Meist unverzichtbar, oft unterschätzt: Der Praxismietvertrag

Wie gut kennen Sie Ihren Praxismietvertrag? Oder haben Sie den womöglich gar nicht schriftlich? Dann besteht in der Regel Handlungsbedarf. Denn der Mietvertrag sichert den Praxissitz, mit dem die Möglichkeit zur Ausübung der Tätigkeit als niedergelassener Arzt* steht und fällt. Auch wirtschaftlich hat der regelmäßig langfristig abgeschlossene Vertrag erhebliches Gewicht. Worauf es bei Gestaltung und Abschluss dieses langjährigen Begleiters ankommt.

Mietrechtlich gelten Ärzte als Unternehmer. Daher wird der Praxismietvertrag oft auch als Gewerbe- oder Geschäftsraummietvertrag bezeichnet. Im Gegensatz zum strikt geregelten Wohnraummietrecht gewährt das „gewerbliche Mietrecht“ den Vertragsparteien beinahe unbeschränkten Gestaltungsspielraum.

Schriftform beachten

Dagegen sind die formellen Anforderungen streng: Praxismietverträge, die für länger als ein Jahr geschlossen werden, sind nach gesetzlicher Vorgabe schriftlich zu fassen. Wird dem nicht entsprochen, ist der Vertrag zwar trotzdem wirksam. Er wird dann aber – unabhängig von vereinbarten Festlaufzeiten – jederzeit kurzfristig kündbar. 

Zur Vermeidung dieses Risikos sollte auf eine möglichst genaue schriftliche Benennung der Parteien und ihrer beim Vertragsabschluss handelnden Vertreter, des Vertragszwecks, der Mieträume, der zu entrichtenden Miete und der Vertragslaufzeit im Mietvertrag erfolgen. Dem Vertrag beizufügende Anlagen sollten vollständig und inhaltlich eindeutig sein. Die Vorgaben gelten auch für nachträgliche Änderungen. Im Optimalfall werden alle Vertragsunterlagen nach der handschriftlichen Unterzeichnung dauerhaft fest miteinander verbunden.

Vertragsparteien

Neben natürlichen Personen können auch Praxis- oder Berufsausübungsgemeinschaften sowie Medizinische Versorgungszentren (MVZ) Räume mieten. Wird die Praxis als Gesellschaft Vertragspartnerin, ist der Bestand des Mietverhältnisses vom Gesellschafterbestand unabhängig: Scheiden einzelne Personen aus der Praxis aus oder treten neue Gesellschafter ein, hat dies auf den Mietvertrag keinerlei Auswirkung; der Vermieter hat insoweit kein grundsätzliches Mitspracherecht. Zudem ist nicht bei jeder personellen Veränderung eine schriftliche Nachtragsvereinbarung notwendig. Geregelt sein sollte dann, wer den Mietvertrag im Falle der Auflösung der mietenden Gesellschaft fortführt.

Laufzeitgestaltung

Miete ist Gebrauchsüberlassung auf Zeit. Wird in Bezug auf die Vertragsdauer keine Vereinbarung getroffen, läuft das Mietverhältnis auf unbestimmte Dauer und ist jederzeit von beiden Vertragsparteien grundlos kündbar. Um Planungssicherheit zu erlangen, wird in Praxismietverträgen daher üblicherweise eine Festlaufzeit von zehn oder auch mehr Jahren vereinbart.
Dazu kann sich der Praxismieter ein Recht zur (eventuell mehrfachen) einseitigen Verlängerung der Festlaufzeit über wiederum mehrere Jahre einräumen lassen (Optionsrecht). Für gewöhnlich muss sich der Mieter dann bis zu einem vereinbarten Zeitpunkt entscheiden, ob er das Recht zur Vertragsverlängerung wahrnimmt. 

Wirksamkeitsbedingung und Rücktritt
Ist noch keine Zulassung zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit in den Mieträumen vorhanden (etwa weil zuvor noch die Durchführung eines vertragsärztlichen Nachbesetzungsverfahrens erforderlich ist), oder stehen andere Ereignisse von grundlegender Bedeutung (wie z. B. die Erteilung einer Bau-/Nutzungsgenehmigung oder gar die vollständige Errichtung des anzumietenden Gebäudes) bei Vertragsschluss noch aus, sollten Wirksamkeitsbedingungen oder Rücktrittsrechte in den Mietvertrag aufgenommen werden – um eine langfristig teure Verpflichtung in dem Fall zu verhindern, dass ein Ereignis (warum auch immer) nicht eintritt

 

Miete

Bei der Festlegung der Miethöhe kann der Mietpreisspiegel für Gewerbeimmobilien der örtlichen Industrie- und Handelskammer als Orientierung dienen. Treffen die Parteien keine Mietanpassungsregelung, bleibt die Miete für die Dauer der Vertragslaufzeit unverändert; eine einseitige Erhöhung oder Absenkung ist dann nicht zulässig. 

