Schleimhautpemphigoid: S2k-Leitlinie zu Diagnose und Therapie

Unter Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) ist eine Sk2-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Schleimhautpemphigoids entstanden. Das Schleimhautpemphigoid ist eine chronisch verlaufende, blasenbildende Autoimmunerkrankung, die überwiegend die Schleimhäute betrifft. Am Körper können mitunter einzelne Blasen und oberflächliche Hautwunden auftreten, die mit Narbenbildung abheilen.

Zitierweise: HAUT 2022;33(5):257-258.

Am häufigsten manifestiert sich die Erkrankung an der Mundschleimhaut, aber auch der Rachen, die Speiseröhre, die Genitalschleimhaut und die Schleimhaut am After können betroffen sein. Bei etwa zwei Drittel der Betroffenen sind die Bindehäute der Augen betroffen, was zur Einschränkung des Sehvermögens und im schlimmsten Fall zur Erblindung führt. 

Das Schleimhautpemphigoid (SHP) ist mit circa ein bis zwei Neuerkrankungen auf 1 Million Menschen/Jahr eine seltene bullöse Autoimmundermatose. Aufgrund seiner Seltenheit wird das Schleimhautpemphi­goid häufig nicht oder zu spät erkannt.

Es erkranken vor allem ältere Menschen zwischen 60 und 80 Jahren. Bei dieser bullösen Dermatose richtet sich das eigene Immunsystem gegen Bestandteile der Haut. Autoantikörper bilden sich, die Proteine innerhalb der Basalmembran angreifen und zu Entzündungen mit Blasenbildung führen. „Bei diesen Patientinnen und Patienten droht eine Vernarbung der Schleimhäute, die mit einer bleibenden Sehschädigung oder sogar Erblindung einhergehen kann. Vernarbungen des Kehlkopfs oder der Luft- und Speiseröhre gehen mit Beschwerden beim Sprechen, Schlucken oder Atmen einher“, erläutert Prof. Enno Schmidt, Oberarzt an der Universitätshautklinik Lübeck. Aus diesem Grund sei eine sehr schnell einsetzende und intensive Therapie notwendig, die das überreagierende Immunsystem unter­drücken soll. 

Bisher fehlte eine Leitlinie

Es gibt nur wenige Therapiestudien zum SHP, sodass die Therapie in den verschiedenen Kliniken unterschiedlich ist. Auch die Diagnostik der Erkrankung wird uneinheitlich gehandhabt, da einige Untersuchungsmethoden nicht breit verfügbar sind. Bisher lag keine Leitlinie für das Schleimhaut­pemphigoid im deutsch­sprachigen Raum vor. Ziel der Leitlinie ist, das klinische Bild ­einschließlich Schweregrad und Scoring-Systemen darzustellen sowie eine Anleitung für die Diagnose­stellung und ­Therapie dieser komplexen Erkrankung zu geben. „Anders als bei den anderen bullösen Autoimmundermatosen ist beim Schleimhautpemphigoid eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zentral“, sagt Schmidt, der die Leitlinienarbeit koordinierte. Für die weitere Prognose und Lebensqualität der Patientinnen und Patienten sind eine ­korrekte Diagnosestellung und rasche Therapie­einleitung entscheidend, um eine irreversible Vernarbung mit gravierenden Konsequenzen für die Patienten zu vermeiden.

Die Leitlinienexpertinnen und -experten empfehlen als „diagnostischen Gold­standard“ eine direkte Immunfluoreszenzuntersuchung. Hierfür wird anhand einer Gewebeprobe aus der Umgebung der geschädigten Schleimhaut oder von der Wangenschleimhaut mittels fluoreszierender Farbstoffe analysiert, ob im Gewebe Autoanti­körper nachweisbar sind. Sollte das Ergebnis negativ sein, wird die Entnahme mindestens einer weiteren Probe, und falls diese ebenfalls negativ ist, eine dritte Biopsie empfohlen. Des Weiteren werden Serum­antikörper gegen Basalmembranproteine wie die Pemphigoidantigene untersucht, wobei Anti­körper gegen Laminin 332 von besonderer Bedeutung sind, da sie mit einem deutlich erhöhten Karzinomrisiko einhergehen. 

Interdisziplinäre Behandlung erforderlich

Auch wenn die Haut nur bei circa 30 Prozent betroffen ist, kommt einer Hautbeteiligung eine zusätzliche diagnostische Bedeutung zu. „Das Schleimhautpemphigoid erfordert ein umfassendes klinisches differenzial­diagnostisches Wissen. Für die Behandlung wird daher ein interdisziplinäres Team benötigt“, sagt Schmidt. Expertinnen und Experten aus der Dermatologie, Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Gynäkologie, Urologie, Zahnheilkunde und Gastroenterologie sollten die Betroffenen in spezialisierten Zentren gemeinsam behandeln. 

Ziel der Behandlung ist die Unter­drückung der Bildung der Autoantikörper oder deren Reduktion im Blut und Gewebe sowie der Entzündung der Schleimhäute. Dabei werden im Akutfall Kortisonpräparate in Kombination mit weiteren Medikamenten eingesetzt. In den letzten Jahren wurde zudem über die erfolgreiche Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Rituximab berichtet. Bei sehr ausgedehnten klinischen Formen kommen Immun­suppressiva wie Cyclophosphamid, intravenöse Immun­globuline oder auch eine „Blutwäsche“ zum Einsatz. Sind die Bindehäute beteiligt, sollten zusätzlich pflegende und antientzündliche Augentropfen angewendet werden.

Langfristige Erscheinungsfreiheit möglich

Durch die heute möglichen modernen Behandlungsverfahren kann für die meisten Patientinnen und Patienten eine langfristige Erscheinungsfreiheit erreicht werden. „Eine regelmäßige Betreuung der Erkrankten in spezialisierten Sprechstunden und – je nach Organbeteiligung – einem interdisziplinären Team ist entscheidend“, ergänzt Prof. Silke Hofmann, Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG und Koautorin der Leitlinie. 

Die Leitlinie1 richtet sich an Dermatologinnen und Dermatologen in Klinik und Praxis und alle Behandelnde von Schleimhautpemphigoid-Patientinnen und -Patienten aus den Bereichen Ophthalmologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Gynäkologie, Gastroenterologie und Zahnmedizin.
An der S2k-Leitlinie waren insgesamt sieben Fachgesellschaften und die Pemphigus-Selbsthilfegruppe beteiligt. Es liegt eine Zusammenfassung der Leitlinie für Patientinnen und Patienten vor2.

Information

Patientenorganisation: Pemphigus- und Pemphigoid-Selbsthilfe e.V.; DDG: www.derma.de 

Literatur    

1. Schmidt E et al. S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Schleimhautpemphigoids“ (AWMF-Register-Nr.: 013-102), 2022.
2. Patientenleitlinie „Diagnostik und Therapie des Schleimhautpemphigoids“ (AWMF-Register-Nr.: 013-102), 2022. 

Quelle: Dagmar Arnold, Deutsche ­Dermatologische Gesellschaft (DDG).

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