Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

„Ich vertrete bereits seit Jahren Kollegen bei deren kassenärztlichen Notdiensten. Die Leistungen rechne ich gegenüber der KV ab. Zusätzlich erhalte ich vom jeweils vertretenen Arzt einen Stundenlohn. Außerdem entnehme ich bei der örtlichen Polizeibehörde Blutproben für Alkohol- und Drogentests. Nun ist das Finanzamt an mich herangetreten, um Umsatzsteuer zu erheben. Ist die ärztliche Tätigkeit denn nicht umsatzsteuerfrei?“ Diese und weitere Fragen beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Umsatzsteuer auch in der Notdienstvertretung

Herr Dr. L. aus Mannheim:

Ich bin Allgemeinmediziner und vertrete bereits seit Jahren Kollegen bei deren kassenärztlichen Notdiensten. Die erbrachten ärztlichen Leistungen rechne ich gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ab. Zusätzlich erhalte ich vom jeweils vertretenen Arzt einen Stundenlohn. Außerdem entnehme ich bei der örtlichen Polizeibehörde Blutproben für Alkohol- und Drogentests. Nun ist das Finanzamt an mich herangetreten, weil der Stundenlohn, den ich für die Dienstvertretungen erhalten habe, sowie das Entgelt für die Blutentnahmen bei der Polizei umsatzsteuerpflichtig seien. Ist die ärztliche Tätigkeit denn nicht umsatzsteuerfrei?

Herr Rothfuß:

„Nach § 4 Nr. 14 lit. a Umsatzsteuergesetz (UStG) sind humanmedizinische Heilbehandlungen steuerfrei, die im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit ausgeführt werden. Wie das Finanzgericht (FG) Münster in einem ähnlichen Fall mit Urteil vom 09.05.2023 (Az. 15 K 1953/20 U) klargestellt hat, sind davon nicht sämtliche Tätigkeiten eines Arztes umfasst, sondern nur solche, die auch als eine Heilbehandlung anzusehen seien. Die Behandlung der Patienten, die mit dem Honorar durch die KV abgegolten wird, sei als Heilbehandlung anzusehen. Dementspre-chend unterliege dieses Honorar nicht der Umsatzsteuer. Die zusätzliche stundenweise Vergütung, erhalte der Arzt allerdings für eine eigene Leistung gegenüber dem vertretenen Arzt, nämlich dessen Freistellung von dessen Dienstverpflichtung. Ebenso als umsatzsteuerpflichtig sah das FG die für die polizeilichen Blutentnahmen erhaltene Vergütung an. Die Blutentnahmen stellten auch hier keine Heilbehandlung dar, sondern dienten der Beweiserhebung für ein ordnungsrechtliches oder Strafverfahren. Es gilt also: Nicht sämtliche ärztliche Honorare sind steuerfrei, sondern nur solche aus einer Heilbehandlung.“

„Männerbehandlung“ in der Gynäkologie

Frau Dr. R. aus Bremen:

Ich bin niedergelassene Gynäkologin mit der Zusatzbezeichnung „Medizinische Genetik“. Ich führe auch sogenannte „Männer­behandlungen“ durch. In diesen Fällen kommen Paare nach mehreren fehlgeschlagenen Schwangerschaften in meine Praxis und ich führe bei beiden eine Chromosomenanalyse durch. Nun erreichte mich ein Regress für die Analyse bei Männern, weil deren Behandlung für mich fachfremd sei. Träger des Risikos für einen erneuten Schwangerschaftsverlust kann aber der Mann oder die Frau sein, weshalb nur eine Genanalyse beider Partner sinnvoll ist. Bisher wurden die Leistungen an Männer auch immer unbeanstandet vergütet. Kann es denn sein, dass solch ein Regress rechtmäßig ist?

Herr Rothfuß:

„Mit Urteil vom 05.07.2023 (Az. S 38 KA 108/21) hat das Sozialgericht (SG) München in einem ähnlichen Fall die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu fachfremden Leistungen bestätigt. Das BSG geht davon aus, dass für die Frage der Fachfremdheit ausschließlich der Inhalt der Weiterbildungsordnung (WBO) maßgeblich sei. Nach der Muster-WBO (sowie der im Urteil des SG einschlägigen WBO) ist das Fachgebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe auf die Behandlung der Frau beschränkt. Etwaige Zusatzbezeichnungen seien irrelevant. Ausnahmsweise dürfe ein Arzt fachfremd tätig sein, wenn etwa die Leistung einen bloßen Annex zu einer Leistung seines Fachgebiets darstelle. Solche Leistungen stehen in einem engen Zusammenhang mit der Leistung des Fachgebiets und ohne den Annex würde die Leistung entwertet bzw. ihr Erfolg gefährdet. Zwar sei hier ein enger Zusammenhang zwischen der Genanalyse beider Partner gegeben, jedoch würde die Leistung des Fachgebiets weder entwertet noch der Erfolg gefährdet, wenn die Chromosomenanalyse des Mannes durch einen Humangenetiker erfolgt wäre. Die Vergütung einer Leistung in vergangenen Quartalen begründe außerdem keinen Vertrauensschutz, der einem Regress in künftigen Quartalen entgegenstünde. Eine entsprechende Rückforderung ist daher zulässig.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln

(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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