Neue Untergruppe der akuten myeloischen Leukämie entdeckt

Damit Patienten mit der Diagnose akute myeloische Leukämie besser behandelt werden können, müssen die krankhaften Prozesse und existierende Untergruppen der Erkrankung besser verstanden werden. Mithilfe der Proteom- und Erbgutanalyse haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried zusammen mit Kooperationspartnern des Uniklinikums in Frankfurt am Main eine neue Untergruppe entdeckt.

Diese weist erhöhte Mengen an Mitochondrienproteinen und damit verändertem Mitochondrienstoffwechsel auf. Diese sogenannten Mito-AML-Zellen können in Laborversuchen mithilfe von Hemmstoffen gegen die mitochondriale Atmung wirksamer als mit herkömmlichen Chemotherapeutika bekämpft werden.

Identifikation von molekularen AML-Untergruppen

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine aggressive Krebsart, die von Blutzellen verursacht wird. Blutzellen werden im Knochenmark gebildet. Kommt es hier in unausgereiften Blutzellen zu bestimmten Erbgutveränderungen, können diese Zellen zu bösartigen Krebszellen werden und das Knochenmark überwuchern. Dadurch werden die normalen Blutzellen von den Leukämiezellen verdrängt. Dies führt zu Infektionen, Blutungen und schließlich zum Tod der Patienten. Die meisten Patienten, bei denen eine AML diagnostiziert wird, erhalten eine Chemotherapie.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden mithilfe von Erbgutstudien molekulare Untergruppen innerhalb der Krankheit nachgewiesen. Dies schafft die Grundlage für personalisierte Therapieansätze. Infolgedessen können Medizinerinnen und Mediziner heute für einige genomische AML-Untergruppen spezifische Therapeutika zur Behandlung der Krankheit einsetzen. Diese Entdeckungen haben das molekulare Verständnis der Krankheit bei den Ärzten und Wissenschaftlern revolutioniert. Trotz dieser Entwicklungen ist die Prognose für die AML nach wie vor schlecht und zeigt den dringenden Bedarf, die krankhaft veränderten Prozesse während der AML besser zu verstehen, sowie nach weiteren innovativen und effizienteren Therapien zu suchen.

Proteom- und Erbgutdaten aus der Massenspektrometrie

In einem fachübergreifenden Projekt untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Matthias Mann (MPI für Biochemie), Thomas Oellerich und Hubert Serve (beide Universitätsklinikum Frankfurt DKTK & DKFZ), ob das Proteom, also die Untersuchung aller Proteine, in AML-Zellen bei der Identifizierung von Krankheits-Untergruppen, Biomarkern und therapeutischen Ansätzen helfen kann. Um die Proteinexpressionsprofile in AML zu untersuchen, nutzte das Team die Massenspektrometrie. Diese Technologie ermöglicht es, Proteine durch Bestimmung ihres spezifischen Gewichts zu identifizieren und zu quantifizieren. Mithilfe der Proteinexpressionsprofile erhalten die Forschenden einen Überblick, welche Proteine und wie viele in den krankhaft veränderten Zellen im Vergleich zu gesunden Zellen vorhanden sind. Parallel dazu untersuchte das Team das menschliche Erbgut von AML-Zellen mit Hilfe von DNA- und RNA-Sequenzierungstechnologien.

Durch die Kombination der Proteom- und Erbgutdaten wurden mehrere AML-Untergruppen entdeckt, die jeweils spezifische biologische Besonderheiten aufweisen. Bemerkenswert ist, dass eine Untergruppe nur auf der Proteomebene erkennbar war und daher bisher nicht entdeckt wurde. Diese Untergruppe zeichnete sich durch eine hohe Anzahl an Mitochondrien-Proteinen aus, einen neu organisierten Mitochondrien-Stoffwechsel und klinische Resistenz gegenüber Chemotherapie. Diese Untergruppe wurde deshalb Mito-AML genannt. Da Mitochondrien die Kraftwerke der Zellen sind, untersuchte das Forscherteam weiter, ob die krankheitsspezifischen Stoffwechselveränderungen bei der Mito-AML therapeutisch genutzt werden können. In einer Reihe von Versuchen fanden sie heraus, dass Medikamente, die in die mitochondriale Atmung eingreifen, in Mito-AML-Zellkulturen hochwirksam sind und daher im Vergleich zu herkömmlichen Chemotherapeutika eine wirksamere Therapie darstellen könnten. Zu diesen Wirkstoffen zählt zum Beispiel der BCL1 Inhibitor Venetoclax. Im Anschluss daran kann jetzt geprüft werden, ob die Laborergebnisse sich auch in klinischen Patientenstudien bestätigen.

Neue Behandlungsansätze bei AML durch interdisziplinäre Kooperation

Die Erstautoren der Studie, Ashok Kumar Jayavelu, (ehemals MPI für Biochemie und jetzt Gruppenleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum, DKFZ, Heidelberg), Sebastian Wolf (Universitätsklinikum Frankfurt) und Florian Buettner (Universitätsklinikum Frankfurt, DKTK & DKFZ) sind sich einig: "Die AML ist eine sehr aggressive Erkrankung und gehört zu den häufigsten Blutkrebserkrankungen bei Erwachsenen. Durch die Kombination unseres Fachwissens aus der klinischen Forschung, der Grundlagenforschung und der Datenwissenschaft waren wir in der Lage, die Pathophysiologie der Krankheit, den Mito-AML-Subtyp, zu entdecken, der wahrscheinlich unser Verständnis der AML und auch künftige klinische Entwicklungen positiv beeinflussen wird."

Hubert Serve erläutert: "Diese Erkenntnis wurde durch die enge Zusammenarbeit zwischen Klinikern der Universitätsmedizin Frankfurt und der Studienallianz Leukämie (SAL), einem bundesweiten Netzwerk zur Verbesserung der Behandlung von AML, und Grundlagenwissenschaftlern möglich. Sie hilft uns dabei zu verstehen, warum manche Patienten besser auf verschiedene Therapieformen ansprechen als andere."

Matthias Mann und Thomas Oellerich fügen hinzu: "Die Entdeckung der Mito-AML-Untergruppe zeigt das große Potenzial der auf Massenspektrometrie basierenden Proteomik-Technologie für die Identifizierung klinisch relevanter Biomarker und Arzneimittelziele. Unsere Studie zeigt deutlich, dass sich genomische und proteomische Daten gegenseitig ergänzen und es uns dadurch ermöglichen, bisher unbeschriebene Aspekte der Krankheitsbiologie aufzuklären und innovative Behandlungsansätze zu benennen. Unser Ansatz führte zur Entdeckung neuer molekularer AML-Untergruppen mit klinischer Relevanz und liefert damit eine proteomische Systematik als Grundlage für ein verbessertes molekulares Verständnis und eine klinische Klassifizierung der AML.

Quelle: Max-Planck-Institut für Biochemie

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