Die neuen Abrechnungsmöglich­keiten durch das TSVG

Ziel des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) ist es, dass gesetzlich versicherte Patienten schneller einen Termin beim Arzt bekommen. Das bedeutet aber, dass Vertragsärzte mehr Zeit und mehr Arbeit für die Behandlung dieser Patienten aufbringen müssen. Dafür sollen sie nach dem Willen des Gesetzgebers zusätzlich vergütet werden. Was Sie für welchen Fall als Honorar erhalten und was Sie bei der Abrechnung beachten müssen, stellen wir im Folgenden dar.

Folgende fünf TSVG-Regelungen sollten Sie kennen:

  1. Offene Sprechstunde (01.09.2019)
  2. Behandlung neuer Patienten (seit 01.09.2019)
  3. Terminvermittlung durch Termin­servicestellen (TSS) (seit 01.09.2019)
  4. Terminvermittlung durch TSS im Akutfall (voraussichtlich ab 01.01.2020)
  5. Terminvermittlung durch den Hausarzt an einen Facharzt (seit 11.05.2019 für Facharzt, seit 01.09.2019 für Hausarzt)

 

Offene Sprechstunden

Seit dem 01.09.2019 müssen einige Fachgruppen mindestens fünf Stunden in der Woche als offene Sprechstunden anbieten, die extrabudgetär vergütet werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat festgelegt, dass dies folgende Arztgruppen betrifft:

  • Augen­ärzte
  • Chirurgen
  • Frauenärzte
  • HNO-Ärzte
  • Hautärzte
  • Kinder- und Jugendlichenpsychiater
  • Neurochirurgen
  • Neurologen
  • Orthopäden
  • Psychiater
  • Nervenärzte
  • Urologen

Wann die offenen Sprechstunden angeboten werden müssen (z.B. eine offene Sprechstunde an jedem Tag oder alle fünf offenen Sprechstunden nur an einem Tag), wurde nicht bestimmt. Das können die betroffenen Ärzte also frei gestalten. Sie müssen die offenen Sprechstunden aber bekanntgeben, zum Beispiel auf dem Anrufbeantworter der Praxis.

Patienten können auch ohne Überweisung in die offene Sprechstunde kommen. Nicht alle Patienten – außer Notfälle – müssen sofort behandelt werden, die in der offenen Sprechstunde erscheinen. Ärzte können Patienten einen Termin anbieten oder auf die nächste offene Sprechstunde verweisen, wenn die Kapazitäten der Praxis erschöpft sind. Sind mehrere Ärzte in der Praxis tätig, müssen die offenen Sprechstunden nicht gleichzeitig angeboten werden. Zum Beispiel müssen in einer Praxis mit vier Ärzten mit voller Zulassung insgesamt 20 offene Sprechstunden pro Woche angeboten werden.

Abrechnung

Hinsichtlich der extrabudgetären Vergütung wurde eine Höchstgrenze von 17,5 Prozent vereinbart. So erhält beispielsweise ein Vertragsarzt, der im vierten Quartal 1.000 Patienten behandelt, 175 Behandlungsfälle extrabudgetär, also in vollem Umfang, vergütet. Es müssen keine weiteren Angaben, wie zum Beispiel Uhrzeit der Behandlung, gemacht, sondern nur die Abrechnung mit „offene Sprechstunde“ gekennzeichnet werden.

Behandlung neuer Patienten

Für Neupatienten werden alle Leistungen im jeweiligen Behandlungsfall seit dem 01.09.2019 extrabudgetär und damit in voller Höhe vergütet. Ein „neuer Patient“ ist jemand, der erstmals in der Praxis behandelt wird oder mindestens zwei Jahre nicht in der Praxis war. Bei der Berechnung der zwei Jahre wird auf das Quartal abgestellt und nicht auf den Behandlungstag. Das aktuelle Quartal wird mitgezählt.

Zwei Jahre bedeutet: das aktuelle Quartal plus die acht vorangegangenen Quartale. Ein neuer Patient ist also jemand, der zum Beispiel im dritten Quartal 2019 wieder in der Praxis erscheint, nachdem er zuletzt im zweiten Quartal 2017 behandelt wurde.

