnehmenden ergab, dass dies der Fall ist. Zwischen 2016 und 2017 wurden Männer und Frauen zwischen 16 und 84 Jahren zu ihrer Medikamenteneinnahme und zu ihrem Juckreiz befragt. Polypharmazie wurde hier als die Einnahme von fünf oder mehr verschriebenen Medikamenten definiert. Sowohl im Querschnitt als auch im Längsschnitt ergab die Studie, dass Polypharmazie ein Risikofaktor für schweren Juckreiz ist. 

Verglichen wurden Patienten, die polypharmazeutisch behandelt wurden, mit einer Kontrollgruppe, die keine Medikamente einnahm. Die Patienten mit Polypharmazie zeigten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit schweren Juckreiz als die Kontroll­gruppe. Zudem entwickelten diejenigen Patienten mit Polypharmazie, die zu Beginn nur leichten oder moderaten Juckreiz hatten, über den Befragungszeitraum von einem Jahr hinweg mit höherer Wahrscheinlichkeit einen schweren Juckreiz als die Kontrollgruppe.

Grund für den negativen Effekt von Polypharmazie könnte eine Veränderung der Genexpression durch die Interaktion der unterschiedlichen Medikamente sein. Dies ergab eine andere aktuelle Kohortenstudie. Grundsätzlich erhöhe der Medikamenten-Mix das Risiko für Nebenwirkungen. Deshalb werfen die Autoren der Studie die Frage auf, ob die Nachteile von Polypharmazie größer als der klinische Nutzen sein könnten. Es kann geschlossen werden, dass es in jedem Fall sinnvoll ist, die Gabe mehrerer Medikamente kritisch zu hinterfragen. Dabei sollte die behandelnden Ärztinnen und Ärzte auch eine Evaluation des Juckreizes einbeziehen.

Literatur    

1. DOI: 10.1111/jdv.17188
2. DOI: 10.1111/jdv.17443

Mario Gehoff, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Mit freundlicher Genehmigung  des PsoNet-Magazins.

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