Schlechterer Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen in Zeiten globaler Krisen

Die Ergebnisse der zweiten HBSC-Gesundheitsbefragung zeigen, dass sich in den letzten vier Jahren, die von weltweiten Krisen wie der Corona-Pandemie, dem Ukrainekrieg und der Energiekrise geprägt waren, der Gesundheitszustand von Brandenburgs Kindern und Jugendlichen subjektiv verschlechtert hat.

In der HBSC-Studie („Health Behaviour in School-aged Children“, deutsch: „Gesundheitsverhalten von Schulkindern“) wurden von April bis Juli 2022 insgesamt 3.801 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgangsstufen 5, 7 und 9 an 87 allgemeinbildenden Schulen des Landes Brandenburg zu ihrer Gesundheit befragt. Die Erhebung ist, wie auch die Erstauflage im Jahr 2018, ein Gemeinschaftsprojekt des Gesundheits- und des Bildungsministeriums mit der AOK Nordost und der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg. Die erste für Brandenburg repräsentative HBSC-Befragung von mehr als 3.000 Schülerinnen und Schülern an 55 Brandenburger Schulen wurde 2018 durchgeführt. Für die zweite Erhebung hat die BTU, erneut unter der Projektleitung von Prof. Dr. Ludwig Bilz, die Schülerinnen und Schüler zu folgenden Themen befragt:

  • subjektiver allgemeiner Gesundheitszustand sowie körperliche und psychische Gesundheit,
  • Bewegungs-, Ernährungs- und soziales Risikoverhalten,
  • Zahnhygiene,
  • Substanzkonsum,
  • Sexualverhalten,
  • Gesundheitsverhalten in Bezug auf COVID-19,
  • Konsum sozialer Medien,
  • Familie und soziale Lage sowie Freundeskreis,
  • Schule bzw. Schulklima,
  • eigene Gesundheitskompetenz.


Im Vergleich zu 2018 zeigen die aktuellen Ergebnisse in vielen Bereichen eine Verschlechterung der gesundheitlichen Selbsteinschätzung von Kindern und Jugendlichen. Allerdings sind die vier Jahre zwischen den beiden Erhebungen auch durch krisenhafte Entwicklungen geprägt. Diese umfassen nicht nur eine weltweite Pandemie, sondern auch einen Krieg in Europa und die damit einhergehenden ökonomischen und sozialen Auswirkungen. Die Daten der Studie sind ein Beleg dafür, dass die letzten vier Jahre auch für Kinder und Jugendliche in Brandenburg herausfordernd waren und körperliche sowie mentale Spuren hinterlassen haben.

Gesundheit

Obwohl immer noch der überwiegende Teil der Brandenburger Schülerinnen und Schüler die eigene Gesundheit als ausgezeichnet oder gut einschätzt, sind es mit 84 Prozent rund fünf Prozentpunkte weniger als 2018. Eine noch deutlichere Verschlechterung ist im Bereich der psychischen Gesundheit zu verzeichnen. Berichteten vor vier Jahren noch 31 Prozent der Befragten von mehrmals wöchentlich auftretenden multiplen psychosomatischen Beschwerden, so stieg dieser Anteil jetzt auf 42 Prozent. Ebenfalls zugenommen hat die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die unter depressiven Symptomen oder Einsamkeitsgefühlen leiden. Besonders häufig betroffen sind jeweils Mädchen, ältere Jugendliche sowie Jugendliche mit nichtbinärer Geschlechtsidentität. Zudem treten psychische Probleme häufiger an Oberschulen und Förderschulen und bei Kindern aus finanziell schlechter gestellten Familien auf. Ähnliche Tendenzen wurden auch bereits in der Brandenburger Replikation der COPSY-Studie (COrona&PSYche) für das Befragungsjahr 2021 festgestellt.

Corona-Pandemie

Exakt zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen in Brandenburg (66,6 Prozent) gaben an, bereits mit dem Corona-Virus infiziert worden zu sein (Stand: Sommer 2022). Gegen das Corona-Virus geimpft ist demnach mit 46 Prozent nicht ganz die Hälfte der Befragten, wobei sich deutlich mehr Kinder und Jugendliche aus Familien mit höherem Wohlstand impfen ließen als aus Familien mit niedrigerem Wohlstand. Die Vorgaben des Gesundheitsschutzes, zum Beispiel das Tragen von Gesichtsmasken, wurden von der großen Mehrheit der Befragten befolgt.

