Gelenkschonend laufen dank Elektrischer Muskelstimulation

Laufen ist eine der beliebtesten Sportarten in Deutschland. 20 Millionen Deutsche joggen in ihrer Freizeit häufig oder ab und zu – das Verletzungsrisiko dabei ist hoch: Mehr als die Hälfte der Läuferinnen und Läufer verletzen sich mindestens einmal pro Jahr, und gerade Freizeitathleten klagen häufig über Knie- oder Hüftprobleme. Schuld daran ist oft der Laufstil. Eine neue Technologie namens FootStriker ändert nun mit Hilfe Elektrischer Muskelstimulation (EMS) eingefahrene Bewegungsmuster hin zu einem gelenkschonenderen Vor- oder Mittelfußlaufstil.

Das Aufsetzen des Fußes ist ein wichtiges Bewegungselement beim Laufen: Man unterscheidet dabei den Fersenlauf vom Vor- und Mittelfußlauf (Abb. 1). Die Gewohnheit, den Fuß zuerst mit der Ferse aufzusetzen, haben viele Hobbyläufer aus dem Gehen übernommen. Dieser Fersenlaufstil verlangt dem Läufer, vor allem bei langsamem Tempo, weniger Kraftaufwand ab als der Vor- und Mittelfußlaufstil. Jedoch belastet er den Bewegungsapparat beim Aufprall stärker. Dies kann zu Verletzungen an der Wade oder Achillessehne, Über- und Fehlbelastungen und damit einhergehendem vorzeitigem Verschleiß der Knie- und Hüftgelenke führen. Im Vergleich zu Vorfußläufern haben Fersenläufer eine doppelt so hohe Rate an wiederkehrenden Belastungsverletzungen.1


Die gelenkschonende Alternative

Der alternative Vor- und Mittelfußlaufstil verringert den Krafteintrag, der bei jedem Schritt auf die Gelenke einwirkt. So können Verletzungen und Verschleißerscheinungen vermieden werden. Darüber hinaus gilt der Vor- und Mittelfußlaufstil als effizienter und wird von vielen Topathleten praktiziert. Ambitionierte Hobbyläufer versuchen daher, das Abrollen über die Ferse zu vermeiden. Ein eingeübtes und oft praktiziertes Bewegungsmuster abzulegen, ist allerdings ein komplexer und aufwendiger Lernprozess, der oft nur mit Anleitung eines Trainers gelingt.


Elektrische Muskelstimulation für ­unbewussten Lernprozess

Die FootStriker-Technologie soll nun den Läufer mit Hilfe von Elektrischer Muskelstimulation (EMS) dabei unterstützen, den Fersenlauf zu vermeiden. Drei Drucksensoren in der Einlegesohle eines Laufschuhs detektieren, ob der Läufer zuerst mit der Ferse oder dem Vor- oder Mittelfuß auftritt. Kommt er mit der Ferse auf, erzeugt ein medizinisch zertifizierter EMS-Generator elektrische Reize, die über zwei Elektroden auf den Wadenmuskel übertragen werden. Sie stimulieren den Muskel und neigen damit den Fuß in der Schwungphase nach vorne. Durch die so korrigierte Fußstellung landet der Läufer auf dem Vorfuß (Abb. 2).

„Vorfußlaufen ist effizienter und vermeidet spezifische Laufverletzungen wie zum Beispiel das ‚Läuferknie‘“, sagt Dr. Florian Daiber, Projektmanager am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). „Unsere Technologie erweitert das Spektrum an herkömmlichen Trainingsmethoden, um einen neuen Ansatz eines schnellen, effizienten und unbewussten Lernprozesses.“


Erste Studie zeigt Erfolge

Das Team um Daiber hat einen Prototyp des FootStrikers bereits in einer ersten Studie an 18 Fersenläufern in drei Gruppen getestet.2 Der Anteil der Fersenberührungen (Heel Striking Rate, HSR) lag in allen drei Gruppen vor der jeweiligen Intervention bei über 95 Prozent. Dieser verminderte sich durch klassisches Coaching auf 82 Prozent, durch die nicht korrigierende EMS (Kontrolle) auf 94 Prozent. Der Foo­tStriker konnte durch EMS in der Schwungphase den Anteil der Fersenberührungen auf 16 Prozent reduzieren. Nach Beenden der Intervention in der 1-km-Evaluationsphase sank der Anteil der Fersenberührungen in der FootStriker-Gruppe sogar noch weiter auf unter acht Prozent (Details zur Studie: siehe Kasten).

Die Studienteilnehmer empfanden das Tragen der Technik nicht als störend und hatten auch während des Laufs und der EMS keine Schmerzen. Einige berichteten allerdings über Muskelkater. „Dies ist aus unserer Sicht wenig überraschend, da der ungewohnte Laufstil andere Muskeln beansprucht“, erklärt Daiber.

Die Studie zeigt also, dass die unterbewusste Korrektur des Laufstils mittels EMS einen signifikanten Lerneffekt bei der Umstellung auf die neue Lauftechnik hat und in kürzerer Zeit bessere Ergebnisse erzielt als traditionelle Ansätze unter Anleitung eines Trainers.


EMS hat großes Einsatzpotenzial

Wie lange der Lerneffekt anhält, möchten die Wissenschaftler um Daiber in kommenden Studien herausfinden. Entwickelt wurde die Technologie im Innovative Retail Labor (IRL) des DFKI, einer Forschungsgruppe im Bereich Intelligente Benutzerschnittstellen. „Wir sehen nicht nur im Sport großes Potenzial für den Einsatz von EMS, sondern überall dort, wo komplexe motorische Fähigkeiten erlernt werden müssen, zum Beispiel bei der medizinischen Rehabilitation oder in der Physiotherapie“, so Prof. Dr. Antonio Krüger, Wissenschaftlicher Direktor des IRL und Co-Leiter des Forschungsinstituts Bildung Digital an der Universität des Saarlandes. „Grundsätzlich hängt das Anwendungspotenzial bei einem System ähnlich dem FootStriker davon ab, wie gut es Anomalien detektiert und welche Muskelgruppen es zur Korrektur stimulieren soll“, ergänzt Daiber. Mit dem Prototyp des FootStrikers gelingt dies zur Laufstilkorrektur, so dass die Wissenschaftler guter Hoffnung sind, ihre Technologie zeitnah auf den Markt bringen zu können.

 

Dr. Katharina Thier

► Ein (englischsprachiges) Video zur Studie finden Sie unter: https://www.youtube.com/watch?v=OHup3024RNU


1 Daoud AI et al. 2012. Medicine and Science in Sports and Exercise. doi: dx.doi.org/10.1249/MSS.0b013e3182465115
2 Hassan M et al. 2017. Proc. ACM Interact. Mob. Wearable Ubiquitous Technol. doi: doi.org/10.1145/3053332


Quelle: Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH, DFKI

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