Das Ulcus cruris in der Hausarztpraxis – was sind die ersten Schritte?

Das Ulcus cruris ist mit einer Prävalenz von etwa 1 % in der europäischen Bevölkerung eine für die Hausarztpraxis relevante Erkrankung.[1-3] Ätiologisch liegt in den meisten Fällen eine vaskuläre Pathologie zugrunde. Hiervon sind ca. 70 % venöser Genese im Rahmen einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) gegenüber jeweils bis zu 10 % arterieller bei Vorliegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) bzw. gemischt venös-arterieller Genese.[2,4,5] Daneben gibt es allerdings noch zahlreiche weitere Ursachen, beispielsweise der Diabetes mellitus, die arterielle Hypertonie, diverse hämatologische und rheumatologische Systemerkrankungen, die Kalziphylaxie, das Pyoderma gangrae­nosum, aber auch infektiöse Erkrankungen oder Neoplasien.[4,5] Häufig ist das Ulcus cruris zudem nicht monokausal bedingt, sondern es liegt vielmehr eine multifaktorielle Genese vor.[2]

Diagnostik

Eine umfassende Anamnese, klinische Untersuchung und entsprechende Diagnostik sind für die Einleitung einer kausalen Therapie unverzichtbar. Die Anamnese sollte unbedingt den Krankheitsverlauf, Komorbiditäten und die Begleitmedikation erfassen. Im Rahmen der klinischen Untersuchung sind unter anderem die Schmerzhaftigkeit, Konfiguration und Lokalisation des Ulcus cruris wegweisend, da hier bereits Hinweise auf ein atypisches Ulkus zu finden sein können. Weiterhin sollte eine basale Labor­diagnostik erfolgen, bei klinischen Hinweisen auf eine Infektion zusätzlich auch ein Wundabstrich für eine mikrobiologische Diagnostik.4,5 Befundabhängig ist eine apparative Diagnostik der Gefäße mit zumindest Dopplersonographie und Knöchel-Arm-Index (ABI) bzw. darüber hinaus gegebenenfalls Lichtreflexionsrheographie und insbesondere Farbduplexsonographie indiziert.2,4,6 Bei atypischen, persistierenden und schmerzhaften Ulzera wird zum Ausschluss einer Neoplasie oder anderer wichtiger Differentialdiagnosen wie beispielsweise Vaskulopathien, Vaskulitiden, das Pyoderma gangraenosum, das Ulcus hypertonicum Martorell oder die Kalziphylaxie ergänzend eine Probebiopsie empfohlen.5

Im Falle des am häufigsten vorliegenden Ulcus cruris venosum ist eine adäquate Kompressionstherapie essenziell.7,8 Vor Beginn einer Kompressionstherapie sollte eine ausreichende Durchblutung des arteriellen Systems sichergestellt werden, wobei eine Kompression unter Berücksichtigung der Materialbeschaffenheit auch bei Patienten mit Ulcus cruris mixtum – bei bestehender pAVK und CVI – und Knöchelarteriendrücken > 60 mmHg sowie ABI > 0,5 möglich ist und sogar zu einer verbesserten arteriellen Perfusion führen kann.9

Behandlung

Generell sollte die Wundbehandlung phasenadaptiert ausgerichtet sein. Als Orientierung für die Auswahl einer geeigneten Lokaltherapie ist das sogenannte „MOIST-Konzept“ hilfreich.10,11 Zur Wundreinigung haben sich sterile Kochsalz- oder Ringerlösung sowie der Einsatz von mit hypochloriger Säure (HOCI) oder Antiseptika konservierten Spüllösungen bewährt. Als Antiseptika kommen Octenidin und Polihexanid zum Einsatz.11 Hierbei gilt es neben den erforderlichen Einwirkzeiten zu beachten, dass Octenidin aufgrund der Gefahr von Nekrosenbildung und chronischer Entzündung nicht unter Druck in enge Wundhöhlen appliziert werden darf.11,12 Systemische Antibiotika sollten ausschließlich bei systemischen Infektionszeichen antibiogrammgerecht eingesetzt werden.11

Fazit

Zusammenfassend ist bei Vorliegen eines Ulcus cruris eine adäquate Diagnostik unter Kenntnis der Differenzialdiagnosen essenziell, wobei am häufigsten eine vaskuläre Pathologie ursächlich ist, um eine kausale Therapie einzuleiten. In der Hausarztpraxis sollte initial eine entsprechend Basisdiagnostik erfolgen. Für die erweiterte Diagnostik und die Festlegung eines Therapiekonzepts ist die Vorstellung bei einem spezialisierten Facharzt bzw. in einer Klinik oder einem interdisziplinären und interprofessionellen Wundzentrum empfehlenswert, insbesondere bei komplizierten oder therapierefraktären Verläufen.13 Im Anschluss sollte die weitere Therapiekontrolle und Behandlung in der Hausarztpraxis in Zusammenarbeit mit interprofessionellen Kooperationspartnern durchgeführt werden.

 

Literatur

1 Pannier-Fischer F et al. Epidemiologie der chronischen Venenerkrankungen. Hautarzt. 2003;54(11): 1037–1044.
2 Stücker M et al. Zur Pathogenese des therapieresistenten Ulcus cruris. Hautarzt. 2003;54(8): 750–755.
3 Dissemond J. Chonisches Ulcus cruris. Hautarzt. 2017;68(8): 614–620.
4 Schimpf H et al. Differenzialdiagnosen des Ulcus cruris. Aktuelle Derm. 2009;35: 231–236.
5 Dissemond J et al. [Differential diagnoses in leg ulcers]. J Dtsch Dermatol Ges. 2006;4(8): 627–634.
6 Pannier F et al. S2k guidelines: diagnosis and treatment of varicose veins. Hautarzt. 2022;73(1): 1–44.
7 Dissemond J et al. Modern wound care - practical aspects of non-interventional topical treatment of patients with chronic wounds. J Dtsch Dermatol Ges. 2014;12(7): 541–554.
8 Dissemond J et al. Kompressionstherapie bei Patienten mit Ulcus cruris venosum. J Dtsch Dermatol Ges. 2016;14(11): 1073–1089.
9 Mosti G et al. Compression therapy in mixed ulcers increases venous output and arterial ­perfusion. J Vasc Surg. 2012;55(1): 122–128.
10 Dissemond J. [Modern management of chronic wounds]. Hautarzt. 2021;72(8): 733–744.
11 Dissemond J et al. M.O.I.S.T. – ein Konzept für die Lokaltherapie chronischer Wunden. J Dtsch Dermatol Ges. 2017;(15): 443–445.
12 Messerschmidt A et al. Chronic wound treatment. Phlebologie 2016;45: 106–112.
13 Franz T et al. Aseptic tissue necrosis and chronic inflammation after irrigation of penetrating hand wounds using Octenisept®. J Hand Surg Eur Vol. 2012;37(1): 61–64.
14 Strohal R et al. Expertenempfehlung für einen Behandlungspfad zum Ulcus cruris venosum. WUNDmanagement 2021;15(2).

Dr. med. Kim Nikola Zeiner
Universitätsklinikum Frankfurt, Klinik 
für Dermatologie, 
Venerologie und Allergologie
Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt
kimnikola.zeiner@kgu.de

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