Die Regelung gilt nicht für Neupraxen, das heißt für Ärzte, die die Praxis neu gegründet oder eine Praxis übernommen haben in den ersten beiden Jahren, also für volle acht Quartale. Sie findet auch keine Anwendung, wenn der Patient die Krankenkasse wechselt oder aus dem Selektiv­vertrag ausscheidet. Neue Patienten sind auf maximal zwei Arztgruppen pro Praxis beschränkt, wenn ein Patient eine BAG oder ein MVZ aufsucht.

Bei der Frage, ob es sich um einen „Neupatienten“ handelt, ist nicht die Praxis oder das MVZ entscheidend, sondern die Arztgruppe. So kann ein Patient beim Hautarzt neu sein, obwohl er beim Hausarzt regelmäßig in Behandlung ist.

Folgende Arztgruppen sind von dieser Regelung ausgeschlossen:

  • Anästhesisten (außer Schmerztherapeuten)
  • Humangenetiker
  • Laborärzte
  • Mund-Kiefer-­Gesichts-Chirurgen
  • Nuklearmediziner
  • Pathologen
  • Radiologen

Abrechnung

Bei der Abrechnung müssen Sie nur den Patienten als „Neupatient“ kennzeichnen.

Vermittlung durch die TSS

Alle Ärzte und Psychotherapeuten (außer Laborärzte und Pathologen) erhalten für Patienten, die über eine TSS in die Praxis kommen, seit 11.05.2019 alle Leistungen im Behandlungsfall, die aufgrund der Terminvermittlung nötig sind, extra­budgetär vergütet. Ausgenommen sind verschiebbare Routineuntersuchungen, Bagatell­erkrankungen sowie weitere vergleichbare Fälle. Für Facharzttermine benötigen Patienten eine Überweisung, für Hausarzttermine dagegen keine.

TSS-Zuschläge
Zusätzlich gibt es seit dem 01.09.2019 ­ Zuschläge auf die Grundpauschale für Fachärzte und Zuschläge auf die Versichertenpauschale für Hausärzte von 50, 30 und 20 Prozent. Den Zuschlag gibt es auch für die Konsiliarpauschale einmal im Behandlungsfall. Die Höhe richtet sich nach der Wartezeit auf einen Termin und ist wie folgt gestaffelt:
•    Zuschlag A: 50 Prozent*
Termin spätestens am Ende des Folgetages
•    Zuschlag B: 50 Prozent
Termin innerhalb von 8 Tagen
•    Zuschlag C: 30 Prozent
Termin innerhalb von 9 bis 14 Tagen
•    Zuschlag D: 20 Prozent
Termin innerhalb von 15 Tagen bis 35 Tagen

Die TSS teilt Ihnen per Fax oder E-Mail mit, an welchem Tag sich der Patient wegen des Termins an die TSS gewandt hat. So können Sie berechnen, welchen Zuschlag Sie ansetzen dürfen.
 

Beispiel: Ein Patient ruft am 02.10. in der TSS an und erhält am 09.10. einen Termin. Das sind genau 8 Tage und die Praxis erhält den Zuschlag B von 50 Prozent. Samstage, Sonntage und Feiertage werden mitgerechnet.
*Zuschlag A nur für TSS-Akutfälle

Abrechnung

Kennzeichnen Sie auf der Abrechnung den Patienten als „TSS-­Terminfall“. Ihr Praxisverwaltungssystem (PVS) bietet dafür eine entsprechende Funktion.

Geben Sie die Gebührenordnungsposition (GOP) für Ihre Arztgruppe im jeweiligen EBM-Kapitel an, zum Beispiel:

  • Hausärzte GOP 03010
  • Kinder- und Jugendärzte GOP 04010
  • Hautärzte GOP 10228
  • Nervenärzte/Neurologen GOP 16228
  • Orthopäden GOP 18228
  • Gynäkologen GOP 08228
  • Urologen GOP 26228

Geben Sie je nach Länge der Warte­zeit die Buchstaben A, B, C oder D an (siehe Kasten).

Vermittlung durch TSS im Akutfall

Voraussichtlich ab 01.01.2020 sollen Patienten wegen akuter Beschwerden die 116117 anrufen können. Nach einem standardisierten Ersteinschätzungsverfahren wird der Patient dann in die richtige Versorgungsebene geführt. Das kann die Notaufnahme im Krankenhaus, der Bereitschaftsdienst, aber auch die Praxis sein. Der Patient erhält bei einem dringenden Fall einen Termin innerhalb von 24 Stunden, spätestens am Ende des Folgetages. Bei einem solchen TSS-Akutfall erhält der Haus- und Facharzt (außer Laborärzte und Pathologen) neben der extrabudgetären Vergütung einen Zuschlag A von 50 Prozent auf die Versicherten-, Grund- und -Konsiliarpauschale, wenn der Termin am Folgetag stattfindet.

