Das biologische Alter des Gehirns

Mit ihrem BrainAGE-Verfahren können Wissenschaftler des Universitätsklinikums Jena auf der Grundlage von MRT-Daten das biologische Alter des Gehirns bestimmen. Als gut handhabbarer Biomarker ist es ein Maß dafür, wie stark sich schädliche Einflüsse wie vorgeburtlicher Stress und Mangelernährung oder Erkrankungen wie Altersdiabetes auf die Hirnreifung bzw. neurodegenerative Prozesse im Hirn auswirken.

Über vier Jahre beträgt die durchschnittliche vorzeitige Alterung des Gehirns einer Gruppe von männlichen Senioren, deren Mütter im holländischen Hungerwinter 1944/45 in der Frühschwangerschaft waren. So das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlern aus Jena und Amsterdam. Sie ermittelten das biologische Hirnalter der ehemaligen Hungerwinterbabies im Vergleich zu vor diesem Winter Geborenen und zu einer Gruppe von Personen, die erst nach dem Winter gezeugt wurden (n=118, 65 bis 70 Jahre).

Deutliche Ergebnisse

„Uns überrascht die Deutlichkeit des Ergebnisses in der Männergruppe“, so die Studienleiterin Dr. Katja Franke. Die 39-jährige Psychologin arbeitet in der „Structural Brain Mapping Group“ an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Jena. „Erstaunlicherweise wiesen weder geringere Geburtsgröße und -gewicht auf die beschleunigte Hirnalterung hin, noch zeigten sich in der Studiengruppe vermehrt altersbedingte Gefäßerkrankungen.“ Dagegen zeigte die Studie einen Zusammenhang der individuellen Hirnalterung mit dem Alter der Mutter bei der Geburt, dem Kopfumfang und früheren Hirnerkrankungen. Auch Alkoholkonsum, Bluthochdruckbehandlung und die Herzfrequenz erwiesen sich als Einflussgrößen für das biologische Hirnalter. Franke: „Unsere Ergebnisse bestätigen die entscheidende Bedeutung einer ausreichenden Nährstoffversorgung während der Schwangerschaft. Eine vorgeburtliche Unterernährung ist mit der beschleunigten Alterung des Gehirns im höheren Erwachsenenalter verbunden.“ Zudem werden frühere Befunde der Brain-AGE Gruppe untermauert, nämlich dass die Alterungsgeschwindigkeit von der individuellen Struktur des Gehirns abhängt, die sowohl von Geburtsmerkmalen geprägt ist, als auch von Gesundheitsfaktoren im späten Erwachsenenalter.

Rund zehn Jahre BrainAGE

Seit fast zehn Jahren forscht Katja Franke auf dem Gebiet der Bestimmung des biologischen Hirnalters. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit entwickelte und untersuchte sie die BrainAGE genannte Methode. Für diese nutzt sie die Muster in der Gehirnstruktur, die durch die Abnahme der der grauen und der weißen Substanz bei der normalen Alterung entstehen. Wie Altersfältchen im Gesicht sind diese alterstypisch, sichtbar sind sie in Strukturaufnahmen aus der Kernspintomographie. Das BrainAGE-Verfahren wendet Mustererkennungsalgorithmen auf diese MRT-Daten an und kann so mit Hilfe der MRT-Aufnahmen von Gesunden kalibriert werden. „Dabei greifen wir auf MRT-Messungen zurück, die für andere Untersuchungen der Probanden angefertigt wurden. Dadurch ist der Aufwand relativ gering“, so Katja Franke. Im Vergleich zu den altersgerechten dreidimensionalen Strukturveränderungen errechnet das Verfahren dann das biologische Hirnalter als Zahl, einen einfach zu handhabenden Biomarker.

Früherkennung von Alzheimer

Dieser könnte zum Beispiel eine frühzeitige Erkennung und eine verbesserte Prognose von Alzheimer-Demenz ermöglichen. Die Wissenschaftler fanden bei Patienten im Anfangsstadium das biologische Hirnalter um etwa zehn Jahre erhöht gegenüber dem chronologischen Alter. Ihr Interesse gilt auch Patienten, die zwar leichte kognitive Beeinträchtigungen zeigen, bei denen aber noch nicht sicher ist, ob sie an Alzheimer erkranken werden. Das Risiko dafür steigt um zehn Prozent mit jedem Jahr, das das geschätzte Hirnalter dem chronologischen voraus ist. Franke: „Diese Patienten würden höchstwahrscheinlich von präventiven und medikamentösen Therapien, an denen derzeit weltweit eifrig geforscht wird, besonders profitieren. BrainAGE könnte dazu beitragen, diese Risikopatienten zu identifizieren und den Therapieerfolg zu überprüfen.“

 

Katja Franke, et al. Premature brain aging in humans exposed to maternal nutrient restriction during early gestation, Neuroimage, 2017, doi.org/10.1016/j.neuroimage.2017.10.047
James H. Cole, Katja Franke. Predicting Age Using Neuroimaging: Innovative Brain Ageing Biomarkers, Trends in Neurosciences, 2017, doi.org/10.1016/j.tins.2017.10.001

Quelle: Universitätsklinikum Jena

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung