Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

„Da es laufend zu Problemen im Betrieb der Telematikinfrastruktur (TI) kommt, muss sich eine meiner Mitarbeiterinnen ca. vier Stunden pro Woche mit der Behebung solcher Probleme befassen. Die mir zustehenden TI-Pauschalen liegen allerdings weit hinter den Lohnkosten, die ich pro Woche für die Problembehebung aufwenden muss. Kann ich von der Kassenärztlichen Vereinigung Ersatz dieses Anteils an Lohnkosten verlangen?“ Diese und weitere Fragen aus der Praxis beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Auswahlentscheidung

Herr Dr. N. aus Bonn

Ich habe mich mit einem halben Versorgungsauftrag nach Entsperrung des Planungsbereichs in 2020 um eine weitere hälftige Zulassung beworben. Die Zulassung wurde dann der einzigen Mitbewerberin erteilt. Dagegen habe ich Klage eingelegt. Nach über zwei Jahren hat sich nun herausgestellt, dass die zugelassene Ärztin über keine Praxisräume verfügt. Mittlerweile hat sie auf ihre Zulassung verzichtet. Rückt mein Antrag nun automatisch nach und ich erhalte die Zulassung? Schließlich hätte ich die Zulassung als dann einziger Bewerber auch erhalten, wenn die andere Ärztin sich gar nicht erst beworben hätte bzw. ihren Antrag zurückgezogen hätte.

Herr Rothfuß:

„Nach einer aktuellen Entscheidung des SG München vom 24.04.2023 (Az. S 38 KA 65/21) erledigt sich das Auswahlverfahren, wenn eine einmal ausgewählte Bewerberin nach der Entscheidung nicht mehr zur Verfügung steht. Das BSG hat bereits 2003 entschieden, dass sich ein Nachbesetzungsverfahren erledigt, wenn ein zugelassener Arzt während des von einem Mitbewerber initiierten Verfahrens gegen die Zulassung auf seine Zulassung verzichtet (Az. B 6 KA 11/03 R). Nach der Entscheidung des SG München gilt dies auch, wenn die Zulassung nach Entsperrung des Planungsbereichs erfolgte und auch, wenn es nur einen einzigen Mitbewerber gab. Da sich das Verfahren mit dem Zulassungsverzicht der ausgewählten Ärztin erledigt hat, rückt ein anderer Bewerber nicht automatisch nach, wenn die zugelassene Ärztin auf die Zulassung verzichtet. Eine Zulassung kann nur in einem neuen Verfahren erfolgen.“

Kosten für TI-Problembehebung

Herr D. aus Freiburg im Breisgau

Meine Praxis ist an die Telematik-­Infrastruktur (TI) angeschlossen. Da es laufend zu Problemen im Betrieb der TI kommt, muss sich eine meiner MFA ca. vier Stunden pro Woche mit der Behebung solcher Probleme befassen. Die KV erstattet mir lediglich Pauschalen für den Betrieb der TI, die allerdings weit hinter den Lohnkosten liegen, die ich pro Woche aufwende, damit eine Angestellte die Probleme im Zusammenhang mit der TI behebt. Kann ich Ersatz der Lohnkosten für ca. vier Arbeitsstunden pro Woche verlangen, die nur für derartige Problembehebungen entstehen?

Herr Rothfuß:

„Nach einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 26.10.2022 (Az. L 5 KA 107/21) fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für die Erstattung solcher Kosten. Gesetzlich seien nur Pauschalen für die Kostenerstattung im Zusammenhang mit der TI vorgesehen, dies sei auch verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber sei nicht davon ausgegangen, dass eine kostendeckende Erstattung erfolgen müsse. Im Übrigen beträfen die Probleme nicht das Verhältnis zwischen Arzt und KV bzw. Krankenkassen, sondern das Verhältnis zu dem Anbieter, von dem der Arzt die Komponenten der TI und die Software beziehe. Es ist nicht möglich, Kosten im Zusammenhang mit der TI geltend zu machen, die über die gesetzlichen Pauschalen hinausgehen.“

Befreiung Bereitschaftsdienst

Frau Dr. L. aus Schwäbisch Gmünd

Ich bin Allgemeinärztin und alleinerziehende Mutter. Mein jüngstes Kind ist erst drei Jahre alt und ich habe das alleinige Sorgerecht. Da ich nachts keine Betreuungsmöglichkeit habe, kann ich nicht am nächtlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen. Ich habe einen Befreiungsantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Kann es sein, dass die KV mich zwingt, meine Kinder über Nacht allein zu lassen, damit ich zu den Einsätzen der Rufbereitschaft fahren kann?

Herr Rothfuß:

„Mit Urteil vom 04.05.2023 (Az. S 38 KA 392/22) hat das SG München die Klage einer Ärztin in einem ähnlichen Fall abgewiesen. Eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst könne zwar ausgesprochen werden, allerdings regelmäßig nicht, wenn die Praxistätigkeit über dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liege. Das Gericht erkannte die herausfordernde Situation der Ärztin an, verwies aber darauf, dass sich damit „nicht nur die Klägerin, sondern auch andere alleinerziehende Mütter und Väter, die freiberuflich tätig sind, arrangieren [müssten].“ Außerdem stünden die Dienste lange im Voraus fest und die Dienste könnten an Poolärzte oder Vertreter abgegeben werden. Im Übrigen genüge es auch nicht, zu behaupten, dass eine Betreuung der Kinder bzw. ein Abgeben der Dienste nicht möglich sei. Dies müsse konkret nachgewiesen werden. Die KV kann Ärzte also nicht zwingen, ihre Kinder über Nacht unbeaufsichtigt zu lassen. Eine Befreiung kommt regelmäßig aber nur in Betracht, wenn nachgewiesen wird, dass es weder möglich ist, die Kinder betreuen zu lassen, noch die Dienste abzugeben.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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