Forscher will schädliche Wirkung der Chemotherapie auf Herzmuskel stoppen

Herzschwäche ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen. Eine der Hauptursachen sind Umbauprozesse im Herzmuskel, z.B. durch die Nebenwirkungen einer Chemotherapie oder eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Bislang gibt es keine Behandlungsmöglichkeit, die den Krankheitsverlauf stoppt oder gar zurückbildet. Eine solche Strategie sucht jetzt Prof. Dr. Thomas Thum von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), mit seinem Forschungsprojekt REVERSE.

Prof. Thum ist Leiter des Instituts für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) verleiht ihm dafür einen ERC Advanced Grant, einen der höchstdotierten Preise für absolute Spitzenforschung, und unterstützt das Vorhaben über fünf Jahre mit 2,5 Millionen Euro.

Ringförmige RNA steuert Prozesse in Körperzellen

Der Wissenschaftler nimmt in seinem Projekt sogenannte zirkuläre RNAs (circRNA) in den Fokus. Sie gehören zu den nicht codierenden RNAs (ncRNA), funktionieren somit nicht als Blaupause für die Proteinherstellung und setzen daher keine genetische Information um. Allerdings sind sie auch kein „Müll“, sondern regulieren viele Prozesse innerhalb der Zellen. Schon lange beschäftigt sich Professor Thum mit den Funktionen dieser RNAs in den Zellen. „Innerhalb der Familie der nicht codierenden RNAs sind circRNAs besonders stabil und spezieskonserviert, also im Laufe der Evolution weitgehend unverändert“, erklärt der Kardiologe. „Das macht sie zu idealen Zielstrukturen für Medikamente.“

In dem Projekt REVERSE will Professor Thum mit seinem Forschungsteam zunächst nach circRNAs suchen, die den kardialen Umbauprozess steuern. Diese Nebenwirkung auf das Herz wird etwa durch bestimmte Medikamente in der Krebsbehandlung hervorgerufen. „Die Kardiotoxizität durch Chemotherapie ist oftmals abhängig von der Dosierung des Medikaments“, betont der Kardiologe. Dabei wird der Herzmuskel so sehr angegriffen, dass das Herz nicht mehr seine volle Pumpleistung aufbringen kann. „Es besteht die Gefahr, dass nach der Behandlung zwar der Tumor weg, aber das Herz nachhaltig geschädigt ist.“ Eine zu geringe Dosierung erhöhe dagegen das Risiko, dass der Tumor nicht vollständig verschwinde. Viele Krebspatientinnen und -patienten werden daher engmaschig per Ultraschall überwacht um festzustellen, ob sich eine Verschlechterung der Herzfunktion einstellt. Aber auch SARS-CoV-2 greift den Herzmuskel an. „Bei bis zu zehn Prozent der schwer betroffenen COVID-19-Betroffenen kann innerhalb eines Jahres eine neue, vor der Infektion noch nicht vorhandene Herzschwäche auftreten, weil das Virus unter anderem Herzmuskelzellen angreift und zerstört.“

Überprüfung der circRNAs in „lebenden Herzschnitten“

Die Identifizierung der beteiligten circRNAs ist wie die berühmte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Schätzungsweise 20.000 bis 30.000 unterschiedliche circRNAs gibt es wohl in unseren Zellen, nur etwa zehn sind bislang in ihrer Wirkungsweise bekannt. In einem ersten Schritt soll mit Hilfe eines automatisierten Screening-Hochdurchsatzverfahrens eine circRNA-Bibliothek nach geeigneten Kandidaten durchsucht werden, die an der durch Chemotherapie oder der durch SARS-CoV2-Infektion verursachte Herzschädigung beteiligt sein könnten. Anschließend möchte der Kardiologe überprüfen, ob die ausgewählten RNA-Strukturen tatsächlich jeweils den kardialen Umbau steuern. Dafür nutzt das Forschungsteam die Methode der „lebenden Herzschnitte“. Das sind hauchdünne Scheibchen aus geschädigtem Herzmuskelgewebe, das bei einer Operation entfernt wurde.

In Nährlösung leben und schlagen diese Herzmuskelschnitte für viele Tage bis zu Wochen weiter. „Wir testen in den lebenden Herzschnitten zunächst die Wirkungsweise unserer circRNA-Kandidaten“, sagt der Wissenschaftler. In einem nächsten Schritt will das Forschungsteam dann untersuchen, wie sie sich die beiden verschiedenen Formen der Kardiotoxizität stoppen lassen. So wollen die Forschenden neue therapeutische Ansätze für beide Ursachen der Herzverletzungen finden, für die es derzeit keine spezifische Behandlung gibt.

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover

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