Der angestellte Arzt – eine betriebswirtschaftliche Betrachtung

Immer mehr Praxen arbeiten mit angestellten Ärzten. Der Trend ist ungebrochen, nicht nur in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) oder großen Gemeinschaftspraxen. Der folgende Beitrag zeigt die betriebswirtschaftlichen Überlegungen auf, mit denen sich im Vorfeld einer Entscheidung für oder gegen eine Anstellung beschäftigt werden sollte.

Die Ziele einer Anstellung können unterschiedlich sein, und reichen von der späteren Praxisübergabe über die Entlastung des Praxisinhabers für einen begrenzten Zeitraum bis zur Expansion. Aber: Viele Praxisinhaber arbeiten mit einem angestellten Arzt etwa drei Wochenstunden mehr als vorher. Offenbar muss der Praxisinhaber also durch Mehrarbeit die Tätigkeit seines angestellten Arztes kompensieren, eine Paradoxie!  

Das heißt aber auch, dass es Arzt­praxen gibt, bei denen ein angestellter Arzt unter dem Strich kein betriebswirtschaftlich zusätzliches Plus generiert. Um dieses Risiko im Vorfeld zu minimieren, sollte man sich also vorher mit einigen grund­legenden Fragestellungen auseinandersetzen (s. nebenstehenden Infokasten). Entscheidungen zu diesen Überlegungen sollten nie einfach aus dem Bauch heraus getroffen werden. Wir zeigen Ihnen die entscheidenden Fragestellungen auf, die beantwortet werden müssen, bevor Sie die betriebswirtschaftliche Entscheidung für oder gegen eine Anstellung treffen.

Überlegungen im Vorfeld einer Arzt-Anstellung

  • Welche (weichen) Faktoren spielen bei der erfolgreichen Anstellung eines Arztes eine Rolle?
  • Was bedeutet die Anstellung eines Arztes in der Praxis finanziell und organisatorisch?
  • Was muss bei der Planung und Steuerung von angestellten Ärzten beachtet werden? 

Praxisorganisation

Sie sollten sich noch einmal darüber klar werden, wie Ihre Praxis bisher aufgestellt ist und wie sie arbeitet:

  • Mit wie vielen Mitarbeitern arbeitet die Praxis? Welche Qualifikationen und Verantwortlichkeiten haben welche Mitarbeiter?
  • Wie ist die Praxis organisiert? Welche definierten Abläufe gibt es?
  • Wie sieht das aktuelle Leistungsspektrum aus? Gibt es Schwerpunkte oder Genehmigungen für besondere Leistungen?
  • Welches Patientenklientel betreuen Sie? Wie ist die Altersstruktur Ihrer Patienten?
  • Wie sind die räumlichen Ressourcen anhand vorhandener Praxisräume und der Praxisausstattung? 
  • Davon hängen maßgeblich Einarbeitung und Integration ins Team des neuen ärztlichen Mitarbeiters ab.
     

Finanzsituation

Ein angestellter Arzt bedeutet für die eigene Praxis erst einmal eine hohe Investition in Form von Fixkosten. Damit verbunden sind nicht nur das Gehalt des Arztes, sondern auch ggf. zusätzliches Assistenzpersonal. Auch das eigene finanzielle Haftungsrisiko sollte mit in die Erwägung fallen. 

Im Regelfall soll der angestellte Arzt zu einem finanziellen Plus der Praxis beitragen und auf organisatorischer sowie medizinischer Ebene entlasten. Ebenso kann durch den neuen Mitarbeiter das Leistungsspektrum bei zusätzlichen Qualifikationen erweitert werden.

Von daher sollten Sie sich die entscheidenden Kennzahlen anschauen. Wo steht Ihre Praxis betriebswirtschaftlich? Welche Umsätze werden aktuell erlöst? Welche Kosten kommen mit einem angestellten Arzt zusätzlich auf Sie zu? Welche zusätzlichen Erlöse müssen erzielt werden für:

  • das Gehalt des angestellten Arztes, 
  • zusätzliches Personal, 
  • zusätzliche Geräte/Räume sowie
  • einen zusätzlichen KV-Sitz und Zulassungskosten?

