Bedürfnisorientierte Mitarbeiterführung – Wie erkenne ich die Bedürfnisse meiner MFA?

In der Praxis geht es um die Bedürfnisse der Patientenschaft: um diese kümmern Sie sich, um diese geht es, dafür ist die Praxis da. Bedürfnisorientierte Mitarbeiterführung beschreibt einen Führungsstil, der durch das Erkennen von Bedürfnissen hinter bestimmten Verhaltensweisen darauf abzielt, Unzufriedenheit im Team vorzubeugen. Fünf Führungskompetenzen können dabei helfen, die Bedürfnisse Ihrer Praxismit­arbeitenden leichter zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren.

 

HintergrundMenschen haben Bedürfnisse. 
Alle Menschen. Werden Bedürfnisse nicht gestillt, entsteht ein Mangelgefühl. Mangelgefühle können auch mit „Unzufriedenheit“ übersetzt werden: Erleben wir einen Mangel, sind wir im Un-Frieden mit dem, was ist. Uns Menschen wohnt wiederum der Antrieb inne, nicht zufrieden­gestellte Bedürfnisse zu stillen; Wege zu finden, dieses Empfinden von Inkongruenz zu befrieden und zu beseitigen. 

Zufriedene Menschen erbringen bessere Leistung, sind loyaler und teamfähiger. Von uns selbst wissen wir, dass uns die Dinge besser von der Hand gehen, wenn wir uns wohl fühlen. Vorübergehend lassen sich Missstände aushalten, kurzfristig können wir mit Über- oder Unterforderung leben. Wir sprechen hier nicht über kurzfristige Unpässlichkeiten, sondern über langanhaltende Zustände, die auf den Menschen einen ungünstigen Einfluss haben (können). 

Die Unzufriedenheit von Menschen spielt sich meist nicht nur unsichtbar im Inneren der betreffenden Person ab, sondern zeigt sich üblicherweise auch ihrer Umwelt, mehr oder weniger deutlich. Als erfahrene/r Praxisinhaberin oder Praxisinhaber* wissen Sie genau, welche Wirkung es hat, wenn nur einer Ihrer Mitarbeitenden immer wieder schlechte Stimmung verbreitet und damit Unruhe ins Team bringt. Hier sind Sie gefragt, einzugreifen und in eine günstigere Richtung zu lenken, Einhalt zu gebieten und ggf. Konsequenzen zu ziehen. Ab wann ist welches Eingreifen nötig? Woran erkenne ich, was ich als Führungskraft zu tun habe? 

Jedes menschliche Verhalten beruht auf einem dahinterstehenden Bedürfnis, das den Impuls für eben dieses Verhalten gibt. Sei es die warme Jacke, die Sie überstreifen, sei es das Glas Wasser, das Sie trinken, oder auch die Anweisung, die Sie einem Mitarbeiter erteilen: Alle diese Handlungen werden von – häufig unbewussten – Bedürfnissen gespeist. Was beim Glas Wasser relativ einleuchtend ist, ist bei auffallend häufiger Absenz von Mitarbeitenden oder dem chronisch deplatzierten Tonfall oft erst auf den zweiten Blick oder nach dem x-ten Gespräch erkennbar. Doch es lohnt sich, sich die Mühe zu machen, auf Spurensuche zu gehen, welches Bedürfnis, welcher Mangel dahintersteckt, um chronischer Unzufriedenheit und daraus entstehenden Konflikten vorzubeugen. Hierbei sind die folgenden Kompetenzen nützlich.

1. Führungskompetenz: Grundbedürfnisse kennen

Wir Menschen werden von zwei Grundbedürfnissen angetrieben – dem nach Sicherheit und dem nach Liebe. „Sicherheit“ betrifft die überlebenswichtigen Bedürfnisse wie das Dach über dem Kopf, Nahrung, Wärme, Geld, Sicherheit des Arbeitsplatzes, usw. „Liebe“ bezieht sich auf soziale Bedürfnisse: Zuwendung, Freundschaft, Familie, Anerkennung, Lob, und natürlich auch die Einbindung in eine oder mehrere menschliche Gruppen, beispielsweise dem Team. Sie sehen, auch die Zugehörigkeit zu der Praxis bedient letztlich diese beiden Grundbedürfnisse, die in manchen psychologischen Modellen als „Säulen“ des Lebens beschrieben werden. „Schwächelt“ eine dieser Säulen, entstehen schnell Verunsicherung und Angst. Diese Gefühle wiederum aktivieren das Reptiliengehirn und als Reaktion den Kampf- oder Fluchtreflex. 

  • In KürzeFünf Kompetenzen können nützlich sein, um Bedürfnisse hinter Verhaltensweisen der Praxismitarbeitenden zu erkennen. Ziel ist es, chronischer Unzufriedenheit und potenziellen Konflikten im Team vorzubeugen.
  • Auch die Zugehörigkeit zu der Praxis bedient die zwei Grund­bedürfnisse Sicherheit und Liebe.
  • Bedürfnisse hinter Verhaltensweisen zu erkennen braucht Menschenkenntnis, Lebens­erfahrung, Selbstreflektion und gelungene Kommunikation.
  • Gezielte Gesprächsführung: Nachfragen, Kontakt aufbauen, strukturierte Mitarbeitergesprächen, Interesse und Empathie, Lob und Anerkennung als 
  • Führungsinstrument nutzen.
  • Regelmäßiger Austausch, frühzeitiges Angehen von Konflikten, klare Strukturen und hin und wieder ein „Bonbon“, etablieren ein vertrauensvolles Praxisklima.
  • Werte der Praxis im Praxisteam durch Gespräche verankern und vorleben.

