Therapie und Prophylaxe vulvovaginaler Infektionen

In der Scheide siedeln überwiegend Milchsäurebakterien (Laktobazillen) und sorgen für ein gesundes Scheidenmilieu mit einem sauren pH-Wert. Sie sind eine evolutionäre „Wunderwaffe“ gegen vaginale Infektionen und halten andere Krankheitserreger „in Schach“. Gerät die Scheidenflora aber in Ungleichgewicht, können andere Mikroorganismen die Oberhand gewinnen und eine Scheideninfektion auslösen.

Bei einer Entzündung in der Vulvavaginalregion fragen sich viele betroffene Frauen, ob Geschlechtsverkehr die Ursache ist. An den venerischen Erkrankungen HIV und Lues erkranken jedoch meist Männer. So werden in Deutschland jährlich ca. 3.000 HIV-Neudiagnosen gestellt, dabei handelt es sich mehrheitlich um homosexuelle Männer. Die jährlichen Lues-Neudiagnosen liegen bei ca. 7.000, auch hiervon sind Männer 16-mal häufiger als Frauen betroffen.

Sexuell übertragbar sind ebenso Herpes-simplex-, Zytomegalie- und Humane Papillom-Viren (HPV), ebenso wie Hepatitis-B-, -C- und -E-Viren. Falls Impfungen verfügbar sind (z. B. gegen HPV oder Hepatitis B), so sind sie zu empfehlen. Insbesondere Risikogruppen sollten eine Impfung erwägen, dazu gehören z. B. Frauen mit häufig wechselnden Sexualpartnern und einem insgesamt riskanten Lebensstil.

Gezielte Abstrichdiagnostik erforderlich

Corona-Pandemie und Maskenpflicht haben viele Menschen verunsichert und sie fürchten sich vor jeglicher mikrobieller Übertragung. Doch beim Sex kommt es natürlicherweise zu einem beachtlichen Transfer des Mikrobioms: So tauschen Menschen beim intensiven Küssen ca. 80 Millionen Bakterien in 10 Sekunden aus. Beim Koitus ist die hohe Keimzahl im Vaginalsekret zu bedenken (105 bis 108 Laktobazillen pro ml, über 50 verschiedene Arten). Durch die Nähe des Introitus vaginae zum Anus finden sich zusätzlich Darmbakterien im Scheidensekret. Hinzu kommen bei sexuell aktiven Frauen die
Keime des Partners, die mit dem Koitus übertragen werden.

Daher ist die Abstrichdiagnostik an Vulva und in der Scheide sehr gezielt anhand klinisch suspekter Befunde vorzunehmen. Weil zu viele Keimarten vorhanden sind, lassen sich aus dem Abstrich kaum diagnostische Schlüsse ziehen, da „Normwerte“ fehlen. Eher verwertbar sind die Keimzahlen: Ab 105 Keimen pro ml kann eine weiterführende Diagnostik in Erwägung gezogen werden, falls die klinischen Symptome der Frau abklärungsbedürftig erscheinen.

Warum dieser Exkurs? Es gibt einen zunehmenden Boom an molekulargenetischen Vaginom-Tests, die 30 € bis 150 € kosten. Über den Nutzen kommen von den Herstellern/Vertreibern keine Absolutangaben, aber der Umsatz steigt weiter.

Wie irrational wir heute noch mit Informationen zu Scheiden­sekret bzw. Vaginom umgehen, zeigt sich beim Vaginal-Seeding: Bei einer vaginalen Geburt findet es selbstverständlich statt, da es unausweichlich ist, aber bei einer Sectio gibt es noch Widerstände bei der Umsetzung, trotz des gesicherten Nutzens.

Hormonmangel als Ursache

Ein intaktes Vaginom mit ausreichend Laktobazillen ist unter dem Mikroskop auf den ersten Blick erkennbar und geht in der Regel mit
einem beschwerdefreien Vulva­vaginalbereich einher. In der fertilen Phase sollten ausreichend Laktobazillen im Vaginalsekret vorhanden sein. Nach der Menopause verringert sich ihre Anzahl deutlich. In diesem Fall lässt sich bei vulvovaginalen Beschwerden entzündlicher Art mit einer lokalen Östrogentherapie ein Laktobazillen-Status wie vor dem Hormonmangel erreichen. Die Laktobazillen-Populationen erholt sich und bekämpft bzw. verdrängt andere Keime, die Symptome verursachen.

