Arrhythmien – Therapie im Wandel: Prävention und kardiologische Rehabilitation

Folgen bis hin zu Schlaganfall und plötzlichem Herztod vermeiden: Herzrhythmusstörungen gehören zu den zehn häufigsten Todesursachen und verursachen neben der Herzinsuffizienz die meisten Krankenhausaufenthalte. Wie stellen sich die Herzstiftung und Fachgesellschaften für Kardiologie, Herzchirurgie, Pädiatrische Kardiologie sowie für Prävention und Rehabilitation dieser Herausforderung?

Um Menschen mit einem hohen Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen vor dem Tod durch einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand zu schützen, können Defibrillatoren prophylaktisch implantiert werden. 2021 hat es hierzulande 37.721 ICD-Operationen (Neuimplantationen, Aggregatwechsel, Revisionen) gegeben, zu 61,6 % zur Primärprävention und zu 38,4 % zur Sekundärprävention des plötzlichen Herztodes.

Die Überlebenschancen der meisten vom plötzlichen Herztod Betroffenen hängen allerdings wesentlich davon ab, wie schnell und gut erste Maßnahmen zur Wiederbelebung eingeleitet werden. In Deutschland scheuen sich allerdings noch immer viele Menschen, im Notfall mit einer Herzdruckmassage zu beginnen.

Zwar konnte die Quote der Laienreanimation von rund 14 % im Jahr 2010 auf rund 46 % 2021 gesteigert werden. Allerdings erreichen andere Länder wie Norwegen oder die Tschechische Republik Reanimationsquoten von über 80 %. „Um dies auch in Deutschland zu erreichen, können wir uns an den gut funktionierenden Maßnahmen in den anderen Ländern orientieren“, sagt Prof. Holger Thiele, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK). „Dazu zählen Reanimationsunterricht in Schulen einmal pro Jahr ab der 7. Klasse, verpflichtende Telefonreanimations-Anleitung für Rettungsstellen und die flächendeckende Einführung von App-basierten Ersthelfer-Systemen.“

Die Bevölkerungsaufklärung über Laienreanimation – zum Beispiel durch praktische Unterweisungen von Fußballspielenden – sei unverzichtbar, wenn die Todesrate durch plötzlichen Herzstillstand gesenkt werden solle, fügt Prof. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, hinzu. „Doch darüber hinaus benötigen wir noch weitere effektive Instrumente“, fordert er. Vorbild könnten Initiativen in den USA wie „Early Heart Attack Care“ sein. Diese schult Laien, bedrohliche Symptome eines plötzlichen Herztods zu erkennen, die sich bereits Tage und Stunden vor dem Ereignis bemerkbar machen können, und dann richtig zu handeln.

Stiefkind Prävention

Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass u. a. noch bestehende Defizite in der Prävention und zu späte Di­agnostik von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wohl dafür ursächlich sind, dass Deutschland bei der durchschnittlichen Lebenserwartung im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern weit hinten steht.* Deshalb sind sich Herzstiftung und alle herzmedizinischen Fachgesellschaften einig, dass mehr in die kardiovaskuläre Vorsorge investiert werden muss.

„Herzrhythmusstörungen und auch der plötzliche Herztod entstehen überwiegend durch Herzerkrankungen und die genannten Risikofaktoren, die alle einer primären, sekundären und tertiären Prävention zugänglich sind“, unterstreicht Dr. Eike Langheim, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR). In Deutschland sei nicht ausreichend geklärt, durch wen, wann und wie Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erreicht werden könne.

Reha-Angebot kaum genutzt

Erneut zeigen die Zahlen des Deutschen Herzberichts, dass kardiologische Rehabilitation allgemein nicht ausreichend genutzt wird. „Zwar überblickt der Herzbericht rund 1,6 Millionen stationäre kardiologische Krankheitsfälle, jedoch nicht einmal 100.000 Fälle erreichen eine stationäre oder ambulante Rehabilitation”, so Langheim.

Herzinsuffizienz begünstigt Herzrhythmusstörungen

Die Herzschwäche kann mit Herzrhythmusstörungen aus dem Vorhof wie Vorhofflimmern oder seltener aus der Herzkammer wie Kammerflimmern einhergehen. Vorhofflimmern kann Grund- oder Begleiterkrankung der Herzschwäche sein. Daher ist der Diagnose- und Therapiebedarf für diese Rhythmusstörung besonders hoch. Immer mehr Einzug in die Kardiologie hält die Katheterablation zur Beseitigung der Rhythmusstörung direkt am Herzen. Im Jahr 2021 stieg die Anzahl der Katheterablationen mit 102.737 deutlich an (2020: 94.172).

