Gewerbesteuerliche Risiken in der Arztpraxis und wie sie vermieden werden können

Ärzte erzielen mit ihrer heilberuflichen Tätigkeit grundsätzlich freiberufliche Einkünfte, unabhängig davon, ob sie ihre Praxis alleine führen oder aber im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig sind. Der entscheidende Unterschied zu gewerblichen Einkünften besteht im Wesentlichen darin, dass freiberufliche Einkünfte nicht gewerbesteuerpflichtig sind. Möchte der Arzt Zusatzeinkünfte erzielen, z. B. durch den Verkauf von Gesundheitsprodukten, Erhöhung der Einnahmen durch angestelltes Fachpersonal oder Generieren von Synergie-Effekten durch die gemeinsame Nutzung von (teuren) medizinischen Geräten, muss er auf einige Besonderheiten achten. Ansonsten kann es bei Betriebsprüfungen zu (erheblichen) finanziellen Belastungen in Form von Gewerbesteuer-Zahlungen – auch für vergangene Jahre – kommen.

Im Folgenden werden gewerbesteuerliche Risiken im Heilberufebereich und deren Auswirkungen dargestellt sowie entsprechende Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Ausübung freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit in der Praxis

Erzielt ein Arzt in der Einzelpraxis neben seinen freiberuflichen auch gewerbliche Einkünfte sind letztere grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig.

Beispiele hierfür sind:

  •     der Verkauf von Kontaktlinsen und Pflegemitteln durch Augenärzte
  •     der Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln durch Allgemeinmediziner
  •     Einkünfte aus der Vermietung von medizinischen Geräten

Überschreitet der Gewinn daraus den Freibetrag von 24.500 € p. a. fällt hier Gewerbe­steuer an. Die anfallende Gewerbe­steuer wird – in Abhängigkeit vom Hebesatz der Gemeinde – auf die tarifliche Einkommensteuer angerechnet. Eine vollständige Anrechnung der Gewerbesteuer erfolgt jedoch in der Regel nicht. 

Nicht als gewerbliche Tätigkeit ist die Abgabe von Heil- und Hilfsmitteln anzusehen, wenn die ärztliche Heilbehandlung ohne deren Verwendung nicht möglich gewesen wäre. Die Impfung erfordert den Impfstoff, die Hüft-OP den Einsatz eines neuen Hüftgelenks. In diesen Fällen sind freiberufliche und gewerbliche Einnahmen derartig miteinander verknüpft, dass sie sich gegenseitig unauflösbar bedingen und als Einheit anzusehen sind.

Praxistipp

Vermieden werden können mögliche gewerbesteuerliche Folgen durch eine strikte organisatorische und rechtliche Trennung der freiberuflichen und gewerblichen Tätigkeitsbereiche. So kann der Verkauf von Gesundheitsprodukten auf ein separates Unternehmen ausgelagert werden, das auch durch den Ehepartner geführt werden könnte. Zu vermeiden ist in jedem Fall, dass der Arzt mit beiden Tätig­keitsbereichen als „eine Praxis“ auftritt. Berufsrechtliche Regelungen sind dabei zu beachten.

 


Abgrenzung freiberuflicher und gewerblicher Einkünfte

Die Abgrenzung von freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit beruht auf dem Gedanken, dass freiberufliche Tätigkeit durch geistige Arbeit unter Einbringung der eigenen Arbeitskraft geprägt ist. (Wohingegen gewerbliche Tätigkeit durch den Einsatz von Kapital geprägt ist.) Daraus ergeben sich vier wesentliche gewerbe­steuerpflichtige Themen in der ärztlichen Praxis:

1.    Wie wirkt sich ein Verkauf von Arznei- und Hilfsmitteln auf die Einkünfte in der Praxis aus?
2.    Trägt die Tätigkeit angestellter Ärzte oder von Ärzten auf Honorar­basis noch den „Stempel“ des Praxisinhabers?
3.    Welche Auswirkungen ergeben sich, wenn Ärzte eine gewerbliche Beteiligung (etwa Beteiligung an einer gewerblichen Labor­gemeinschaft) halten?
4.    Welche unterschiedlichen steuer­lichen Auswirkungen haben gewerbliche Tätigkeiten in der Einzelpraxis und in der BAG?