Auf Basis der Abrechnungs- und Kostendaten Ihrer Praxis lässt sich eine Entscheidungsgrundlage ermitteln. Einen ersten Überblick können Sie sich mit einer Gegenüberstellung für ein Quartal oder mehrere Quartale im Durchschnitt schaffen (s. Tab. 1). Der obere Teil der Tabelle zeigt die Erlössituation der Praxis im GKV-Bereich für ein abgeschlossenes Quartal. Der zweite Teil dann die Kosten, die der zusätzliche Arzt pro Quartal generieren würde. In diesem Beispiel ist gut zu sehen, dass der angestellte Arzt ca. 20 % des aktuell erwirtschafteten GKV-Umsatzes an Personalkosten (PK) im Quartal verursacht. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der angestellte Arzt also mindestens etwa 20.000 € an Umsatz generieren muss, damit er sich selbst trägt und die aktuelle Umsatzsituation der Praxis nicht belastet.

Honorar-Scheinwert

Ø Gesamthonorar Praxis berechnet

89.579,00 €

Ø Scheinwert Praxis

84,19 €

Scheinwert der Fachgruppe

58,46 €

Tab. 1: Übersicht Erlöse vs. Kosten für ein abgeschlossenes Quartal

Berechnung Personalkosten

 

%

Monat

Quartal

Mitarbeiter Brutto

 

5.300,00 €

15.900,00 €

Lohnnebenkosten

21 %

1.113,00 €

3.339,00 €

sonstige Zahlungen

 

- €

- €

Summen

 

6.413,00 €

19.239,00 €

 

Kosten und Umsätze berechnen

Wie können Sie die Kosten und Umsätze des anzustellenden Arztes berechnen und nachhalten? Dazu ist es sinnvoll sich einmal die Fallzahlen, Leistungen und den damit generierten Umsatz genauer anzuschauen und eine oder mehrere Simulationsrechnungen anzustellen. Eine transparente Darstellung der Patientenzahlen und Leistungen, sowie des Gehalts, kann Ihnen hier weiterhelfen. Mit den Ergebnissen aus der Simulationsrechnung können Sie dann aktiv steuern. 

In der Auswertung in Tabelle 2 werden die Auswirkungen von Fallzahl- und Umsatzprog­nosen sowie die Höhe möglicher Potenzialausschöpfungen berechnet. Mit solch einer Übersicht können Sie erkennen, wie sich die Honorarsituation ändert, wenn

  • Sie zum einen noch nicht ausgeschöpfte Potenziale in Ihrer Praxis heben (s. Spalte 3 Patienten mit Potenzialausschöpfung) und/oder
  • durch den angestellten Arzt zusätzliche Patienten behandelt und abgerechnet werden.

Ziel ist es, die Mindestfallzahl an behandelten Patienten in Korrelation zum Gewinn darzustellen (s. Tab 2. Spalte 2 und 3 Patienten ohne bzw. mit Potenzialausschöpfung). In unserem Fall wird mit 250 zusätzlichen Patienten bereits ein Gewinn erwirtschaftet.

Tab. 2: Simulationsrechnung mit und ohne Potenzialausschöpfung für ein abgeschlossenes Quartal

Betrachtung Praxis bisher + angestellter Arzt

Fallzahl

Patienten ohne Potenzialausschöpfung

Patienten mit Potenzialausschöpfung

 

Veränderung +/-

Veränderung +/-

aktuell

Gesamthonorar

89.579,00 €

 

Gesamthonorar

92.096,81 €

2.517,81 €

RLV-Fälle

1.064

 

RLV-Fälle

1.064

 

Scheinwert aktuell

84,19 €

 

Scheinwert erhöht

86,56 €

 
    

abzgl. PK

-16.721,19 €

Steigerung durch angestellten Arzt um

100

Gesamthonorar

97.998,08 €

8.419,08 €

Gesamthonorar

100.752,53 €

8.655,72 €

RLV-Fälle

1.164

 

RLV-Fälle

1.164

 

Scheinwert aktuell

84,19 €

 