In Kombination mit einem herzchirurgischen Eingriff können bekannte Herzrhythmusstörungen wie das Vorhofflimmern durch eine gleichzeitige Ablation behoben werden. „Bei Patientinnen und Patienten, die sich einer Herzoperation an der Aorten- oder Mitralklappe unterziehen und bei denen Vorhofflimmern besteht, kann und sollte bei diesen Operationen begleitend eine Ablationstherapie durchgeführt werden“, betont Prof. Volkmar Falk, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG).

Schrittmacher- und Defi-Therapie

Seit vielen Jahren sind unterschiedliche Therapiesysteme wie Herzschrittmacher, implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren (ICD) oder kardiale Resynchronisationssysteme (CRT) etabliert. Sie werden in kardiologischen und herzchirurgischen Einrichtungen eingebracht. Komplexe Herzschrittmacher (CRT-P; CRT-D), die zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) implantiert werden, sind für Menschen mit chronischer Herzpumpenschwäche, auffälligen EKG-Veränderungen, insbesondere in Form eines Linksschenkelblocks und deutlich verzögerter Herzkammer-Erregung (QRS >150 ms), eine wichtige Behandlungsoption. „Diese speziellen Herzschrittmachersysteme, die die Kontraktion der unterschiedlichen Wandabschnitte des Herzmuskels koordinieren, können die Herzpumpleistung verbessern“, erklärt Falk.

Reha für leidende Psyche nach Implantation von ICD

Herzrhythmusstörungen, die primär- oder sekundär­prophylaktische Implantation von ICD und das Überleben des plötzlichen Herztodes hinterlassen ausgeprägte Verunsicherungen. Oft verbleiben erhebliche psychische Begleiterkrankungen wie Angsterkrankungen, Depression und posttraumatische Belastungen sowie Einschränkungen der beruflichen und sozialen Teilhabe. „Diese Patientengruppe zeigt einen hohen Beratungsbedarf und benötigt nicht selten eine zusätzliche psychologische oder optimalerweise psychokardiologische Betreuung bis hin zur umfassenden Psychotherapie“, berichtet Langheim.

Zu selten genutzt: Reha-Potenziale für Herzrhythmus-Patienten

Die Leistungen und Potenziale der kardiologischen Rehabilitation auch im Zusammenhang mit Herzrhythmusstörungen werden zu selten genutzt, wie der Herzbericht zeigt:

  • Bei 447.485 stationären Behandlungsfällen wegen Herzrhythmusstörungen und 102.737 Ablationen in Deutschland im Jahr 2021 gab es in der Rehabilitation 5.508** gezählte Rehabilitationen mit der Hauptdiagnose Vorhofflimmern.
  • Es erfolgten 2021 zwar 37.721 ICD-Eingriffe, jedoch nur 2.305** Fälle werden in der Rehabilitationsstatistik des Deutschen Herzberichts genannt.
  • Der Zahl der vollstationären Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz von 438.589 steht die Zahl von nur 6.680** Rehabilitationen mit Hauptdiagnose Herzinsuffizienz/Kardiomyopathie gegenüber.

Dass eine Reha so selten genutzt werde, kann Langheim schwer nach­voll­ziehen. Die Studienlage zeige eindeutig, dass durch Rehabilitationsmaßnahmen und durch das Etablieren eines körperlichen Trainings kombiniert mit einer Verbesserung des Lebensstils die Symptomatik von Herzrhythmusstörungen, Angstreaktio­nen sowie auch Rezidivraten nach Ablationsbehandlungen positiv beeinflusst werden. Diese Diagnosen sollten durch die Kostenträger der Rehabilita­tion in den Katalog zur Indikation von Rehabilitationsmaßnahmen aufgenommen und die Betroffenen sollten wesentlich häufiger einer Rehabilitation zugeführt werden, fordert Langheim.

Originalpublikation:

* Jasilionis D et al. Eur J Epidemiol 2023;38(8): 839–850. DOI: 10.1007/s10654-023-00995-5

** Der Datensatz ist durch fehlende Teilnahme an der Reha-Befragung für 2021 (63 von 93 angeschriebenen Kliniken haben Daten geliefert) nicht ganz vollständig.Selbst bei einer Verdopplung der Rehabilitationszahlen wäre die Nutzung der Rehabilitation weiterhin gering

Quelle: Deutsche Herzstiftung/Deutsche Stiftung für Herzforschung

Zusammengefasst von phi

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