Das MVZ – Chancen und Risiken

Als die Organisationsform Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) im Jahr 2004 gesetzlich verankert wurde, war es die primäre Zielsetzung, die integrierte Versorgung zu stärken. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit sollte dafür Sorge tragen, dass die Patientinnen und Patienten eine Gesamtversorgung unter einem Dach erhalten und Überweisungen an Kolleginnen und Kollegen nicht mehr notwendig sind. Seitdem wächst die Zahl der MVZ. Zu erwarten ist, dass der Anteil der Vertragsärztinnen und -ärzte, die sich für die Gesellschaftsform des MVZ entscheiden, sehr stark zunehmen wird. Aber was sind die Vor- und Nachteile?

Im Gründungsjahr gab es zehn MVZ. Bis zum Jahr 2019 ist die Zahl auf ca. 2.900 MVZ gestiegen. Insbesondere die Möglichkeit seit 2016, fachgleiche MVZ gründen zu dürfen, sorgte für einen signifikanten Anstieg der Zahlen. In 2019 gab es 1.592 MVZ mit einem Krankenhaus als Träger im Vergleich zu 1.300 MVZ, die von Vertragsärztinnen und -ärzten gegründet worden sind.

Rechtliche Aspekte

Die gesetzliche Grundlage für MVZ bildet der §95 des SGB V. Hierbei ist zu beachten, dass nur die Gründungsberechtigten als Gesellschafterinnen und Gesellschafter tätig sein dürfen. Berechtigt, an der medizinischen Versorgung teilzunehmen, sind: 

  • zugelassene Ärztinnen und Ärzte
  • Psychotherapeutinnen und -therapeuten
  • Krankenhäuser
  • nichtärztliche Erbringer von Dialyseleistungen und gemeinnützige Träger, die dazu berechtigt sind
  • Kommunen 

Damit ein MVZ zur medizinischen Versorgung zugelassen werden kann, muss ein Antrag an den Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) für den Ort der Niederlassung gestellt werden. Vorausgesetzt wird, dass mindestens zwei vertragsärztliche halbe Zulassungen vorliegen. Außerdem muss ein Gesellschaftsvertrag vorgelegt und eine ärztliche oder psychotherapeutische Leitung benannt werden. Des Weiteren muss jeder der Gesellschafterinnen und Gesellschafter eine Bürgschaft für die Forderungen der zuständigen KV übernehmen.

Steuerliche Aspekte

Im Sinne des Steuerrechts gibt es unterschiedliche Besteuerungskonzepte zwischen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft. Ist das MVZ als Personengesellschaft organisiert, unterliegt die einzelne Gesellschafterin bzw. der Gesellschafter mit dem anteiligen Gewinn der Einkommensteuer. In Form der Kapitalgesellschaft entstehen Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer. Die Gewinnausschüttung an die Gesellschafter dagegen wird mit dem persönlichen Steuersatz versteuert. Da die Gesellschaftsform unbedingt auch unter Berücksichtigung des steuerlichen Aspekts gewählt werden sollte, sollten die genauen Regelungen mit der Steuerberaterin oder dem Steuerberater geklärt werden.

Motive für die Gründung

Die Anzahl der Einzelpraxen in Deutschland ist auch weiterhin rückläufig, insbesondere bei den Hausärztinnen und -ärzten ist dieser Trend am deutlichsten feststellbar. Immer mehr Ärztinnen und Ärzte entschließen sich für die gemeinsame Berufsausübung mit Kolleginnen und Kollegen in größeren Praxisstrukturen. Dies auch noch immer in Form von Gemeinschaftspraxen, jedoch nehmen die MVZ seit ihrer Einführung im Jahr 2004 stark zu. 

Deutlich feststellbar ist bei den jungen Ärztinnen und Ärzten auch der Trend zum Angestelltenverhältnis. Hier kommen verschiedene Faktoren zum Tragen. Einer zunehmend älter werdenden Ärzteschaft steht auch eine älter werdende Gesellschaft gegenüber, die eine entsprechende gesundheitliche Versorgung benötigt. Auf der anderen Seite stehen aber die Bedürfnisse der „neuen“ Ärztegeneration, bei denen eine gute Work-Life-Balance einen größeren Stellenwert hat und die Familie und Beruf in einen harmonischen Kontext stellen möchten. Weiterhin wird der medizinische Beruf zunehmend von Frauen ausgeübt, sodass auch dies ein entscheidendes Merkmal für die Praxisorganisation darstellt, denn gerade hier ist die Familiengründung in der Lebensplanung enthalten. Im ländlichen Raum sorgt der Ärztemangel für eine besondere Problematik, die es zu lösen gilt. Last but not least führt der zunehmende Kostendruck zu notwendigen Lösungen bis hin zu Synergieeffekten, die häufig in Form eines Zusammenschlusses gesehen werden.

Die Vorteile des MVZ

Die Vorteile sind vielschichtig und beziehen sich auf verschiedene Ebenen. Beim Thema Marketing und Positionierung präsentiert sich das MVZ mit einem Namen, der unabhängig von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten für Kontinuität steht. Ein möglicher Arztwechsel stellt somit keine Komplikationen in der Außendarstellung dar. Das MVZ steht für sich!
Daneben ermöglicht das MVZ eine Berufsausübung im Angestelltenverhältnis. Damit sind flexiblere Beschäftigungsmodelle möglich, welche die Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie erleichtern.
Die Beteiligungsmodelle sind individuell zu konzipieren, sodass die Bedürfnisse und Zielsetzungen der Partnerinnen und Partner ideal berücksichtigt werden können. Damit einher geht, dass Wachstumsambitionen relativ problemlos zu konzipieren sind. Abgesehen von Zulassungsbeschränkungen gibt es keine Einschränkungen für Angestelltenverhältnisse bzw. für Filialgründungen.

