Fortschritte im Kampf gegen Gallengang- und Gallenblasenkrebs

Biliäre Karzinome (engl. „biliary tract cancer“, BTC) betreffen Krebserkrankungen der Gallengänge und Gallenblase. BCT sind selten und machen weniger als ein Prozent der bösartigen Neubildungen beim Menschen aus. Insgesamt haben BCT eine schlechte Prognose. Fünf Jahre nach der Diagnose leben nur noch 10 bis 20 Prozent der Betroffenen. Hoffnung machen jedoch Fortschritte in der Medizin und Forschung, die zur Aktualisierung der Behandlungsleitlinien der European Society for Medical Oncology (ESMO) geführt haben. Die Leitlinien wurden nun in der Fachzeitschrift Annals of Oncology veröffentlicht.

 


Der Gastroenterologe Prof. Dr. Arndt Vogel von der Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und Mitglied des ESMO-Lenkungsausschusses hat maßgeblich an der Aktualisierung mitgewirkt: „Aus systemischer Sicht gibt es drei bedeutende Änderungen, die alle Ebenen der Behandlung betreffen. Wir können erstmals klare Empfehlungen für adjuvante Therapien geben. In der Erstlinienbehandlung setzt sich die Immuntherapie durch, und in der Zweitlinie bestehen mittlerweile zugelassene Optionen für die zielgerichteten Therapien mit der Empfehlung, sehr frühzeitig die molekulare Testung zu machen.“

Erstmals Empfehlungen für adjuvante Therapie

„Eine Chance auf Heilung besteht derzeit nur bei einer Operation im Frühstadium, wobei leider viele Patienten bei Erstdiagnose nicht operabel sind“, erklärt Professor Vogel, der als leitender Oberarzt in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie tätig ist. Trotz radikaler Resektion bestünde zudem ein hohes Rückfallrisiko der Krebserkrankung. Um nach einer Operation mögliche, aber bisher noch nicht nachweisbare Tumorabsiedlungen unterstützend zu bekämpfen, sei zunehmend ergänzende Behandlungsmaßnahmen, sogenannte adjuvante Therapiekonzepte, diskutiert worden. „Lange Zeit gab es keine klaren Empfehlungen für adjuvante Therapien nach Operation biliärer Tumoren. Nun haben wir dank der BILCAP-Studie eine Empfehlung für eine postoperative Chemotherapie mit dem Zellwachstum hemmenden Arzneistoff Capecitabin, wodurch das Gesamtüberleben der Patientinnen und Patienten verbessert wird.“

Immuntherapie in der Erstlinienbehandlung

„Weiterhin können wir auf eine positive Studienlage zur Immuntherapie beim Gallengangskrebs blicken“, sagt Vogel. Bei einer Immuntherapie wird die körpereigene Immunabwehr gezielt aktiviert, um Krebszellen aufzuspüren und anzugreifen. Zum Einsatz kommen verschiedene Methoden wie beispielsweise Immuncheckpoint-Inhibitoren. „Die TOPAZ-1-Studie zeigt hier Verbesserungen beim Gesamtüberleben durch das Hinzufügen des Immuncheckpoint-Inhibitors Durvalumab zu den zwei Chemotherapeutika Cisplatin-Gemcitabin. Bei fortgeschrittenen biliären Karzinomen sollte damit Cisplatin-Gemcitabin-Durvalumab für die Erstlinienbehandlung in Betracht gezogen werden. Zudem wird eine Immuntherapie mit Pembrolizumab bei Patienten mit nachgewiesener Mikrosatelitten-Instabilität (MSI) basierend auf der einarmigen KEYNOTE-158 Studie empfohlen.“ Für beide Therapien gibt es bereits eine Empfehlung der Europäischen Zulassungsbehörde EMA (European Medicines Agency).

Durchbruch in der molekularen Sequenzierung

Die Suche nach genetischen Veränderungen mithilfe molekularer Sequenzierung hat in der Vergangenheit zu bedeutenden Erfolgen bei der Behandlung von Krebs geführt. „In den vergangenen fünf Jahren sind wir hier auch bei den biliären Tumoren im Durchbruch“, betont Vogel. „Fast 40 Prozent der Patienten mit Gallenwegstumoren weisen genetische Veränderungen auf, die potenzielle Ziele für die Präzisionsmedizin darstellen und für die wir heute zielgerichtete Therapien haben.“ Den Empfehlungen des ESMO-Expertenkomitees zufolge sollen diese Patienten frühzeitig, noch vor oder während der Erstlinientherapie, eine umfassende genetisch Analyse bekommen und mit den bereits zugelassenen Medikamenten der Food and Drug Administration (FDA) und der EMA behandelt werden. Hierzu zählt beispielsweise Pemigatinib bei Patienten mit sogenannten FGFR2 Fusionen. FGFR2 ist ein Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-2. Bei Gallenwegstumoren ist FGFR2 aufgrund einer genetischen Fehlbildung mit anderen Genen sozusagen verschmolzen. Diese Fusionsumlagerungen führen zu einer dauerhaften Aktivierung von Signalwegen, die zum Tumorwachstum beitragen.

„Die zielgerichtete molekulare Sequenzierung ist ein ganz essenzieller Baustein“, betont Vogel. Wichtig sei, dass die Patientinnen und Patienten in einem Molekularen Tumorboard besprochen werden. Aufgabe eines solchen organübergreifenden, interdisziplinären Tumorboards ist es, Therapiemöglichkeiten für schwer an Krebs erkrankte Menschen nach Ausschöpfung der leitliniengerechten Behandlung aufzuzeigen. Das Molekulare Tumorboard ist das zentrale Instrument der Personalisierten Medizin und wird in spezialisierten Zentren wie dem Comprehensive Cancer Center der MHH angeboten.

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung