Wann ist man zu alt für ein neues Hüft- oder Kniegelenk?

Viele Seniorinnen und Senioren leiden an schmerzhafter Arthrose ihrer Hüft- und Kniegelenke. Ein Ersatzgelenk könnte ihre Schmerzen nehmen und die Beweglichkeit wiederherstellen. Doch bis zu welchem Alter darf man einen solchen Eingriff riskieren?

Das „richtige“ Alter für ein Kunstgelenk war unter anderem Thema auf der Online-Pressekonferenz der AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. Anlass hierfür war der 24. AEKongress vom 9. bis 10. Dezember 2022 in Frankfurt am Main.

Bewegung ist gesund, sie ist vielleicht sogar die Basis unseres Wohlergehens. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt deshalb mindestens 150 Minuten körperliche Aktivitäten in der Woche für Erwachsene.1 „Bewegung beeinflusst die relevanten Parameter einer guten Stoffwechseleinstellung positiv“, sagt auch Professor Dr. med. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

In der Folge sinken die Insulinresistenz und der Blutfettspiegel, der Kalorienverbrauch steigt, die Muskulatur wird gestärkt und die Stimmung verbessert sich. Auch das Sturzrisiko verringere sich durch regelmäßige körperliche Übung. Doch was tun, wenn man sich aufgrund von Schmerzen durch Arthrose und Gelenkverschleiß kaum noch bewegen kann?  

Ersatzgelenk als letzte Möglichkeit

Sind alle konservativen Möglichkeiten der Behandlung wie etwa Physiotherapie und Schmerzmittel ausgeschöpft, steht die Frage nach einem Ersatzgelenk im Raum. Patientinnen und Patienten haben jedoch häufig Bedenken, ob sie einem Eingriff noch gewachsen sind. Dies sei gut nachvollziehbar, sagt der Orthopäde und Unfallchirurg Perka: „Eine größere Operation kann bei labilem körperlichem Gleichgewicht einen erheblichen Einschnitt bedeuten, von dem sich Betroffene mitunter nur langsam erholen.“

Deshalb sollte zunächst eine gründliche Risiko-Abwägung gemeinsam mit den Betroffenen stattfinden: „Ausschlaggebend für ein zufriedenstellendes Operationsergebnis in hohem Alter ist heute vorrangig die körperliche und geistige Verfassung, weniger das Geburtsdatum“, sagt Perka. Durch Fortschritte in Intensivmedizin und OP-Techniken könnten mittlerweile auch große Operationen bei rüstigen Patientinnen und Patienten im fortgeschrittenen Alter mit vergleichbaren Ergebnissen durchgeführt werden wie bei jungen.

Hier greifen altersspezifische chirurgische Operations-Konzepte mit altersmedizinischer, geriatrischer Begleitung. Dazu gehören der Schutz vor Auskühlung während der Operation ebenso wie kontrollierte Flüssigkeitsgabe.2 Auch Schlüssellochchirurgie statt offener Operation und optimal angepasste Narkosen schonen die Betroffenen.  

Eine gute Vorbereitung hilft

Zudem gelte das Prinzip: „Better in – better out“. Perka erläutert: „Eine gute Vorbereitung auf die OP hilft, die Risiken in den Griff zu bekommen und das Ergebnis zu verbessern.“ So leide etwa jeder fünfte Patient über 70 Jahren an mindestens fünf Krankheiten gleichzeitig. Diese sogenannte Multimorbidität gelte es bereits in der Vorbereitungsphase zu berücksichtigen, so Professor Perka.

Ein Diabetes etwa müsse gut eingestellt, eine Unterernährung oder ein Vitaminmangel behoben werden. Neben der klassischen Rehabilitation nach der OP habe sich auch Prärehabilitation bewährt: Mit gezielter Physiotherapie vor dem Eingriff könne man nicht nur das Gehen an Unterarmstützen trainieren, sondern auch die Atemkapazität erweitern und die Muskeln kräftigen. Eine große Rolle spielten auch bestehende Entzündungen, etwa der Zähne, Blase, sowie durch Wunden oder Fußpilz. Diese können gerade bei Älteren leicht zu Implantatinfekten führen und sollten deshalb vor der OP behandelt werden.

„Hier sind auch unsere Patientinnen und Patienten gefragt, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen und mitzuarbeiten“, so Perka. Durchaus realistisch sei deshalb auch ein Vorlauf von einem halben bis einem Jahr bis zur geplanten Operation.

„Bei Älteren bestehen oft Unsicherheiten bei der Indikationsstellung: Dabei profitieren insbesondere gut vorbereitete Seniorinnen und Senioren erheblich. Sie können nach dem Eingriff oft wieder ein selbstständiges Leben führen und mobil bleiben“, so Privat-Dozent Dr. Stephan Kirschner, Präsident der AE, Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Kliniken, Karlsruhe.3 Eine gute Vorbereitung im Sinne einer Prärehabilitation stelle jedoch die Grundlage des Operationserfolgs dar.4    
 

Hintergrund

Die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. verfolgt als unabhängiger Verein seit 1996 das Ziel, die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit Gelenkerkrankungen und -verletzungen nachhaltig zu verbessern und deren Mobilität wiederherzustellen. Mit ihren Teams bestehend aus führenden Orthopädinnen und Orthopäden, Unfallchirurginnen und - chirurgen organisiert sie die Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten und OP-Personal, entwickelt Patienteninformationen und fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die AE ist eine Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (DGOU).


Literatur:
1 WHO: Global status report on physical activity 2022, https://www.who.int/publications/i/item/9789240059153
2 Mennigen R et al. Zentralbl Chir (2015). DOI: 10.1055/s-0032-1328214
3 Hamel MB et al. Arch Intern Med (2008). DOI: 10.1001/archinte.168.13.1430
4 Weissbuch Alterstraumatologie Orthogeriatrie 2021, Prärehabiliation: https://www.dggeriatrie.de/images/Dokumente/220216_Weissbuch_Alterstraumatologie_Orthogeriatrie_DGOU_DGG_2021.pdf

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V.

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