Gesundheitsverhalten

Leicht positiv entwickelt hat sich das Bewegungsverhalten. Erreichten 2018 nur 14,2 Prozent der Brandenburger Kinder und Jugendlichen die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen 60 Minuten an täglicher körperlicher Aktivität, so stieg dieser Anteil um vier Prozentpunkte an. Angesichts des Zusammenhangs zwischen körperlicher (In-)Aktivität und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, psychischen Erkrankungen sowie Einschränkungen der schulischen Leistungsfähigkeit ist dies aber immer noch deutlich zu wenig. Sport- und Bewegungsförderung bleibt daher auch künftig ein wichtiges Präventionsthema. Ein deutlich negativer Trend ist beim Ernährungsverhalten zu beobachten. Nur knapp die Hälfte der Kinder und Jugendlichen gab an, täglich zu frühstücken. 2018 waren es noch rund 62 Prozent. Obst wird täglich von 47 Prozent der Befragten verzehrt, Gemüse von 32 Prozent.

Suchtverhalten

Bei den Suchtmitteln Tabak, Alkohol und Cannabis zeigen die vorliegenden Daten ebenfalls ungünstige Entwicklungen: Der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die angaben, in den letzten 30 Tagen mindestens einmal geraucht zu haben, stieg binnen vier Jahren von acht auf zwölf Prozent an. Täglich rauchten 3,2 Prozent der Befragten (2018: 2,2 Prozent). Von mindestens einem Alkoholrausch in den letzten 30 Tagen berichteten 13 Prozent der Kinder und Jugendlichen. 2018 waren es sieben Prozent. Die 9. Klassen wurden zudem zu ihrem Drogenkonsum befragt. Die Zahl der Jugendlichen, die in den letzten 30 Tagen mindestens einmal Cannabis konsumierten, blieb relativ konstant bei elf Prozent. Hingegen verdoppelte sich der Anteil derjenigen, die an zehn und mehr Tagen Cannabis konsumierten von zwei auf vier Prozent.

Sozialverhalten

Auffällig sind die negativen Veränderungen beim Sozialverhalten. 10 Prozent der Befragten berichten von Erfahrungen mit Schlägereien – das sind drei Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren. Gemobbt wurden 13 Prozent der Kinder und Jugendlichen (2018: neun Prozent). Der Anteil jener, die zugaben, selbst gemobbt zu haben, hat sich gegenüber 2018 von vier auf neun Prozent mehr als verdoppelt. Vor allem Cybermobbing spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. So hat sich der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die von Cybermobbing betroffen waren, seit 2018 von zwei auf sieben Prozent mehr als verdreifacht.

Soziale Medien

Dass Online-Aktivitäten für einige Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Risiken einhergehen, zeigt sich auch bei der Analyse problematischer Konsummuster sozialer Medien. Ungefähr zehn Prozent der Befragten und damit vier Prozentpunkte mehr als 2018 gaben an, soziale Medien in einem Maße zu konsumieren, das auf suchtähnliches Verhalten schließen lässt.

Fazit

Wie bereits vor vier Jahren zeigen die Daten aus 2022 für fast alle Indikatoren, dass problematische gesundheitsbezogene Verhaltensmuster verstärkt an Förder- und Oberschulen sowie bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit geringerem Wohlstand zu finden sind. Wörtlich heißt es in der Studie: „Aus Public-Health-Perspektive sind es vor allem die vielfach bestätigten negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, die Anlass zum Handeln geben sollten.“ Im präventiven Bereich sind daher verstärkte gesamtgesellschaftliche Anstrengungen erforderlich, um die negativen gesundheitlichen Folgen der Krisen der letzten Jahre abzufedern und die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu stärken.

Hintergrund zur Studie „Health Behaviour in School-aged Children“

Die internationale Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) ist die weltweit größte Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit. Sie wird alle vier Jahre in mittlerweile 45 Ländern durchgeführt und seit fast 40 Jahren von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt. Sie ist eine der wichtigsten Datengrundlagen für die international vergleichende Gesundheitsberichterstattung über Kinder und Jugendliche. Deutschland beteiligt sich seit 1993/1994 mit Länderstichproben an der HBSC-Studie und richtete 2009/2010 erstmals auch eine bundesweite Befragung aus.

Der Ergebnisbericht der HBSC-Studie Brandenburg wird im Verlag Pabst Science Publishers erscheinen und kann unter diesem Link kostenlos heruntergeladen werden: 
https://www-docs.b-tu.de/fg-paedagogische-psychologie/public/Forschung/HBSC_Brandenburg_2022.pdf

Quelle: Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg

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