Anspruch auf Auszahlung alten Urlaubs verjährt weiterhin

Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zur Haltbarkeit von Urlaubsansprüchen präzisiert: Die Urlaubsabgeltung unterliegt weiterhin der dreijährigen Verjährungsfrist.

Endet das Arbeitsverhältnis, ist nicht genommener Urlaub abzugelten, also an den Arbeitnehmenden auszuzahlen. Dieser sogenannte Urlaubsabgeltungsanspruch kann aber nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden, er unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist. Mit einer aktuellen Entscheidung stärkt das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechte von Arbeitgebenden und präzisiert seine aufsehenerregende Rechtsprechung aus Dezember 2022.

Urlaub: Aufklärungspflicht des Arbeitgebers seit 2018

Regelungen zum Urlaub finden sich im deutschen Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Danach verfällt Urlaub grundsätzlich zum Jahresende, nur ausnahmsweise darf er bis Ende März des Folgejahres noch „mitgenommen“ werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Nicht genommener Urlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

Arbeitgeberseitige Hinweis- und Aufklärungspflicht

Das deutsche Urlaubsrecht wird aber maßgeblich durch unionsrechtliche Vorgaben geprägt: Die europäische Arbeitszeit-Richtlinie enthält weitere Regelungen, die die deutschen Gerichte zu beachten haben. Über deren Auslegung und Einhaltung wacht der Europäische Gerichtshof (EuGH). Dieser hatte Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bereits mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 (Urteil vom 06.11.2018, Az. C‑684/16) eine Aufklärungspflicht ins Stammbuch geschrieben: Wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber nicht „durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt“ werde, seinen Urlaub tatsächlich zu beanspruchen, dürfe der Urlaub nicht verfallen.

Das Bundesarbeitsgericht setzte diese Entscheidung sodann 2019 (Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 423/16) um. Es schuf eine arbeitgeberseitige Hinweis- und Aufklärungspflicht. Nur, wenn der Arbeitgeber diese erfüllt hatte, durfte Urlaub nach den Vorgaben des BUrlG zum Jahresende bzw. zum 31. März des Folgejahres verfallen.

„Beliebter Rettungsanker für Unternehmen war in solchen Fällen aber weiterhin das Berufen auf die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist“, so Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott: „Auch Unternehmen, die ihre Hinweispflicht nicht erfüllt hatten, konnten weitergehenden Urlaubswünschen der letzten Jahre einen Riegel vorschieben“.

Keine Verjährung des Urlaubsanspruchs

Mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus Dezember 2022 (Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20) hatten die höchsten deutschen Arbeitsrichterinnen und -richter diese Rechtsprechung aber geändert und kurz vor Weihnachten für eine vorzeitige Bescherung gesorgt.

Denn sie entschieden, dass Urlaub nur dann verjähren kann, wenn Unternehmen zuvor ihre Mitarbeitenden darauf hingewiesen hatten, dass ihnen Urlaub zusteht, der bei fehlender Inanspruchnahme verfällt. „Unternehmen, die dem nicht nachgekommen waren, durften sich nach der Entscheidung nicht mehr auf Verjährung berufen. Damit konnten auch noch Ansprüche aus den letzten Jahren geltend gemacht werden“, berichtet Fuhlrott.

„Der Arbeitnehmerschutz stach hier die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist“, so die Einordnung der Entscheidung durch den Fachanwalt. „Ein Arbeitgeber, der durch eine fehlende Aufklärung den Arbeitnehmer zuvor nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen, durfte nicht durch ein erfolgreiches Berufen auf Verjährung belohnt werden.“ Das deutsche Verjährungsrecht müsse in einem solchen Fall hinter den Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie zurücktreten.

Streitfrage: Gilt für die Abgeltung nicht genommenen Urlaubs eine zeitliche Grenze?

„Unklar war nach dieser Entscheidung aber, ob dies auch für die Abgeltung nicht genommener Urlaubsansprüche galt“, erklärt Fuhlrott. „Wäre dies der Fall, hätten Arbeitnehmer ihren vormaligen Arbeitgeber auf Auszahlung nicht genommener Urlaubsansprüche der letzten 20 oder 30 Jahre verklagen können. Damit bestand die Gefahr einer Klagewelle von Arbeitnehmern gegen ihre vormaligen Arbeitgeber.“

Bundesarbeitsgericht: Anspruch auf Auszahlung alten Urlaubs verjährt weiterhin

Dem schob das Bundesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung (Urteil vom 31.01.2023, Az. 456/20) nun aber einen Riegel vor:

Danach unterliegt der Anspruch eines Arbeitnehmenden auf Urlaubsabgeltung weiterhin der dreijährigen Verjährungsfrist. Diese läuft mit dem Ende des Jahres, in dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, an. „Das Gericht begründet dies damit, dass die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses entfällt. Ab dann gelten die normalen Vorschriften – und damit auch die regelmäßige Verjährungsfrist“, so der Arbeitsrechtler.

Hinzukommt: Sehen Tarifverträge zudem engere Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen vor, so finden diese ebenfalls Anwendung. Auch dies entschied das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung (Urteil vom 31.01.2023, Az. 9 AZR 244/20)

„Arbeitgeber dürften aufatmen“

„Arbeitgeber haben nach den heutigen Entscheidungen Grund zum Aufatmen: Denn das Bundesarbeitsgericht schiebt der zeitlich unbegrenzten Inanspruchnahme von Altarbeitgebern auf Auszahlung nicht genommener Urlaubsansprüche der Vorjahre einen deutlichen Riegel vor. Der durch Verjährung und Verfallfristen bezweckte Rechtsfrieden sticht unionsrechtliche Hinweispflichten jedenfalls bei Zahlungsansprüchen“, fasst Fuhlrott die Entscheidungen zusammen.

Prof. Dr. Michael Fuhlrott

Quelle: Deutsche Anwalts- und Steuerberater­vereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.

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