Verträge über die integrierte Versorgung

Auch bei der integrierten Versorgung nach §§ 140 SGB V, bei der zwischen Arzt und Krankenkasse Verträge über eine Vergütung von Fallpauschalen für die Patienten abgeschlossen werden, die sowohl die medizinische Betreuung als auch die Abgabe von Arzneien und Hilfsmitteln abdecken, stellt die Abgabe letzterer eine gewerbliche Tätigkeit dar. Die Fallpauschale umfasst damit sowohl Vergütungen für freiberufliche als auch für gewerbliche Tätigkeiten. 

Bei einer Einzelpraxis sind diese Einkünfte für die Besteuerung nach den entsprechenden Einkunftsarten getrennt zu erfassen (Trennungsprinzip). Sofern sich die ärztliche Tätigkeit auf eine ausschließlich medizinische Betreuung und Versorgung der Patienten beschränkt, ohne dass dabei Arzneien oder Hilfsmittel abgegeben werden bzw. die Abgabe unmittelbar mit der ärztlichen Behandlung zusammenhängt, bleibt der Arzt ausschließlich freiberuflich tätig. Zudem liegt eine rein freiberufliche Tätigkeit vor, wenn bei der ärztlichen Behandlung die Arznei oder das Heilmittel benötigt werden, z. B. Implantate, Impfstoffe, etc. Der Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen ist zu beachten.

Anstellung von Ärzten

Nach dem Einkommensteuergesetz darf sich der freiberufliche Einkünfte erzielende Arzt bei seiner Tätigkeit auch fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte z. B. Ärzte auf Angestellten- oder Honorarbasis bedienen. Voraussetzung ist dabei aber, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.

Praxisinhaber muss Anlaufstelle bleiben

Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse leitende Tätigkeit des Praxisinhabers verlangt die Beteiligung des Arztes an der in seiner Praxis erbrachten Leistungen in dem Maße, dass diese den „Stempel seiner Persönlichkeit“ tragen. Der Arzt muss die Leistungen seines Fachpersonals mit seiner Fachkompetenz begleiten, indem er diese kontrolliert und überwacht und Einfluss auf die Leistungen seiner Mitarbeiter nehmen kann; dies gilt sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Weise. Es ist daher erforderlich, dass der Arzt über Fachkenntnisse des gesamten Leistungsangebots seiner Praxis verfügt. Praxisinhaber und angestellter Arzt müssen demnach derselben Fachgruppe angehören. Inwieweit der Arzt zeit- und mengenmäßig in der Lage ist, jeden einzelnen Vorgang eigenverantwortlich zu überprüfen und ob die berufsrechtliche Grenze von drei angestellten Ärzten (bei einer Vollzulassung) auch steuerrechtlich übernommen werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen. Eine leitende Tätigkeit des Praxisinhabers erfordert u. a., dass dieser selbst die grundlegenden organisatorischen Maßnahmen festlegen und regelmäßig überwachen muss. Insgesamt muss der Praxisinhaber durch seine Patienten als der Ansprechpartner der Praxis wahrgenommen werden.

Praxistipp

U. a. müssen Kontrollen angestellter Ärzte durch den Praxisinhaber auch dokumentiert werden.

Eine Vertretung im Fall einer vorüber­gehenden Verhinderung etwa durch Krankheit oder Urlaub steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegen.

 


Wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen

Erkennt das Finanzamt das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht an, sind die von den angestellten Ärzten erzielten Einnahmen als gewerblich einzustufen und damit grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig. Aufgrund der steuerrechtlich geltenden Trennungstheorie für die Einzelpraxis und der Möglichkeit, die behandelten Patienten dem entsprechenden Leistungserbringer zuordnen zu können, werden die Einnahmen in einen gewerblichen und freiberuflichen Anteil aufgeteilt. Nur der gewerbliche Anteil unterliegt bei Überschreiten des Freibetrags von 24.500 € der Gewerbesteuer.

