Nummern 807 und 860 GOÄ: Wie oft abrechenbar?

Zu den Nummern 807 und 860 GOÄ wird häufig die Berechnung moniert, wenn diese Ziffern mehrfach auf der Rechnung stehen.

Wichtig
  • Die Nrn. 807 bzw. 860 GOÄ sind „einmal im Behandlungsfall“ berechenbar
  • Als Behandlungsfall gilt aber nicht wie bei den Grundleistungen der Zeitraum eines Monats, sondern der Krankheitsfall
  • Eine „Faustformel“ für den Zeitraum, nach dem die Leistungen wieder ­berechnet werden können, gibt es nicht. Vielmehr sind die nachstehenden Erfordernisse zu beachten
  • Wenn sich z. B. nach einem therapie­freien Intervall eine erneute Behandlungsbedürftigkeit zeigt und eine erneute Exploration medizinisch notwendig ist, dürfen die Anamneseerhebungen trotz des Weiterbestehens derselben Diagnose­ wieder neu erbracht und ­berechnet werden
  • Ebenso ist eine Neuberechnung möglich, wenn sich innerhalb desselben Krankheitsfalls der Charakter der ­Erkrankung derart gravierend geändert hat, dass eine erneute Exploration ­erforderlich ist. Dies ist besonders bei längeren Verläufen nicht selten. Es ist aber kritisch zu prüfen, ob es sich inhaltlich nur um eine weitere Sitzung derselben Anamneseerhebung handelt
  • Bei Mehrfachberechnung unter Fortbestehen der Diagnose, können Sie in der Rechnung eine kurze Erläuterung geben. Zwingend ist dies aber nicht. In jedem Fall sollten Sie das Erfordernis der neuen Leistung gut dokumentiert haben

Die Auseinandersetzungen entstehen dadurch, dass beide Leistungen in der Abrechnung auf „einmal im Behandlungsfall“ begrenzt sind:
Nr. 807 GOÄ: Erhebung einer biographischen psychiatrischen Anamnese bei Kindern oder Jugendlichen unter Einschaltung der Bezugs- und Kontaktpersonen mit schriftlicher Aufzeichnung, auch in mehreren Sitzungen, 400 Punkte
Die Leistung nach Nummer 807 ist im Behandlungsfall nur einmal berechnungs­fähig.
Nummer 860 GOÄ: Erhebung einer biographischen Anamnese unter neurosenpsychologischen Gesichtspunkten mit schriftlicher Aufzeichnung zur Einleitung und Indikationsstellung bei tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie, auch in mehreren Sitzungen, 920 Punkte
... Nummer 860 ist im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig
... neben 860 nicht Nrn. 807 und 835

Definiert ist der „Behandlungsfall“ in der allgemeinen Bestimmung vor Abschnitt „B“ der GOÄ. Dort gilt die Monatsfrist bei derselben Diagnose. Das ist auf die angeführten Leistungen aber nicht übertragbar, denn in der Regel ist es nicht sinnvoll, diese Leistungen schon nach der kurzen Frist von einem Monat zu wiederholen. Außerdem spricht die relativ hohe Bewertung insbesondere der Nr. 860 GOÄ im Vergleich zu Beratungsleistungen des Abschnittes B dagegen, dass hier derselbe Behandlungsfall gelten würde.

Der „Behandlungsfall“ bei den Nrn. 807 und 860 GOÄ ist deshalb als „Krankheitsfall“ zu verstehen.

Das heißt aber nicht, wie es manche Kostenträger möchten, dass die Nrn. 807 beziehungsweise 860 ohne Diagnosewechsel auch innerhalb eines längeren Zeitraums nicht erneut berechenbar wären. Um dem zu begegnen, hilft ein Blick auf den § 1 GOÄ. Der sagt, dass der Arzt nur „medizinisch Notwendiges“ berechnen dürfe (außer, der Patient habe mehr verlangt). Im Umkehrschluss gilt dadurch, dass der Arzt „medizinisch Notwendiges“ berechnen darf – es sei denn, die GOÄ enthielte eine eindeutige Beschränkung.

Das ist hier nicht der Fall und ob ein neuer­ Krankheitsfall vorliegt, bestimmt sich nach der medizinischen Notwendigkeit, die Leistung erneut zu erbringen.

Mögliche Neuberechnung

Zum einen gibt es die Möglichkeit, dass sich bei derselben Diagnose nach einem therapiefreien Intervall eine erneute Behandlungsbedürftigkeit zeigt, die zunächst eine neue psychiatrisch/psychotherapeutische Anamneseerhebung notwendig macht. Zum anderen kann sich auch innerhalb einer Therapie der Charakter der Erkrankung derart geändert haben, dass eine erneute ausführliche Exploration der biographischen Anamnese erforderlich ist. Dies ist besonders bei längeren Verläufen nicht selten. Ob die Notwendigkeit einer völligen Neuerhebung (eines Neuansatzes der Nr. 807 bzw. 860) gegeben ist, ist aber inhaltlich kritisch und verantwortlich zu prüfen, da die Leistungen ja auch auf „auch in mehreren Sitzungen“ abstellen.
Es ist also so, dass weder die pauschale Ablehnung einer erneuten Berechnung, noch ein schematischer Mehrfachansatz der richtige Weg ist. Vielmehr bedarf es einer differenzierten Betrachtung und der Abwägung im Einzelfall.

Wenn die Umstände des Einzelfalls einen Mehrfachansatz der Nr. 807 beziehungsweise 860 im Krankheitsfall berechtigt sein lassen, kann man Einwänden eventuell vorbeugen, indem man in der Rechnung eine kurze Erläuterung aufnimmt. Auf jeden Fall sollte (nicht nur für eventuelle Streitfälle) die erneute Notwendigkeit der Anamneseerhebung aus der Dokumentation nachvollziehbar sein.

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