Daher ist heute die Vereinbarung einer kontinuierlichen automatischen Mieterhöhung in festgelegten zeitlichen Intervallen (Staffelmiete) oder einer Wertsicherungsklausel üblich. Letztere kann die Miethöhe z. B. an die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamtes geführten Verbraucherpreisindexes für Deutschland koppeln. Voraus­setzung für die Rechtmäßigkeit einer solchen Indexklausel ist zum einen, dass der Mieter die Festlaufzeit des Mietvertrags (etwa durch die Ausübung seiner Optionsrechte) einseitig auf mindestens zehn Jahre ausdehnen kann. Zum anderen darf sich aus der Klausel keine unangemessene Benachteiligung einer Partei ergeben.

Umsatzsteuer
In aller Regel wird die Praxismiete ärztlicher Mieter umsatzsteuerfrei entrichtet. Nach den gesetzlichen Vorgaben ist ein Umsatzsteuer-Aufschlag lediglich dann erlaubt, wenn feststeht, dass in den Mieträumen dauerhaft ausschließlich oder zumindest weitestgehend Behandlungsleistungen ohne medizinische Notwendigkeit (etwa auf dem Gebiet der Schönheits­chirurgie) erbracht werden.

 

Umsatzsteuer

In aller Regel wird die Praxismiete ärztlicher Mieter umsatzsteuerfrei entrichtet. Nach den gesetzlichen Vorgaben ist ein Umsatzsteuer-Aufschlag lediglich dann erlaubt, wenn feststeht, dass in den Mieträumen dauerhaft ausschließlich oder zumindest weitestgehend Behandlungsleistungen ohne medizinische Notwendigkeit (etwa auf dem Gebiet der Schönheits­chirurgie) erbracht werden.

Wesentliche Vertragspflichten

Der Vermieter hat dem Mieter die Mieträume während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Ihr tatsächlicher Zustand ist bei Übergabe der Räume in einem von beiden Parteien zu unterzeichnenden Übergabeprotokoll zu dokumentieren, in das neben festgestellten oder scheinbaren Mängeln auch überlassene Schlüssel, Zählerstände u. Ä. aufgenommen werden können. 

Nach der gesetzlichen Vorgabe hat der Vermieter den vertragsgemäßen Zustand der Räume während der gesamten Mietzeit zu gewährleisten. Er ist daher grundsätzlich auch zur Durchführung erforderlicher „Schönheitsreparaturen“ (Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, Streichen der Fußböden und der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen) verpflichtet. Sehr oft wird diese Aufgabe jedoch vertraglich an den Mieter „delegiert“.
Allerdings dürfen diesem nur Arbeiten in solchen Bereichen auferlegt werden, die auch seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich unterfallen. Arbeiten an „Dach und Fach“ des Gebäudes können nicht auf den Praxismieter „abgewälzt“ werden. Abgesehen davon empfiehlt sich, von der Mieterseite zu tragende Kosten für notwendige Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen der Höhe nach zu begrenzen.

Weitere wichtige Regelungen

Die Vermieterseite sollte ausdrücklich Konkurrenzschutz gewähren. Sicherheitshalber sollte die Berechtigung des Mieters zur Einbindung weiterer Personen auf Gesellschafter-Ebene in den Vertrag aufgenommen werden (Sozietätsklausel). Ein guter Praxismietvertrag enthält darüber hinaus eine Nachfolgeklausel in Form einer schriftlichen Vorab-Zustimmung des Vermieters zum Übergang des Mietverhältnisses auf einen vom Mieter ausgewählten Dritten im Fall des Praxisverkaufs.

Mit dem nötigen Weitblick lässt sich zudem ein Sonderkündigungsrecht für den Fall vereinbaren, dass der mietende Arzt berufsunfähig wird. Wer gut verhandelt, bekommt ein Sonderkündigungsrecht auch für den Fall, dass die Praxis eines Tages nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann oder die ambulante Tätigkeit aufgegeben wird. Auch für den Fall, dass der Mieter verstirbt, sollten besondere Kündigungsregeln gelten. Dem bzw. den Erben des verstorbenen Arztes muss genug Zeit bleiben, die Praxis zu veräußern und nachbesetzen zu lassen.

Davon abgesehen sollten die Themen Untervermietung, Betriebskosten(-abrechnung), Mietsicherheit, Praxis­beschilderung, Betretungsrechte und bauliche Veränderungen geregelt sein. 
 

Praxishinweise
Die vorausschauende Planung und Gestaltung eines jahrelang gültigen Praxismietverhältnisses ist unbedingt zu empfehlen. Ein ordentlicher, individuell abgestimmter Mietvertrag kann den Parteien jahrelange Sicherheit und Ruhe gewähren. Andererseits können Versäumnisse beim Abschluss des Vertrags oder dessen jahrelange Vernachlässigung außerordentlich teure und eventuell existenz­bedrohliche Konsequenzen haben.

*Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Tim Hesse
Rechtsanwalt,
Zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV), Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10, 48159 Münster und Freie-Vogel-Str. 367, 44269 Dortmund
0251-270 7688-0
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kanzlei-am-aerztehaus.de​​​​​​​

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