Selbstverständlich positiv – für viele Menschen mit HIV keine Option

Heike Gronski. Neue Studienergebnisse zeigen, dass Stigmatisierung und Diskriminierung ­Menschen mit HIV stärker in ihrer Lebensqualität einschränken als die ­Infektion selbst. Dazu gehört auch das Internalisieren von Stigmatisierung. Die Folge sind Gefühle von Schuld, Scham, Angst und ein Leben mit einem Geheimnis. Ein selbstverständliches Leben mit HIV fällt vielen schwer.

Zitierweise: HAUT 2022;33(4):216-217.

Leben mit HIV ist dank medizinischer Fortschritte seit Jahren ohne besondere Einschränkungen gut möglich. Die meisten Menschen mit HIV leben wie alle anderen auch. Sie arbeiten, gründen Familien, reisen und können mit HIV alt werden. Die meisten sterben mit, aber nicht an der Infektion. Selbst die sexuelle Übertragbarkeit ist unter einer funktionierenden HIV-Therapie nicht mehr möglich. Frauen können vaginal entbinden und ihre Kinder auch stillen, ohne sie anzustecken.

Die Lebensqualität von Menschen mit HIV wird heute vor allem durch Vorurteile und Diskriminierung eingeschränkt, nicht durch die HIV-Infektion selbst. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter Menschen mit HIV in Deutschland deutlich. 56 % der Befragten haben in den 12 Monaten vor der Befragung negative Erfahrungen im Gesundheitswesen gemacht. Zum Beispiel wurde der Datenschutz verletzt oder ihnen wurde ein gesonderter Behandlungstermin gegeben. 10 % der Befragten wurden medizinische Leistungen verweigert. Die Folge dieser sich immer wiederholenden Diskriminierungen im Gesundheits­bereich ist, dass 25 % der Befragten ihre HIV-Infektion in der Arztpraxis nicht mehr offen ansprechen. 

Betroffene verschweigen aus Angst ihre HIV-Infektion

Auch im privaten und beruflichen Umfeld machen Menschen mit HIV häufig schlechte Erfahrungen. 55 % haben in den 12 Monaten vor der Befragung mindestens einmal sexuelle Zurückweisung aufgrund ihrer HIV-Infektion erlebt. 76 % sprechen am Arbeitsplatz selten oder nie offen über ihre Infektion. 

Aber nicht nur Diskriminierung schränkt die Lebensqualität von Menschen mit HIV ein. Mehr als ein Viertel der Befragten schämen sich oder fühlen sich schuldig, HIV-positiv zu sein. 70 % fällt es schwer, über ihre Infektion zu reden, 79 % empfinden es als riskant. Mehr als die Hälfte versteckt ihren HIV-Status aktiv vor anderen. 

Seit Jahren arbeitet die Deutsche Aidshilfe mit Kampagnen, die die Öffentlichkeit für die Diskriminierung von Menschen mit HIV sensibilisieren sollen, und räumt mit Mythen rund um das Thema HIV auf. Eine weitere Kampagne nimmt nun auch die Menschen mit HIV selbst in den Fokus. Die Kampagne „selbstverständlich positiv“ wurde von Menschen mit HIV für Menschen mit HIV entwickelt. Ziel ist es, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, offen und ohne Angst mit HIV zu leben. Zu lernen, wie man – im Kleinen wie im Großen, privat wie öffentlich – selbstverständlicher mit der eigenen Infektion umgehen kann. 

Sich zu verstecken kostet viel Energie, schränkt die Lebensqualität ein und kann auf Dauer krank machen. Die Kampagne will dem etwas entgegensetzen. Zentrales Kommunikationsmittel der Kampagne ist der gleichnamige Podcast. Hier kommen Menschen mit HIV zu Wort, die sich auf den Weg in ein offenes und selbstverständliches Leben mit HIV gemacht haben. Sie erzählen ihre Geschichte, um anderen Mut zu machen, aber auch, um Menschen ohne HIV einen Einblick in ihr Leben zu ermöglichen. Das hilft, gesellschaftliche Vorurteile und Vorannahmen abzubauen. Alle 14 Tage erscheint eine neue Folge, die auf den gängigen Portalen zu hören ist.

Fazit

Einen selbstverständlichen Umgang mit HIV zu finden, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dazu gehört, dass alle sich informieren, bevor sie handeln. HIV gehört zu den schwer übertragbaren Infektionen und spielt im Alltag keine Rolle. Dies gilt im Beruf, aber auch bei der medizinischen Behandlung von Menschen mit HIV. Hier reichen die üblichen Hygienemaßnahmen aus und es bedarf keinerlei weiterer Schutzmaßnahmen. Je mehr Menschen mit HIV ein diskriminierungsfreies Leben führen können, desto selbstverständlicher können sie mit der Infektion umgehen. So steigt ihre Lebensqualität und die Gesellschaft nimmt wahr, dass ein Leben mit HIV heute lang, gesund und glücklich sein kann. 

Korrespondenzadresse

Heike Gronski 
Deutsche Aidshilfe e.V.
Wilhelmstr. 138, 10963 Berlin
E-Mail: heike.gronski(ett)dah.aidshilfe.de

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