Stress und Leistungsdruck – Risiko für die Psyche junger Menschen im Leistungssport

Hohe körperliche Belastung und ständiger Leistungsdruck – es gibt viele Faktoren, die die psychische Gesundheit von Nachwuchsleistungssportlerinnen und -sportlern gefährden. Seit Anfang dieses Jahres beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Leipzig in dem zweistufigen Präventionsprojekt „2Steps4Health“ mit dieser Thematik.

Sportpsychologin Dr. Nadja Walter und Johanna Kaiser, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie und bis vor Kurzem Profi-Fußballerin, erklären, was sie mit ihrem Projekt bis Ende 2024 erreichen möchten und warum Prävention gerade im Leistungssport so wichtig ist.

Warum sind junge Leistungssportlerinnen und -sportler besonders anfällig für psychische Erkrankungen?

Johanna Kaiser: Sport ist ja eigentlich eher etwas Gesundheitsförderliches. Aber wir wissen aus der Forschung zum Leistungssport, die bislang noch nicht allzu üppig ist, dass diese gesundheitsförderlichen Elemente dort eher weniger zu finden sind. Es gibt im Leistungssport einfach zu viele Risikofaktoren, die die Entstehung von psychischen Erkrankungen begünstigen. Dazu gehören beispielsweise eine sehr hohe körperliche Belastung, wenig Freizeit, viel Stress, teilweise weit weg von zu Hause zu sein sowie ein großer Leistungs- und Konkurrenzdruck. Viele Freunde sind gleichzeitig Konkurrenten. In der Schule und beim Sport – überall werden sie nur nach Leistung bewertet. Der Lebensfokus liegt auf dem Sport. Es gibt selten andere Dinge zum Ausgleich. Wir haben in der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche, die von Professor Julian Schmitz geleitet wird, schon vor längerer Zeit festgestellt, dass hier viele Jugendliche Hilfe suchen, die beispielsweise vom Leistungssport ausgeschlossen wurden. Dadurch entstand die Idee, uns mit der Sportpsychologie zu vernetzen.

Ihr Interventionsprojekt „2Steps4Health“ zielt darauf, die psychische Gesundheit junger Athletinnen und Athleten bis 21 Jahre zu stärken. Wie gehen Sie vor?

Dr. Nadja Walter: Es gibt zwei Stufen. Die erste umfasst drei Workshops à drei Stunden. Diese thematisieren generell die Gesundheit im Leistungssport, Stress und Erholung. Im zweiten Workshop wird Kommunikation und Konfliktmanagement adressiert und im dritten Workshop die Themen Ernährung und Schlaf. Den Athletinnen und Athleten wird nicht nur Wissen zu diesen Themen vermittelt, sondern auch Techniken und Tools aus der Sportpsychologie, wie sie besser mit Stressbelastungen umgehen oder Ressourcen für sich entwickeln können.

Viele denken, dass Leistungssportlerinnen und -sportler das ohnehin wissen, aber das scheint oftmals nicht der Fall zu sein…

Johanna Kaiser: Ja, das ist ein Trugschluss. Für die körperliche Fitness so wichtige Themen wie Schlafhygiene oder Ernährung werden im Leistungssport zu wenig thematisiert – weder in der Schule, noch im Verein. Selbst in Gewichtsklasse-Sportarten wie Judo haben die Jugendlichen keine Anhaltspunkte, wie sie es schaffen, vor dem Wettkampf fünf Kilogramm abzunehmen, um in einer niedrigeren Gewichtsklasse starten zu können. Sie machen es dann mit ihren eigenen Methoden, die oftmals nicht gesund sind.

Die zweite Stufe unseres Projektes baut auf der ersten auf und entspricht einer indizierte Prävention, die in Form eines Gruppentrainings stattfindet. Sie richtet sich vor allem an Leistungssportlerinnen und -sportler, die über eine erhöhte Beanspruchung, Ängste, Stress, Trauer oder Depressivität berichten. Das Gruppentraining besteht aus 14 Sitzungen zu je 100 Minuten und es können zwischen vier und sechs Jugendliche in einer Gruppe teilnehmen. Sie erlernen mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Techniken und Methoden, wie sie Beanspruchungen reduzieren und besser mit ihnen klarkommen können. Außerdem ist das Gruppentraining spezifisch für diejenigen Sportlerinnen und Sportler mit einer großen persönlichen Belastung gedacht, etwa durch eine lange Verletzungspause oder den Ausschluss aus dem Leistungssportkader.

Wie haben Sie die Teilnehmenden für Ihr Projekt akquiriert?

Johanna Kaiser: Wir arbeiten hier sehr viel mit den Leipziger Sportschulen und Sportinternaten zusammen, aber auch mit Vereinen und Verbänden sowie dem Olympiastützpunkt.

Dr. Nadja Walter: Für jede Stufe streben wir etwa 60 Teilnehmende an. Über unsere Kooperationspartner haben wir die Trainer:innen angeschrieben und keine drei Stunden später waren die ersten Mails von Interessentinnen und Interessenten da. Das Feedback war überwältigend. Wichtig ist zu wissen, dass es sich bei „2Steps4Health“ um ein Präventionsprojekt handelt. Aber wir arbeiten eng mit der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche der Universität Leipzig zusammen. Hierüber können Einzelfälle im Bedarfsfall weitergeleitet werden.

Welches große Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Projekt?

Johanna Kaiser: Grundsätzlich geht es uns darum, bei den Jugendlichen mit den vielen Belastungen durch den Leistungssport die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, damit keine psychischen Erkrankungen entstehen.

Dr. Nadja Walter: … und wenn welche entstehen, diese frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Johanna Kaiser: Aktuell können vorrangig jugendliche Leistungssportlerinnen und -sportler aus Leipzig und Umgebung von unseren Angeboten profitieren. Unser Ziel ist es, die Workshops und das Gruppentraining so aufzubereiten, dass auch andere Sport-Psychologinnen und -Psychologen die von uns entwickelten Angebote bundesweit für Nachwuchsleistungssportlerinnen und -sportler anbieten können, um so die Versorgungssituation im ganzen Land zu verbessern. Dazu erarbeiten wir beispielsweise Handbücher mit Übungen für die Jugendlichen und standardisierte Therapiemanuale.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Nadja Walter
Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik
Telefon: +49 341 9731656
E-Mail: nadja.walter@uni-leipzig.de

Johanna Kaiser
Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie; Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
Telefon: +49 341 9735997
E-Mail: johanna.kaiser@uni-leipzig.de

Weitere Informationen:

https://www.spowi.uni-leipzig.de/sportpsychologie/forschung/2steps4health

Quelle: Universität Leipzig

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