Laktobazillen produzieren Laktat und senken den Scheiden-pH-Wert unter 4,5 mit mikrobiozider und viruzider Wirkung. Dies wird verstärkt durch Stimulierung der H2O2-Produktion und einer Zunahme an antimikrobiellen Peptiden (AMP). Auf diese Weise wird ein mikrobielles Gleichgewicht erreicht, das selbst bei vorübergehenden
externen Störfaktoren dank der Laktobazillen wieder zurückkehrt.

Die Herstellung des Gleichgewichts sollte parallel mit sinnvollen Verhaltensweisen kombiniert werden, wie Verzicht auf Nikotin und besserer Genitalhygiene beider Partner. Bei Bedarf wird ein Hormondefizit ausgeglichen. Damit erübrigt sich meist eine lokale Milchsäure-Therapie, da die Zahl der Laktobazillen wieder auf natürliche Weise ansteigt – mit viel Zusatznutzen.

Bakterienflora Von Hundertausenden an Bakterienarten kennen wir ca. 5.000, rund 1 % von ihnen können Krankheiten beim Menschen auslösen. Fast 2 kg an Bakterien (Anzahl 1012 vs. Körperzellzahl 1014) „bewohnen“ unseren Körper, größtenteils erfüllen sie Aufgaben, die für unser Leben notwendig sind. 99 % von ihnen leben im Darm, können allerdings zum Problem werden, wenn sie andere Organregionen besiedeln, z. B. die Vulvavaginalregion

Trichomonaden und Gardnerella leicht diagnostizierbar

Bewirken Trichomonaden als Einzeller eine Vaginitis mit oder ohne Vulvitis, treten typische Symptome wie Juckreiz und Schmerzen sowie ein grünlich-gelblicher, schaumiger, starker Fluor auf, der „fischig“ riecht. Unter dem Mikroskop sind im Vaginalsekret die typischen „geißelartigen“ Bewegungen der Einzeller erkennbar. Die Therapie sollte vor allem bei Kinderwunsch zügig erfolgen, da sich auch Gebärmutterschleimhaut, Eileiter oder Eierstöcke entzünden können mit möglichen Verklebungen und Verwachsungen, was das Risiko für Eileiterschwangerschaften und Unfruchtbarkeit erhöht. Bei einer Infektion in der Schwangerschaft steigt das Risiko für eine Fehl- oder Frühgeburt.

Zu den beschriebenen Komplikationen kann es auch ohne Beschwerden bei zufälligem Erkennen unter dem Mikroskop bzw. zytologischer Abstrichauswertung des Vaginalabstrichs kommen. Trichomonaden werden in der Regel nur sexuell übertragen. Der Partner ist stets mitzubehandeln, da bei ihm die Trichomonaden über viele Monate und sogar Jahre überleben können. Die Therapie der Infektion erfolgt mit Metronidazol.

Zu einer bakterielle Vaginose kommt es, wenn die Scheidenflora durch eine übermäßige Besiedlung pathogener Keime (meist Gardnerella vaginalis) aus dem Gleichgewicht gerät. Die Infektion kann auch ohne Geschlechtsverkehr auftreten, aber es wird vermutet, dass sie dadurch begünstigt wird. Typisch ist der recht unangenehm nach Fisch riechende Ausfluss. Mit Metronidazol oder Clindamyzin kann erfolgreich behandelt werden. Eine bakterielle Vaginose während der Schwangerschaft erhöht u. a. das Risiko für vorzeitige Wehen und eine Frühgeburt, sie sollte deshalb schnell therapiert werden.