Tätigkeit des angestellten Arztes in der Zweigpraxis

Als problematisch vor diesem Hintergrund ist die Beschäftigung eines angestellten Arztes in einer Zweigpraxis anzusehen. Durch die Ortsverschiedenheit ist eine regelmäßige Kontroll- und Übernahmemöglichkeit durch den Praxisinhaber oft nicht möglich. Auch wenn nicht jeder Patient durch den Praxisinhaber untersucht werden muss, erfordert eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit eine Einflussnahme des Praxisinhabers auf die dort behandelten Patienten. Eine nur stichprobenartige Überwachung reicht nicht aus.

Die freiberufliche BAG und gewerbliche Tätigkeit

Schließen sich Ärzte zwecks gemeinsamer Ausübung ihrer Tätigkeit zu einer BAG (zumeist in Rechtsform einer GbR) zusammen, ist ein besonderes Augenmerk auf die von ihr ausgeübten Tätigkeiten zu werfen. Denn üben Ärzte in ihrer BAG neben freiberuflichen auch gewerbliche Tätigkeiten aus, kann die gesamte Praxistätigkeit als Gewerbebetrieb anzusehen sein, sodass Gewerbesteuer anfällt.

Im Steuerrecht gilt die sogenannte „Abfärbetheorie“. Eine auch nur geringfügige gewerbliche Betätigung der BAG – etwa durch den Verkauf/Handel mit Heilmitteln, ein „schädliches“ Angestelltenverhältnis oder eine als „gewerblich“ einzustufende integrierte Versorgung – führt zu einer sogenannten Infizierung sämtlicher – auch freiberuflicher Einkünfte – in gewerbliche Einkünfte. Die Tätigkeiten gewerblicher Art färben auf die freiberuflichen 

Tätigkeiten ab. Damit sind sämtliche Einkünfte der BAG als gewerblich anzusehen und unterliegen im vollen Umfang der Gewerbesteuer. Ein Trennungsprinzip wie bei einer Einzelpraxis gibt es für die BAG nicht. 

Auch wenn nur ein Arzt-Gesellschafter gewerbliche Einkünfte erzielt, infiziert diese Tätigkeit die übrigen Einkünfte.
Die Infizierung freiberuflicher Einkünfte tritt dann nicht ein, wenn der Anteil der gewerblichen Einkünfte insgesamt nur einen geringfügigen Umfang an den gesamten Einkünften hat. Der BFH hat zwei Grenzen festgelegt, bis zu denen es zu keiner Umqualifizierung der freiberuflichen in gewerbliche Einkünfte kommt. Folgende Bagatellgrenze darf nicht überschritten werden: 

Die jährlichen gewerblichen Netto­umsatzerlöse sind 

  • ≤ 3 % der Gesamtnettoumsätze und 
  • gewerbliche Einkünfte ≤ 24.500 € im Jahr

Praxistipp

In der Praxis ist somit bei Vorliegen auch gewerblicher Einkünfte darauf zu achten, dass beide genannten Grenzen nicht überschritten werden.

Die negativen Folgen der Abfärbung können durch die Gründung einer zweiten Gesellschaft vermieden werden, die dann die gewerblichen Tätigkeiten übernimmt. Das könnte beispielsweise eine beteiligungsidentische Schwester GbR (zu der Ärzte GbR) sein. Die Ärzte GbR erzielt freiberufliche Einkünfte, die Schwestergesellschaft erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Eine Abfärbung dieser Einkünfte durch die gewerblichen Einkünfte der (separaten) Schwestergesellschaft findet nicht statt.

 


Hinsichtlich der Voraussetzungen einer steuerlich anerkannten Arztanstellung ist bei einer fachübergreifenden BAG ausreichend, wenn zumindest ein Gesellschafter über die Fachkenntnisse des Angestelltenarztes verfügt. 

