Neuer validierter Score zur Beurteilung von Schweregrad und Therapieverlauf bei Acne inversa

Mit dem neuen Bewertungssystem „Severity Assessment of Hidradenitis Suppurativa”, kurz SAHS, können Ärztinnen und Ärzte zwischen einfachen, mittelschweren und schweren Formen der Hidradenitis Suppurativa unterscheiden. Im Vergleich zu vorhandenen Scores bietet das neue System wichtige Vorteile, wie zum Beispiel eine Therapieverlaufskontrolle und die gleichzeitige Bewertung patienten-assoziierter Outcomes.

Hidradenitis Suppurativa (HS), im deutschsprachigen Raum auch als Acne inversa bezeichnet, ist eine chronisch-rezidivierende follikuläre Hauterkrankung, die mit Charakteristika einer entzündlichen Systemerkrankung einhergeht. Die HS führt zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität und kann weitere psychiatrische Komorbiditäten wie Angststörungen verursachen. In der Regel ist eine Erstmanifestation der HS in der 2. bis 3. Lebensdekade zu verzeichnen. In circa 30 % der Fälle ist eine positive Familienanamnese vorhanden. Die Diagnose der HS wird klinisch gestellt, spezifische Laboruntersuchungen oder bildgebende Verfahren sind hierzu nicht notwendig.

Drei Kriterien sind für die Diagnose­stellung notwendig:

  • Vorhandensein typischer inflammatorischer Läsionen oder Gewebeschäden (Knoten, Abszesse, Fisteln, Narben)
  • das Auftreten der genannten Läsionen an typischen Lokalisationen; vor allem axillär, inguinal, perianal, gluteal, perineal, submammär
  • eine chronische, regelhaft in Schüben verlaufende Erkrankung mit mindestens 2 Schüben innerhalb von 6 Monaten

Trotz der genannten Kriterien kann die klinische Manifestation der HS sehr polymorph sein und einige Arbeitsgruppen postulieren das Auftreten von verschiedenen Phänotypen. Hierbei ist die exakte Benennung der verschiedenen klinischen Läsionen im Alltag nicht immer einfach. Besonders die Unterscheidung eines inflammatorischen Knotens und eines initialen Abszesses gelingt in der klinischen Routine nicht immer exakt, zumal im Rahmen der HS nicht immer klassische fluktuierende Abszesse auftreten, sondern meist schleichende Übergänge zwischen Knoten und Abszess bestehen.

Die Notwendigkeit einer Unterscheidung ist auch fraglich, da die inflammatorischen Läsionen in der Regel medikamentös therapiert werden, wohingegen irreversible Gewebeschäden wie Fisteln und Narben eine operative Therapie benötigen. Dies unterscheidet die HS deutlich von anderen inflammatorischen Haut­erkrankungen wie z. B. Psoriasis.


Bewertungssysteme der HS

Bislang existiert kein international akzeptierter Score zur Schweregradbeurteilung oder zum Therapieverlauf der HS analog zum PASI bei der Psoriasis.

Hurley Score

Die am weitesten verbreitete Einteilung in drei Schweregrade (leicht, mittelschwer, schwer) ist der sogenannte Hurley Score. Die ursprünglich als rein chirurgischer Score veröffentlichte Einteilung beschreibt das Stadium I mit lediglich vorhandener Inflammation (Nodi und/oder Abszesse), das Stadium II mit rezidivierenden Abszessen sowie Fistelbildung und/oder Narbensträngen, die jedoch eine anatomische Region nicht vollständig befallen, sowie das Stadium III mit der kompletten Durchsetzung einer Region mit Fistelgängen und Narben. Beim Hurley-Score fehlt jedoch eine dynamische Komponente und er eignet sich nicht zur Therapie-Verlaufskontrolle.

Sartorius-Score

Der ebenfalls regelmäßig benutzte modifizierte Sartorius-Score erfasst die Anzahl von entzündlichen Knoten, Abszessen, Fisteln sowie der betroffenen Areale. Zusätzlich werden die Längen-Abstände zwischen den Läsionen erfasst und am Ende zu einem Summen-Score zusammengeführt. Nachteilig sind der Zeitaufwand im klinischen Alltag, sowie das Fehlen Patienten-assoziierter Outcomes wie z.B. Schmerz.

IHS4-Score

Ein rezent beschriebener Score ist der IHS4, bei dem es sich um einen Summenscore handelt, der mittels Delphi Verfahren evaluiert wurde. Hierbei werden inflammatorische Nodi (Anzahl x 1), Abszesse (Anzahl x 2) und sezernierende Fisteln (Anzahl x 4) addiert. Der Score beinhaltet jedoch ebenfalls keine Patienten-assoziierten Outcomes.