Jüngere Ärztinnen und Ärzte erhalten durch MVZ die Möglichkeit, nach dem erfolgreichen Studium direkt an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Ein Facharzt für Allgemeinmedizin kann schnell zur ärztlichen Tätigkeit gelangen. Ältere Ärztinnen und Ärzte können hingegen praktizieren, ohne sich gleichzeitig um ihre eigene Praxis kümmern zu müssen. 

In der Regel ergibt sich eine sehr viel höhere Flexibilität bei den Öffnungszeiten, die von Patientinnen und Patienten gerne genutzt werden. Auch Wartezeiten gestalten sich häufig kürzer. 

Nicht selten finden Kooperationen mit Krankenhäusern und nicht-ärztlichen Heilberufen statt, die den allumfassenden Behandlungsvorteil für den Patienten erhöhen.
In der Regel sind Kosteneinsparungen und Synergie-Effekte feststellbar, da ein MVZ durch ein professionelles Management gesteuert wird. Von Vorteil ist auch die Möglichkeit der gegenseitigen Kompensation bei Budgetüberschreitungen sowie die Möglichkeit der Beschäftigung von überweisungsgebundenen Arztgruppen.

Diese Aspekte spielen auch im Hinblick auf die Suche nach einem Praxisnachfolger eine große Rolle. Für die abgebende Ärztin bzw. den Arzt ist die Alterssicherung durch eine sinnvolle Verwertung der Praxis möglich.

Die Nachteile des MVZ

Das MVZ bedeutet in der Regel auch eine entsprechende Praxisgröße. Dies ist durchaus ein anspruchsvolles Kriterium an das Marketing, dass dafür Sorge zu tragen hat, dass sich das Einzugsgebiet ausweiten muss, um eine ausreichende Anzahl an Patientinnen und Patienten behandeln zu können.

Die Personalstruktur und die größere Administration machen einen größeren Verwaltungsaufwand erforderlich, aber natürlich auch einen verantwortungsvollen Umgang in allen Fragen rund um die Personalführung, denn ein wichtiges Thema ist die Identifikation der angestellten Ärztinnen und Ärzte mit dem MVZ, das sich eher durch eine anonyme Praxiskultur darstellt. Dies ist eine große Aufgabe an das Management, um genau diese Anonymität zu verhindern. Ansonsten entstehen sehr schnell menschliche Konflikte und als Folge eine Personalfluktuation, die leider sehr häufig zu sehen ist. Damit wird die Anonymität auf die Patientenklientel übertragen, da eine menschliche Bindung durch bekannte Gesichter verloren geht.

Die Aufgabe muss es daher sein, einen harmonischen Konsens zwischen kaufmännischer Leitung und Praxiskultur herzustellen, der kein Widerspruch sein muss, sondern viel eher dafür Sorge trägt, das MVZ mit einem gewünschten Image zu positionieren.

Auf einen Blick

 Vorteile

 Nachteile

In der Außendarstellung steht das MVZ für sich

Praxisgröße, Erweiterung des Einzugsgebiets, um wirtschaftlich zu bleiben

Flexible Beschäftigungsmodelle z. B. durch Angestelltenverhältnisse

Höherer Verwaltungsaufwand durch größere Praxisadministration

Individuelle Beteiligungsmodelle

Zulassungsbeschränkungen

Ermöglicht Direkteinstieg in die vertragsärztliche Tätigkeit für junge Ärztinnen und Ärzte

Anspruchsvolle Personalführung (Identifikation mit MVZ sicherstellen, anonyme Praxiskultur vermeiden)

Flexibilität bei Öffnungszeiten,
in der Regel auch kürzere Wartezeiten

 

Behandlungsvorteil für Patientinnen und Patienten durch Kooperationen mit z. B. Krankenhäusern

 

Wirtschaftlich interessante Organisationsform durch mögliche Kosteneinsparungen
und Synergie-Effekte

 

Sinnvolle Verwertung der Praxis bei Praxisabgabe 

 

Fazit

Die Organisationsform des MVZ wird sich sicherlich weiter etablieren, denn die Vorteile einer viel größeren Flexibilität liegen auf der Hand. Allerdings ist sie kein Modell für die Ärztin oder den Arzt, der sich durch große Individualität auch weiterhin als Einzelkämpfer sieht und lieber in einer kleinen Einheit arbeiten möchte. Auch dieses Modell wird weiterhin funktionieren.

Das MVZ bedingt aber eine sehr unternehmerische Ausrichtung der Praxis, die sich auf eine Themenvielfalt beziehen muss, wie Marketing, Personalführung, Zielorientierung und Unternehmenskultur. Die immer wieder festgestellte Anonymität und fehlende Identifikation sind bekannte Defizite, an denen es unbedingt zu arbeiten gilt. Es geht nicht nur darum, eine wirtschaftlich interessante Organisationsform zu installieren, sondern auch eine, die für Mitarbeitende und Patientinnen und Patienten attraktive Perspektiven aufzeigt.

Uwe Zoske
Med3 Beratung für Heilberufe
Alexander-Diehl-Straße 12
55130 Mainz
06131-912 56 77
zoske@med3.net

www.med3.net

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