Wie das Darmmikrobiom auf Antibiotika reagiert

Bislang war unklar, wie sich das Mikrobiom bei einer wiederholten Antibiotikatherapie verhält. In einer präklinischen Studie hat ein internationales Forschungsteam mittels Metagenom- und Kultivierungsanalysen evolutionäre Mechanismen identifiziert, die nach wiederholter Antibiotikagabe zur Resilienz der mikrobiellen Gemeinschaft beitragen.

Die individuelle Zusammensetzung des Darmmikrobioms kann durch Faktoren wie Ernährungsumstellungen, Infektionen oder Medikamente, insbesondere auch durch Antibiotika, aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Mikroorganismen ­setzen dagegen verschiedene Resistenzmechanismen ein, wobei sich einzelne Bakterienpopulationen durch Selektion antibiotikaresistenter Varianten evolutionär weiterentwickeln. In einer umfangreichen metagenomischen Studie untersuchten nun die DZIF-Wissenschaftlerinnen Prof. Bärbel Stecher und Prof. ­Alice McHardy zusammen mit einem internationalen Forschungsteam die Evolution von Darmbakterien, die wiederholten Störungen durch Antibiotika ausgesetzt waren. Dazu verwendeten sie ein gnotobiotisches Mausmodell, d. h. keimfrei gehaltene Mäuse, welche stabil mit einem bekannten Bakterienkonsortium besiedelt waren. 

Untersuchung am gnotobiotischen Mausmodell

Dieses Modell erlaubt evolutionäre Studien einzelner Mitglieder der Gemeinschaft im natürlichen Wirt unter genau definierten und kontrollierbaren Bedingungen. 
Die Forschenden analysierten dann über einen Zeitraum von 80 Tagen die Effekte verschiedener Antibiotika­klassen auf das Mikrobiom. Mittels Metagenomanalysen verfolgten sie die Selektion von mutmaßlich Antibiotikaresistenz-fördernden Mutationen in den Bakterienpopulationen und analysierten im Nachgang die Eigenschaften von evolvierten Bakterienklonen, die aus den Gemeinschaften isoliert wurden.

Selektion Antibiotika-resistenter Kommensalbakterien 

„Wir konnten nachverfolgen, wie eine wiederholte Antibiotikatherapie zur Selektion Antibiotika-resistenter Kommensalbakterien führt. Dies erhöht nach einer Weile die Resilienz der mikrobiellen Gemeinschaft gegenüber bestimmten Antibiotika wie den Tetracyclinen. Neben Adaptation des Mikrobioms durch die Evolution einzelner Mikroorganismen, fanden wir zudem Hinweise auf Resistenzentwicklung einzelner Bakterien durch Verlangsamung des Zellwachstums. Das Mikrobiom passt sich sozusagen an die Behandlung an und kann ihr besser standhalten“, sagt Prof. Bärbel Stecher, Koordinatorin des Forschungsbereichs Gastrointestinale Infektionen im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).

Induktion von Prophagen

Zudem beobachtete das Forschungsteam eine Induktion von Prophagen, ausgelöst durch die Behandlung mit bestimmten Antibiotika. Dabei werden Bakteriophagen, deren Genome in Bakteriengenome integriert in bakteriellen Zellen vorliegen, aktiviert. Diese vermehren sich dann und lysieren die Wirtszellen bei der Freisetzung neuer Virenpartikel, schildert Dr. Philipp Münch, Erstautor der Studie. 

Reaktionen vielfältig

Insgesamt zeige die Studie eine immense Vielfalt in der Antwort des Mikrobioms auf Antibiotikabehandlungen. Hierzu zählen beispielsweise auch ökologische Effekte wie die Hemmung eines Mikroorganismus durch die Eliminierung eines wichtigen „Partner“-Bakteriums im metabolischen Netzwerk des Darmökosystems. Es sei selbst in gnotobiotischen Tiermodellen mit einer definierten Gemeinschaft an Mikroorganismen schwer vorherzusagen, welche Arten von der Behandlung mit einem Antibiotikum betroffen sein werden,so Prof. Alice McHardy, Co-Koordinatorin Bioinformatik und Maschinelles Lernen im DZIF.

Münch PC et al. Cell Host & Microbe. DOI: 10.1016/j.chom.2023.05.013

Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung

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