Bürokratie: Der Protest in Hessen geht weiter

Komplexen Regelungen, komplizierte Formulare, die Einführung neuer Pflichtanwendungen der Telematikinfrastruktur, die mehr Zeit fressen als einsparen: Der Bürokratieaufwand in den Arztpraxen steigt immer weiter. Mit Blick darauf forderten hessische Ärzteverbände Ende Mai die Politik zum Handeln auf.

Mit Blick auf die zunehmende Bürokratie in deutschen Arztpraxen, forderten der Hausärzte­verband Hessen, die Berufsverbände der hessischen Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sowie der Fachärzte und Psychotherapeuten an ihrem siebten Protesttag am 31. Mai die Politik zum Handeln auf. „Das Gesundheitssystem krankt an überbordender Bürokratie, die uns die Zeit und die Ressourcen für unsere Patientinnen und Patienten stiehlt“, so Christian Sommerbrodt, erster Vorsitzender des Hausärzteverbands Hessen. „Auch der hohe Bürokratieaufwand hindert junge Ärztinnen und Ärzte daran, sich niederzulassen“, so der Hausarzt aus Wiesbaden. Deshalb gefährde nicht zuletzt die Bürokratie in den Praxen die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten.

Mehraufwand durch unausgereifte Digitalisierung

„Wir wollen unausgereifte Telematikinfrastruktur-Lösungen, die unter Strafandrohung über der Ärzteschaft ausgerollt werden und zeitlichen Mehraufwand ohne Nutzen für die Volksgesundheit verursachen, nicht länger hinnehmen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Initiatoren der Protesttage. „Allein die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) verursacht einen Zusatzaufwand in Höhe von mehr als einer Million Arbeitsstunden pro Jahr in den Praxen“, erläutert Sommerbrodt mit Blick auf den Bürokratieindex für die vertragsärztliche Versorgung (BIX), den die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam mit der Fachhochschule des Mittelstands bereits im November 2022 veröffentlicht hatte.

Grundübel Bürokratie in der Arztpraxis

Ein Problem im Gesundheitssystem sei die Belastung durch eine Vielzahl medizinfremder Tätigkeiten, vor allem durch den vorgeschriebenen Dokumentationsaufwand, sagte auch Dr. Burkhard Voigt, stellvertretender Landesvorsitzender des BVKJ.

Laut BVKJ wendet eine durchschnittliche Praxis 30 % ihrer Arbeitszeit für „unsinnige“ Bürokratie auf. Sommerbrodt nennt ein Beispiel aus der Zeit der Corona-Pandemie, die alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in eine nie dagewesene Ausnahmesituation gebracht habe: „Es gibt bis heute für jeden Corona-Impfstoff eine eigene Abrechnungsziffer, bei anderen Impfstoffen ist das nicht der Fall“, so der Hausarzt.

Die Initiatoren der Protesttage nennen in ihrer gemeinsamen Erklärung weitere Beispiele:

  • Früher ein- bis zweistellige Abrechnungsziffern sind inzwischen fünfstellig, mit komplexen Ausschlussregelungen, die im Praxisalltag zu erhöhtem Kontrollaufwand führen.
  • Krankengymnastik konnte früher auf dem normalen Kassenrezept verordnet werden. Inzwischen sind dafür komplizierte Heilmittelrezepte erforderlich, die das Schreiben entsprechender Verordnungen erschweren.
  • Auf Abrechnungsformularen der Deutschen Rentenversicherung muss innerhalb von zwei Zeilen zweimal das aktuelle Datum eingetragen werden.
  • Für die elektronische AU und für das elektronische Rezept müssen zusätzlich Ausdrucke erstellt werden, die unterschrieben werden müssen.
  • Der Konsiliarbericht für Psychotherapie stellt in der jetzigen Form als Relikt aus grauer Vorzeit ein weitgehend überflüssiges Ärgernis dar.

„Es geht uns darum, die medizinische Versorgung für die Menschen in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Viele Praxen sind aber durch die aktuelle Situation schon längst an den Rand ihrer Belastbarkeit geraten“, kritisieren Sommerbrodt und Voigt.

Quelle: Hausärzteverband Hessen e. V.

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