Die freiberufliche BAG mit Bezug gewerblicher Beteiligungseinkünfte

Bei einer BAG führen auch Beteiligungseinkünfte aus einer gewerblichen Beteiligung zu einer Infektion der gesamten übrigen Einkünfte, z. B. wenn eine Ärzte GbR an einer gewerblich tätigen Labor- oder Apparate-Gemeinschaft beteiligt ist. Im Unterschied zu einer Infektion durch eine gewerbliche Tätigkeit sollen diese aber nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Die Umqualifizierung der übrigen Einkünfte tritt unabhängig davon ein, in welchem Umfang gewerbliche Einkünfte bezogen werden und ob diese positiv oder negativ sind. Die Gewerblichkeit hat bei Überschreiten der für die Buchführungspflicht geltenden Grenzen zur Folge, dass die GbR von der Einnahmen-Überschussrechnung auf die Bilanzierung umstellen muss. 

Praxistipp

Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die gewerbliche Beteiligung im Sonder­bereich der Gesellschafter gehalten wird. Ggf. sprechen umsatzsteuerliche Gründe für das Halten der gewerblichen Beteiligung durch die BAG.

 


Mitunternehmerstellung der Ärzte-Gesellschafter

Grundlegende Voraussetzung dafür, dass die BAG freiberufliche Einkünfte erzielt ist, dass alle an ihr beteiligten Ärzte jeweils in ihrer Person freiberufliche Einkünfte erzielen. Das ist gegeben, wenn sie auch bei Führen einer Einzelpraxis freiberufliche Einkünfte erzielen würden. Dazu muss jeder Gesellschafter wie ein Unternehmer handeln können. Das bedeutet, dass jeder Beteiligte unternehmerische Entscheidungen treffen kann (Mitunternehmerinitiative) und am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven und Lasten der BAG einschließlich eines Firmenwerts beteiligt ist (Mitunternehmerrisiko). Beide Merkmale müssen – wenn ggf. auch in unterschied­licher Ausprägung – vorhanden sein.

Wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen

Das liegt ggf. nicht vor, wenn ein Arzt z. B. zunächst vermögenslos (Nullbeteiligung) in eine BAG eintritt, ohne auch am Verlust und den stillen Reserven der BAG beteiligt zu sein. Verneint das Finanzamt das Mitunternehmerrisiko, liegt damit eine Mitunternehmerstellung des neuen Arztes nicht vor. Tatsächlich hat dieser dann seine Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erbracht. Als „vermeintlicher Mitunternehmer“ hat der neue Arzt seine Patienten aber eigenverantwortlich behandelt. Eine persönliche Mitwirkung oder Überwachung seiner Tätigkeit durch die übrigen Gesellschafter fand nicht statt. Neben u. a. lohnsteuer- und
sozialversicherungspflichtigen Folgen kommt es hier zu gewerblichen Einkünften.

Praxistipp

Beim Eintritt eines Arztes in eine BAG ist darauf zu achten, dass der Arzt (steuerlich) als Mitunternehmer anzusehen ist.

 

Fazit

Die gewerbesteuerlichen Risiken in der Arztpraxis sind vielfältig. Bei einer Einzelpraxis kann eine Trennung von freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit vorgenommen werden. Gewerbe­steuer fällt nur bei gewerblichen Gewinnen oberhalb des Freibetrags von 24.500 € an. Gewerbesteuer­liche Risiken haben in der BAG weitreichendere Folgen. Oberhalb der Bagatellgrenze liegende gewerbliche Einkünfte führen bei ihr zur Abfärbung auf sämtliche Einkünfte. Auch unter Anrechnung von Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer wird es in der Regel zu zusätzlichen Belastungen mit Gewerbesteuer kommen. Zudem hat bei Überschreiten der Grenzen zur Buchführungspflicht ein Übergang von der Einnahmenüberschuss-Rechnung auf die Bilanzierung zu erfolgen. Dieses ist ebenfalls mit zusätzlichen Kosten verbunden.

 

Diplom-Kauffrau Andrea Schmincke
Steuerberaterin bei der CURATOR Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH 
Schlossstraße 20, 51429 Bergisch Gladbach, 02204-9508-200 
Tätigkeitsschwerpunkt der CURATOR ist die steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung von Ärzten, Zahnärzten und sonstigen Heilberuflern. www.curator.de

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