KIT 2023: Von Stechmücken übertragene Viren in Deutschland

Welche von Stechmücken übertragene Viren gibt es bei uns, welche kommen, und wie können Reisende helfen, ihre Ausbreitung einzudämmen?

Zitierweise: HAUT 2023;34(4):159.

*Der KIT ist der gemeinsame Kongress der Dt. Ges. f. Infektiologie (DGI), der Dt. Ges. f. pädi­atrische Infektiologie (DGPI) und der Dt. Ges. f. Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG).

Dengue-, West-Nil-, oder Chikungunya-Viren werden durch Stechmücken übertragen. Sie zählen zu den Arboviren, die sich weltweit rasant ausbreiten. Aktuell sind Arbovirosen global für etwa 700.000 Todesfälle jährlich verantwortlich. Dies und mehr diskutierten Infekti­ologinnen und Tropenmediziner im Rahmen des 16. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin KIT*.

Asiatische Tiger­mücken und Gelbfiebermücken, die Überträger von Dengue-, Chikungunya- und Zika-Viren, sind wahre Profiteure der Globalisierung und des Klima­wandels. Hinzu kommt ihre hervorragende Anpassungsfähigkeit an urbane Ballungs­räume. „Das hat dazu geführt, dass sich diese beiden Mückenarten in den letzten Jahren über den ganzen Globus ausgebreitet haben. In Europa, auch in Deutschland, breitet sich vor allem Aedes albopictus, die Asiatische Tigermücke, aus“, sagt Prof. Jonas Schmidt-Chanasit,  Hamburg. Aber: Durch sie übertragene Viren wurden hierzulande bisher nicht nachgewiesen. Um Arboviren zu verbreiten, müssten die Stechmücken sie zuvor von einer infizierten Person aufgenommen haben. „Mit dem Fortschreiten des Klimawandels und immer mehr Reisenden, die die Viren mitbringen, wird das auch in Deutschland immer wahrscheinlicher“, so Schmidt-Chanasit. So hat 2019 eine Rekordzahl von fast 1.200 Reisenden das Dengue-Virus nach Deutschland eingetragen. Gleichzeitig kann jeder einzelne dazu beitragen, die Verbreitung hierzulande möglichst zu verhindern: Wer im Sommer aus einem Endemiegebiet zurückkehrt und in einem Bundesland lebt, in dem Tiger­mücken verbreitet sind, sollte im Sommer auch nach der Rückkehr noch für mindestens zwei Wochen konsequenten Mückenschutz betreiben.

Aktuell ist das einzige hierzulande durch Stechmücken übertragene humanpathogene Arbovirus das West-Nil-Virus – es wurde im Sommer 2018 erstmals in Deutschland nachgewiesen. Überträger ist die heimische Hausmücke. „West-Nil-Fieber wird sich hier weiter ausbreiten und in den Spätsommern für Infektionen sorgen – jedoch verlaufen diese fast immer sehr mild, oft sogar unbemerkt“, sagt Schmidt-Chanasit. 

Noch nicht in Deutschland angekommen, aber weltweit stark auf dem Vormarsch, ist Dengue-Fieber. In den letzten 50 Jahren haben sich die Inzidenzen verdreißigfacht. Laut WHO gibt es aktuell rund 100 bis 400 Mio. Infektionen pro Jahr, vorwiegend in Südostasien. „Vorhersagen, die Klima-, Bevölkerungs- und sozioökonomische Daten nutzen, zeigen, dass der Südosten der USA bis 2050 stark von Dengue betroffen sein wird. Auch China und Japan dürften bis 2050 viel stärker betroffen sein als aktuell“, so Schmidt-Chanasit. Seit 2010 kommt es auch in Süd­europa zu autochthonen Übertragungen in den Sommermonaten. Der Verlauf ist bei einer ersten Dengue-Infektion meist unkompliziert – mit allgemeinen Grippesymptomen sowie Knochen- und Gelenkschmerzen– und heilt folgenlos aus. Eine zweite Infektion hingegen verläuft oft schwer. 

„Ein schwerwiegendes Public-Health-Problem stellt zudem Chikungunya-Fieber dar“, so der Virologe. Denn bei etwa 30 bis 40 % der Infizierten folgt auf die akute fieberhafte Infektion eine chronische Ar­thritis, die über Monate anhalten kann. Aktuell ist das Virus in Asien und Südamerika stark verbreitet, seit 2007 gibt es auch in südeuropäischen Ländern immer wieder Ausbrüche.

Impfstoffe in der Pipeline

Seit 2018 gibt es einen in der EU zugelassenen Impfstoff gegen Dengue-Fieber. Die EU-Zulassung ist auf Personen im Alter von 9 bis 45 Jahren, die in einem Endemiegebiet leben und zuvor bereits eine laborbestätigte Dengue-Virus-Infektion durchgemacht haben, beschränkt. Ein weiterer Impfstoff ist in der EU seit 2022 für Personen ab 4 Jahren zugelassen. Derzeit prüfen STIKO und DTG die Wirksamkeit und Sicherheit dieses Impfstoffs, das Ergebnis wird im Herbst erwartet. Ein Impfstoff gegen Chikungunya-Viren wird derzeit in klinischen Studien der Phase III analysiert und steht kurz vor der Zulassung. Gegen West-Nil- und Zika-Viren existieren aktuell keine zugelassenen Impfstoffe für Menschen. „Daher bleibt Stechmückenschutz wichtig“, so Schmidt-Chanasit. Als Schutz gegen die tag­aktiven Aedes-Stechmücken ist das Tragen langer heller Kleidung und das Auftragen von Repellenzien (z. B. mit den Inhaltsstoffen Diethyltoluamid oder Icaridin) wirksam.

Literatur

1. Statement Prof. Schmidt-Chanasit.
2. Vijay Shankar Balakrishnan. WHO launches global initiative for arboviral diseases. THE LANCET Microbe. Newsdesk, Volume 3, Issue 6, June 2022. 
3. Robert-Koch-Institut, Epidemiologische Bulletin, 22/2023, 1. Juni 2023. 
4. Niederfahrenhorst A et al. Wichtige Arbovirosen bei Reiserückkehrern. Dtsch Med Wochenschr 2022;147:755–766. 
5. Messina JP et al. The current and future global distribution and population at risk of dengue. Nat Microbiol. 2019Sep;4(9):1508-1515. doi: 10.1038/s41564-019-0476-8 . Epub 2019 Jun 10. PMID: 31182801; PMCID: PMC6784886.
6. European Center for Disease Prevention and Control ECDC, Factsheet virus disease. Abgerufen 5.6.2023.
7. Robert-Koch-Institut. Stellungnahme der STIKO zum neu-zugelassenen Lebendimpfstoff gegen Dengue (Qdenga). Februar 2023. Abgerufen am 5.6.2023.
8. European Medicines Agency. Dengvaxia. Januar 2022. Abgerufen am 5.6.2023.

Interessenkonflikte

Jonas Schmidt-Chanasit gibt an: Beschäftigungsverhältnis, Teilhabe, Beratertätigkeit oder Zuwendungen für Forschungsvorhaben, Vorträge oder andere Tätigkeiten: GSK, Diasorin, Sanofi, Roche, Takeda, BASF, Euroimmun - Perkin Elmer, Sonic Healthcare, Hermes Arzneimittel, Johnson&Johnson.

Quelle: Online-Pressekonferenz, 16. KIT 2023, 15.6.2023.

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