Therapie der Beinvenenthrombose

Mit über 500.000 Todesfällen in der EU pro Jahr, die durch eine VTE verursacht werden, zählt die tiefe Beinvenenthrombose zu den ernst zu nehmenden Erkrankungen, die einer gezielten und vor allem effizienten Therapie bedürfen. Es gilt einmal, eine Lungenembolie mit möglichem tödlichen Ausgang zu verhindern und zum anderen, es nicht zu einem chronischen postthrombotischen Syndrom (PTS) kommen zu lassen, welches lebenslange und die Lebensqualität einschränkende Konsequenzen für die betroffenen Personen haben kann.

Für den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin bedeutet dies, umgehend nach der gesicherten Diagnose einer Beinvenen- oder Muskelvenenthrombose, noch am Untersuchungstag- und Ort, mit der Therapie zu beginnen.

Die Therapie stützt sich auf zwei Säulen: die Kompressionstherapie und die medikamentöse Therapie. Die medikamentöse Therapie ist wiederum in 3 Phasen eingeteilt: Initialtherapie, Erhaltungstherapie und verlängerte Erhaltungstherapie

Mit der Kompressionstherapie sollte praktischerweise umgehend begonnen werden. Sie stellt die sicherste Methode dar, einem PTS vorzubeugen. Ein Kompressionsverband mit Kurzzugbinden, angelegt in der sogenannten Fischer-Technik, wirkt entstauend, schmerzlindernd und stabilisierend. Zeitgleich kann ein Rezept für einen Kompressionstrumpf Kompressionsklasse 2 (entweder als Kniestrumpf A-D oder Schenkelstrumpf A-G) ausgestellt und später an der abgeschwollenen Extremität angepasst werden.

Für die medikamentöse Initialtherapie stehen mehrere Antikoagulantien mit unterschiedlichen Einstiegsmöglichkeiten zur Wahl: Niedermolekulare Heparine in den produktspezifischen Dosierungen, die DOAKs (direkte Antikoagulantien) mit unterschiedlicher Initialisierung der Erhaltungstherapie und das Phenprocoumon (Marcumar, Falithrom), welches individuell titriert werden muss. Unfraktioniertes Heparin bleibt eher Sonderfällen mit stationärer Unterbringung vorbehalten.

Sinnvoll ist es, sich für ein oder zwei Therapeutika zu entscheiden. Bei Therapiebeginn sollte man das Blutungsrisiko bei fragilen Patientinnen und Patienten im Auge behalten. Die Bioverfügbarkeit, der Grad der renalen Eliminierung und die Interaktion mit anderen Medikamenten sollten bekannt sein. Dabigatran wird z. B. primär renal eliminiert und ist für Personen mit renaler Einschränkung weniger geeignet. Johanniskraut interagiert mit fast allen DOAKs. Für Patientinnen, die unter Antikoagulantien zur Hypermenorrhoe neigen, wäre im Falle eines DOAKs Apixaban zu empfehlen. Rivaroxaban sollte nur zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden.

Die Initial- und Erhaltungstherapie mit NMH ist identisch. Bei den DOAKs wird nach der produktabhängigen Initialtherapie umgehend auf die jeweils angegebene Erhaltungstherapie umgestellt, die grundsätzlich zunächst 3 Monate beibehalten wird. Eine Einstellung der Therapie auf einen VKA (Vitamin-K-Antagonisten) wäre bei der zunächst vorgesehenen Behandlungsdauer umständlich und zu langwierig. Die Unterschenkelvenenthrombose inklusive des Rezidivs wird immer nur 3 Monate behandelt. Eine Ausnahme stellt die Muskelvenenthrombose dar, deren Therapie nach einer negativen Kompressions­sonographie (KUS) auch schon nach 6 Wochen beendet werden könnte.

Ob die Therapie proximaler Thrombosen ebenfalls nach 3 Monaten beendet werden kann, hängt von den individuellen persönlichen Risikofaktoren der Betroffenen ab sowie vom Rekanalisationszustand der betroffenen venösen Strombahn. Oft ist eine Verlängerung der Erhaltungstherapie auf 6 Monate sinnvoll. Nach 6 Monaten stellt sich nicht selten die Frage, ob man eine verlängerte Erhaltungstherapie mit einer reduzierten Dosis von Rivaroxaban oder Apixaban empfiehlt oder eine Langzeittherapie mit einem VKA in Betracht ziehen muss. Der Wunsch der Betroffenen spielt hier ebenfalls eine wichtige Rolle.


Bei der Entscheidungsfindung wer wie lange antikoaguliert sein sollte, kann die Ampel sehr hilfreich sein (siehe unten).


 

Bei Risikopatientinnen und-patienten oder Personen, die eine Langzeittherapie trotz eines offensichtlichen Risikos ablehnen, empfiehlt es sich, am Ende und 14 Tage nach Absetzen der Therapie die D-Dimere zu bestimmen. Bei positiven Werten sollte die Therapie wieder aufgenommen werden.

Die Kompressionstherapie begleitet die medikamentöse Therapie parallel und kann beendet werden, wenn die betroffene Extremität im Alltag ohne Kompression keine Stauungssymptomatik mehr zeigt. Leider können schon geringfügige Dauerschäden der venösen Strombahn zur Stauungssymptomatik und zu typischen Kennzeichen eines PTS unterschiedlichen Schweregrades führen. Hier empfiehlt sich das Tragen eines Kompressionsstrumpfes häufig lebenslang, wobei ein Kniestrumpf A-D bis auf Ausnahmen ausreichend sein kann. Außerdem bedeuten Kompressionsstrümpfe eine einfache, aber effiziente Thromboserezidivprophylaxe.

Mündige Patientinnen und Patienten möchten mitentscheiden, andererseits auch kompetent geführt und beraten werden. Es empfiehlt sich am Tag der Diagnosestellung aufzuklären und eine Behandlungsperspektive von zunächst 3 Monaten zu eröffnen. 3 bis7 Tage danach bietet sich eine Therapieüberprüfung an (medikamentös, Umstellung der Kompression von Verband auf Strumpf).

Nach 3 Monaten ist die erste KUS-Kontrolle fällig und damit die Entscheidung, ob die Therapie beendet werden kann oder weitergeführt werden sollte. Bei Fortführung nach 3 weiteren Monaten erneute KUS-Kontrolle. Sollten noch ein Abstromhindernis vorliegen, ein Rezidiv aufgetreten sein oder wirklich harte Risikofaktoren bestehen, so kann eine Langzeit­erhaltungstherapie mit lowdose Apixaban (2x 2,5mg/die) oder Rivaroxaban (10mg/die) diskutiert werden. Bei bestimmtem Hochrisikopatienten wird man bei der vollen therapeutischen Dosis bleiben.

Diese Empfehlungen gelten für die Mehrzahl der von einer Beinvenenthrombose Betroffenen und basieren auf den S2-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Angiologie Gesellschaft für Gefäßmedizin e. V. (DGA) zur Diagnose und Therapie der Thrombose und Lungenembolie von 2015. Die neuen Leitlinien sind in der Überarbeitung. Grundsätzlich Neues werden sie nicht beinhalten, da es keine neuen Medikamente zur Therapie gibt. Man ist allerdings erfahrener im Einsatz der DOAKs geworden, die zusätzlich ihre therapeutische Breite erheblich erweitern konnten und aus der antikoagulatorischen Therapie nicht mehr wegzudenken sind.


Literatur bei der Verfasserin 

Dr. med Jutta Schimmelpfennig
Aktionsbündnis Thrombose
AG „Thrombose“ der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP)

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