Scheinwert erhöht

86,56 €

 
 

abzgl. PK

-10.819,92 €

 

abzgl. PK

-10.583,28 €

250

Gesamthonorar

110.626,70 €

21.047,70 €

Gesamthonorar

113.736,10 €

21.639,29 €

RLV-Fälle

1.314

 

RLV-Fälle

1.314

 

Scheinwert aktuell

84,19 €

 

Scheinwert erhöht

86,56 €

 
 

abzgl. PK

1.808,70 €

 

abzgl. PK

2.400,29 €

600

Gesamthonorar

140.093,47 €

50.514,47 €

Gesamthonorar

144.031,10 €

51.934,29 €

RLV-Fälle

1.664

 

RLV-Fälle

1.664

 

Scheinwert aktuell

84,19 €

 

Scheinwert erhöht

86,56 €

 
 

abzgl. PK

31.275,47 €

 

abzgl. PK

32.695,29 €

 

Je nach Ausgangslage können Sie auch mit einem geringeren Honorarumsatz/Fall kalkulieren, zum Beispiel bei fehlenden Qualifikationen oder wenn die Routine der Patientenversorgung noch ausgebaut werden muss (s. Tab. 3).

Tab. 3: Variable Simulation in Bezug auf Fallzahlen und Scheinwert für ein abgeschlossenes Quartal

Betrachtung nur angestellter Arzt

Patienten und Scheinwert
entsprechend der Fachgruppe

Patienten und Scheinwert
variabel einsetzbar

Gesamt­honorar

52.614,00 €

 

Gesamt­honorar

16.250,00 €

 

Ø RLV-Fälle

900

 

RLV-Fälle

250

 

Ø Scheinwert Fachgruppe

58,46 €

 

Scheinwert Fachgruppe

65,00 €

 

Honorar abzgl. PK

 

33.375,00 €

Honorar abzgl. PK

 

-2.989,00 €

 

Auch in Tabelle 4 ist sofort erkennbar, wann die „schwarze Null“ erreicht wird.

Tab. 4: Variable Simulation für ein abgeschlossenes Quartal

Patienten und Scheinwert
variabel einsetzbar

Gesamt­honorar

19.240,00 €

 

RLV-Fälle

296

 

Scheinwert Fachgruppe

65,00 €

 

Honorar abzgl. PK

 

1,00 €

 

Damit erhalten Sie die größtmögliche Sicherheit und Orientierung und die Anstellung des Arztes gerät nicht zum Blindflug. Sie können durch ein aktives Monitoring der Kennzahlen direkt steuern und die Integration des angestellten Arztes in die Praxis, das Team und die Abläufe optimal gestalten. 

Fazit

Wenn Sie die Umsatz- und Kostensituation Ihrer Praxis kennen, kann die Anstellung eines Arztes im Voraus kalkuliert werden. Mit einem kontinuierlichen Monitoring der abgerechneten Leistungen, wird sich der betriebswirtschaftliche Erfolg einstellen und der angestellte Arzt einen Mehrwert zum Praxiserfolg beitragen. Gern geben wir Ihnen weitere Informationen und stehen Ihnen beratend zur Seite.


AAC-Kalkulator „angestellter Arzt“ – eine Entscheidungshilfe

Als Unterstützung haben wir einen speziellen Kalkulator entwickelt, der auf der Basis der Abrechnungs- und Kostendaten Ihrer Praxis eine Entscheidungsgrundlage ermittelt. Er stellt die Patientenzahlen und Leistungen, sowie das Gehalt transparent dar und kann Ihnen dabei helfen eine Umsatz- und Gewinnprognose zu simulieren. Mit den daraus resultierenden Ergebnissen können Sie dann aktiv steuern. Der Kalkulator gibt Ihnen die Flexi­bilität mit verschiedenen Werten (Durchschnitt der Fachgruppe oder flexible Parameter) zu rechnen.


 

Jacqueline Bauer
Leitung Projektmanagement
AAC Praxisberatung AG
Am Treptower Park 75
12435 Berlin
030/22 44 523-0
www.aac-ag.de

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