Mykosen – ein klinisch relevantes Problem

Mindestens 75 % aller Frauen erkranken einmal im Leben an einer vaginalen Mykose und sehr oft kommt es zur spontanen Heilung analog zu einer HPV-Infektion. Allerdings können sich vaginale Mykosen auch als schwer behandelbar erweisen, vor allem, wenn es zu Rezidiven kommt, denn leider entwickelt sich keine Immunität. Frauen mit diesem Problem werden dann über viele Jahre in ihre Lebensqualität beeinträchtigt. An chronischen Pilzinfektionen sollen in Deutschland ca. eine Million Frauen im Alter zwischen 15 und 54 Jahren leiden. Meist handelt es sich um den Erreger Candida albicans. Dessen alleiniger Nachweis ohne klinische Symptome bedarf nicht zwangsläufig der Behandlung, ausgenommen sind Frauen, die eine Schwangerschaft anstreben oder bei denen immunsupprimierende Therapien durchgeführt werden bzw. anstehen.

Laktobazillen kommen mit der Koexistenz einer Mykose zurecht, wenn ausreichend Milchsäure gebildet wird, um die Pilze „in Schach“ zu halten, da das intakte Vaginom auch vor pathogenen Keimen schützt. So werden an routinemäßig gezogenen Intrauterinpessaren
Pilze gefunden, ohne dass die Frauen vorher klinische Beschwerden hatten. Oft lassen sich auch im Zahnstein, also in der Mundhöhle, Pilze nachweisen, die nicht mit klinischen Symptomen assoziiert sind. Die lokale Therapie besteht aus Nystatin, Clotrimazol und Miconazol. Stets ist der Partner mitzubehandeln.

Zu dieser Medikation wird oft eine lokale Milchsäure-Applikation auf der Basis von In-vitro-Studien propagiert. Es mag Ausnahmen beim völligen Fehlen von Laktobazillen geben, sinnvoller ist jedoch eine Therapie, die die Zahl der Laktobazillen wieder steigert. Unter dem Einfluss von Östrogen wird in den Scheidenepithelzellen Glukose zu Laktat vergoren und damit der saure pH-Wert hergestellt. Besteht ein Östrogenmangel, hilft lokal angewandtes Östrogen. Die Furcht vor einer lokalen Östrogentherapie ist unberechtigt, denn dieses hat so kurze Bindungszeiten am Östrogen-Rezeptor, dass keine klinischen Probleme entstehen können. Ebenso sollte die Patientin darauf hingewiesen werden, dass der Nikotinkonsum möglichst zu unterlassen und auf ausreichende Genitalhygiene beider Partner zu achten ist.

Vulvovaginale Entzündungen bei Jugendlichen

Bei vulvovaginalen Entzündungen im Jugendalter ist stets an einen
sexuellen Missbrauch zu denken. Die Ärztin bzw. der Arzt sollten immer mit der Jugendlichen ohne Familienangehörige sprechen und fragen, ob die Anwesenheit der Medizinischen Fachangestellten in Ordnung sei (forensisch relevant).

Bei jungen Mädchen, die intensiv Leistungssport betreiben, kann es zur Amenorrhoe kommen. Es liegt dann ein Hormonstatus wie bei der Menopause vor, der Vaginalinfektionen begünstigen kann – bei sehr enger Sportkleidung evtl. mit Vulvitis kombiniert. Eine lokale Östrogensubstitution ist in diesen Fällen nicht ausreichend. Besser geeignet sind Kombinationspillen, um dem hohen Osteoporoserisiko zu begegnen, das ab sechs Monaten Amenorrhoe besteht.

Zusammenfassung

Vulvovaginale Infektionen beeinträchtigen Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Daher sollten sie zeitnah mit Antibiotika bzw. Antimykotika therapiert werden. Da diese Therapien aber auch mit Nebenwirkungen einhergehen können, lohnt es sich, eine „Spontanheilung“ durch die Wiederherstellung des Gleichgewichts der Scheidenflora zu unterstützen, einen gesunden Lebensstil zu empfehlen und die hormonelle Situation bei Bedarf zu verbessern. Den Rest bewirken die „omnipotenten“ Laktobazillen bei sonst gesunden Frauen.

Literatur beim Autor

Prof. Dr. med. Dipl. Psych. J. M. Wenderlein
Universität Ulm
wenderlein@gmx.de

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