Auffallend ist, dass die gängigen Scores strikt eine Unterscheidung zwischen inflammatorischen Läsionen (inflammatorischer Knoten vs. Abszess) fordern, die im klinischen Alltag häufig nicht zu treffen ist. Die Unterscheidung besonders bei multiplen inflammatorischen Läsionen ist nicht nur unsicher, sondern auch sehr zeitintensiv. Darüber hinaus fehlt es an der Implementierung von Score Items wie Schmerz und Schüben („Flares“) der Erkrankung.



Severity Assessment of  Hidradenitis suppurativa (SAHS)

Beiden genannten Problemen wird der neue Score zur Schweregradeinteilung und Therapieverlaufskontrolle der HS gerecht: der Severity Assessment of Hidradenitis Suppurativa (SAHS), der an einem Kollektiv von 355 HS-Patienten validiert wurde.

Hierbei werden nur noch inflammatorische Hautveränderungen, sog. ILOF (Inflammatory lesions other than fistula) und Fisteln unterschieden. Dies erleichtert die Zählung von Läsionen in der klinischen Routine erheblich.

Die Erhebung des Scores  erfolgt einfach in drei Schritten (siehe Kasten):

1. Bewertung der fünf Kategorien:

  • Anzahl betroffener Körperregionen
  • Anzahl an ILOF
  • Anzahl an Fisteln
  • Anzahl an neuen oder exazerbierten Läsionen innerhalb der letzten 4 Wochen
  • Schmerz anhand einer Numeric Rating Scale (NRS) von 0–10 zum Untersuchungszeitpunkt

2. Vergabe der jeweiligen Punkte für die Kategorie und Addition der Punkte

3. SAHS Summe mit Tabelle vergleichen (milde HS: ≤ 4 Punkte, mittelschwer HS: 5-8 Punkte; schwere HS: ≥ 9 Punkte)

Der SAHS ermöglicht hierbei nicht nur eine dynamische Schweregradbeurteilung der HS, sondern wurde in der Arbeit von Hessam et al. auch im Hinblick auf eine medikamentöse Therapieverlaufskontrolle evaluiert.

Somit eignet sich der SAHS neben der klinischen Routine auch für den Einsatz im Rahmen von Studien.

 


SAHS-Score (Severity Assessment of Hidradenitis Suppurativa)

Schmerz (NRS)

0-1

2-4

5-6

≥ 7

 

Schmerz (Numerische Rating-Skala)

                                                             

stärkster 
vorstellbarer 
Schmerz  

5

6

7

8

9

10

 

Modifiziert nach: Hessam S, Scholl L, Sand M, Schmitz L, Reitenbach S, Bechara FG. A Novel Severity Assessment Scoring System for Hidradenitis Suppurativa. JAMA Dermatol. 2018 Feb 7.  doi: 10.1001/jamadermatol.2017.5890


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ZusammenfassungUm die Aktivität der HS zu definieren, wurden in den letzten Jahren verschiedene Bewertungssysteme präsentiert. Aufgrund der vielfältigen Manifestationen und Phänotypen der HS ist es weiterhin eine Herausforderung, einen „perfekten“ Score mit der entsprechenden Praktikabilität für die Anwendung im klinischen Alltag zu entwickeln. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass der SAHS die Entzündungsaktivität einfacher kalkulieren kann, aber ebenso auch Daten zur Belastung der Patienten infolge ihrer Erkrankung erfasst. Dies ist nicht nur für den Alltag in Klinik und Praxis entscheidend, sondern auch von großer Bedeutung für weiterführende zukünftige Forschungsprojekte. Eine Kombination mit weiteren Instrumenten zur Erfassung der Lebensqualität, wie zum Beispiel dem Dermatology Life Quality Index (DLQI), kann für eine umfassendere Evaluation hilfreich sein.

 

Sabat R, Tsaousi A, Rossbacher J, et al., Hautarzt 2017; 68(12): 999–1006.
Hessam S. et al., JAMA Dermatol 2018; 154(3): 330–335.
Kokolakis G, Sabat R, JAMA Dermatol 2018; 154(8): 971–972.
Kirschke J, Hessam S, Bechara FG, Hautarzt 2015; 66(6): 13-422.
Zouboulis CC et al., Br J Dermatol 2017; 177(5): 1401–1409.
Sartorius K et al., Br J Dermatol. 2009;161(4): 831–839.
Sartorius K et al., Br J Dermatol. 2010;162(6):1261–1268.

Korrespondenz­autor:
Prof. Dr. med. Falk G. Bechara
E-Mail: f.bechara@klinikum-bochum.de

 

Falk G. Bechara 1, Cornelia S.L. Müller 2, Georgios Kokolakis3
1  Abteilung für Dermatochirurgie, Klinik für Derma­tologie und Venerologie, Ruhr-Universität Bochum
2 Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/ Saar
3 Psoriasis Forschungs- und Behandlungscentrum, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin

 

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