Abrechnung

  • Kennzeichnen Sie den Patienten in der Abrechnung als „TSS-Akutfall“.
  • Geben Sie die GOP für Ihre Arztgruppe im jeweiligen EBM-Kapitel an.
  • Geben Sie die GOP plus den Zuschlag A an (z.B. GOP 08228 A als Gynäkologe); der Zuschlag von 50 Prozent wird durch das PVS auto­matisch angesetzt.

Vermittlung durch den Hausarzt an einen Facharzt

Die erfolgreiche Vermittlung eines dringenden Termins beim Facharzt bzw. Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt oder Zusatzweiterbildung durch den Hausarzt wird finanziell gefördert. Die Terminvermittlung erfolgt in diesem Fall nicht durch die TSS, sondern durch den Hausarzt. Haus­ärzte erhalten seit dem 01.09.2019 für die Vermittlung eines Facharzttermins eine extrabudgetäre Vergütung von 93 Punkten (also 2019 10,07 Euro).

Die Terminvermittlung kann an Mitarbeiter delegiert werden. Der Hausarzt muss dem Patienten eine Überweisung ausstellen. Der Termin muss binnen vier Kalendertagen stattfinden. Die vier Tage werden ab dem Folgetag der Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit und nicht der Kontaktaufnahme beim Facharzt berechnet.


Beispiel:

Der Hausarzt stellt am Freitag die Behandlungsnotwendigkeit beim Facharzt fest und vereinbart noch am selben Tag den Termin. Die Behandlung muss spätestens am Dienstag erfolgen. Der Freitag zählt bei der Frist von vier Tagen nicht mit, aber dafür sämtliche Kalendertage, auch Samstag und Sonntag.

Der Hausarzt kann den Zuschlag im Quartal bei Behandlungsnotwendigkeit auch mehrfach abrechnen, also zum Beispiel, wenn sowohl eine Behandlungsnotwendigkeit beim Kardiologen als auch beim Urologen besteht. Der Zuschlag wird nicht gewährt, wenn der Patient im Quartal schon bei dem Facharzt, an den überwiesen wird, in Behandlung war. Der Hausarzt erhält aber den Zuschlag auch, wenn der Patient den vereinbarten Termin nicht wahrnimmt.

Die Vergütung wird einmal im Behandlungsfall gewährt. Der Hausarzt muss die Arztnummer (LANR) des Facharztes angeben. Hierfür gibt es im PVS ein neues Feld „LANR des vermittelten Facharztes“. Die LANR des Facharztes findet man in der „Kollegen­suche“ im Sicheren Netz, erreichbar über die Telematikinfrastruktur.

Weiterbehandelnde Fachärzte (außer Kinderärzte ohne Schwerpunkt­bezeichnung, Laborärzte und Pathologen) erhalten seit Mai 2019 alle Leistungen im Behandlungsfall und Quartal extrabudgetär vergütet. Für die Abrechnung den Überweisungsschein mithilfe der Praxissoftware als „HA-Vermittlungsfall“ kennzeichnen. Sollten weitere Angaben nötig sein, informiert ­die entsprechende KV den betreffenden Arzt.


Abrechnung

Der Hausarzt muss die GOP 03008 bzw. der Kinderarzt die GOP 04008 ansetzen und die LANR der Facharztpraxis angeben. Der Facharzt muss den Überweisungsschein im PVS anlegen und auf der Abrechnung bzw. dem Überweisungsschein den Patienten als „HA-Vermittlungsfall“ kennzeichnen.

Bereinigung

Mit Ausnahme der Zuschläge für TSS-Fälle und den Zuschlag für die Vermittlung eines Facharzttermins für den Hausarzt, die arzt- bzw. praxis­spezifisch bereinigt werden, erfolgt für alle anderen TSVG-Leistungen eine Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung innerhalb von vier Quartalen. So werden sich die TSVG-­Fallkonstellationen in der Regel erst nach einem Jahr nach Inkrafttreten positiv auf das Honorar auswirken.

Stand: 20.11.2019

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Justiziarin
Andrea Schannath

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