2. Führungskompetenz: Menschenkenntnis und -erkenntnis

Jeder Mensch verfügt über Eigenarten, Besonderheiten, „Macken“ – je mehr er sich derer bewusst ist, desto eher kann er sie verändern. Eine selbstreflektierte und selbst­kritische Führungskraft gilt als glaubwürdiger und authentischer als eine, die stets eine perfekt anmutende Fassade hoch hält oder für die eigenen Fehler blind ist, dabei jedoch Andere scharf kritisiert. Je mehr wir uns mit unseren eigenen „Defiziten“ auseinandersetzen, desto mehr entwickeln wir Verständnis für unsere Mitmenschen (und Mitarbeitenden). Desto leichter fällt es, die Ursachen für Verhalten zu verstehen und Menschen mit ihren Stärken und Schwächen einzuschätzen. Bedürfnisse hinter Verhaltensweisen zu erkennen ist eine Frage von Menschenkenntnis, Lebenserfahrung, Selbstreflektion und gelungener Kommunikation.

3. Führungskompetenz: Wertschätzende Kommunikation

Natürlich keine Neuigkeit, jedoch immer noch Dreh- und Angelpunkt für erfolgreiche Zusammenarbeit und gute Leistungen. Was tun, wenn Sie nicht sicher sind, was die Mitarbeitenden bewegt und worin der Grund für ihr Verhalten liegt? Sinnvoll und gezielt Gespräche führen. Immer wieder, von kurzen „Nebenbei-Gesprächen“, Nachfragen, Kontakt aufbauen, bis hin zu strukturierten Mitarbeitergesprächen. Kluge Fragen stellen. Interesse und Empathie bekunden. Lob und Anerkennung geben – ein nicht zu unterschätzendes und unabdingbares Führungsinstrument (s. Führungskompetenz 1 Grundbedürfnisse). 
Auch nach wiederholten Gesprächen bleibt unklar, was der betreffende Mitarbeiter braucht? Geduld. Dranbleiben. Noch mehr kluge Fragen stellen. Klare Zielvorgaben geben:

Wo geht es hin? Gerade in Umbruchssituationen und Krisenzeiten braucht der Mensch Orientierung und Sicherheit. Dazu, wie das alles noch erfolgreicher geht, können Sie sich zusätzlich Unterstützung holen, z. B. mit Literatur oder einer sinnvollen Fortbildung. 

4. Führungskompetenz: Vertrauensvolles Praxisklima

Menschen sind Herdentiere – wir brauchen einander, ob wir das wollen oder nicht. Genialerweise werden in einer „gesunden Herde“ beide Grundbedürfnisse gleichzeitig gestillt, Sicherheit und Zusammengehörigkeit. Eine Praxis führt dies exemplarisch in einer weiteren Dimension vor: Mediziner* brauchen ihre Mitarbeitenden für die täglichen Abläufe, und diese wiederum brauchen sie, denn ohne sie gäbe es die Praxis natürlich nicht. Ein Praxisklima, das von gegenseitigem Vertrauen und Rückhalt geprägt ist, entsteht nicht über Nacht, sondern will langfristig aufgebaut und gepflegt werden. Regelmäßiger Austausch, frühzeitiges Angehen von Konflikten, klare Strukturen und hin und wieder „Bonbönchen“, das sind wesentliche Wirkungsfaktoren für ein Teamklima, das die Grundbedürfnisse aller stützen und den Erfolg der Praxis steigern kann. 

5. Führungskompetenz: Identifikation mit der Praxis 

„Sinnstiftend“ ist ein Wort, das in den letzten Jahren häufig in den Medien zu finden war. Menschen suchen letztlich Sinn in dem, womit sie ihre Lebenszeit verbringen. Sie arbeiten lieber und besser, wenn sie sich mit dem identifizieren, was sie tun. Welche Werte vertreten Sie? Wofür steht Ihre Praxis? Ist dies nach außen hin sichtbar, sowohl für das Team, als auch für die Patientenschaft? Entwickeln Sie eine klare Vision für die Praxis sowie Werte, hinter denen das Team gerne und mit Überzeugung steht. Sprechen Sie mit den Mitarbeitenden darüber – die Werte auf der Webseite nützen wenig, wenn sie nicht immer wieder ins Bewusstsein gerückt und verankert werden. Wenn Sie diese Werte vorleben, macht Sie das glaubwürdig und lässt Sie ein nachahmenswertes Vorbild sein.

Fazit

Mit diesen fünf Führungskompetenzen wird es noch besser gelingen, die Bedürfnisse der Praxismitarbeitenden zu erkennen und auf sie zu reagieren. Für ein zufriedenes Praxisteam, für zufriedene Patienten, für zufriedenstellende und erfolgreiche Zusammenarbeit.

* Zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird hier allein die maskuline Form verwendet, selbstverständlich sind hiermit alle Geschlechter angesprochen.

Nadja van Uelft
Leading with Aikido
Leadership-Coach. Führungstrainerin. Speakerin.
Lehrbeauftragte der 
Hochschule für Medien, 
Kommunikation und Wirtschaft HMKW in Berlin
www.nadja-van-uelft.de

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