Risikomanagement – Haben Sie einen Notfallplan, wenn Sie ausfallen?

In den letzten Monaten wurden uns allen nicht zuletzt durch das Corona-Virus neue Risiken sowie die eigene Verletzlichkeit vor Augen geführt. Die Pandemie führte in vielen Arztpraxen zu starken zusätzlichen Belastungen und neuen Anforderungen an Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeitende. Tägliche Meldungen von Krankheiten und Todesfällen erforderten die unmittelbare Auseinandersetzung mit Themen, die vielleicht bis dahin gerne verdrängt wurden. Was passiert, wenn die Praxisinhaberin oder der Praxisinhaber selbst ausfällt? Wie lange kann man durch Kollegen vertreten werden oder gar – wie lange kann man die Einzelpraxis krankheitsbedingt komplett schließen? Fragen, die einen Begriff aus der Unternehmensführung verstärkt in den Fokus gerückt haben: das Risikomanagement.

Was bedeutet Risiko­management?
Der Begriff des Risikomanagements bezeichnet die systematische Erfassung und Bewertung von Risiken für den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens (hier: bei Ausfall der Praxisinhaberin oder des Praxisinhabers für den Praxisbetrieb).

 

Zu Beginn jeder Praxisgründung wird üblicherweise über Risiken nachgedacht. Kredite sind zu beantragen, Verträge zu schließen etc. Die Verantwortung wird bewusst gemacht. Die finanzierende Bank fragt nach einer Risikolebensversicherung und Sicherheiten. Iso-Normen und Qualitätsmanagement verpflichten die Ärztin oder den Arzt sowie die Mitarbeitenden dazu, sich zumindest am Rande mit dem Umgang der Risiken zu beschäftigen.

Gerade dem Ausfallrisiko der Praxisinhaberin oder des Praxisinhabers durch Krankheit oder Unfall kommt die größte Bedeutung zu, denn auf der Arbeitskraft ruht der Praxisbetrieb, unter Umständen sogar ausschließlich die finanzielle Sicherung eines Teils oder des ganzen Familieneinkommens.

Risiken bewerten

Um einschätzen zu können, inwieweit Risiken existenzbedrohend sind oder als geringfügig belastend hinnehmbar, ist eine Bewertung erforderlich. Es sind einige Fragen hinsichtlich der Dimensionen für mögliche Maßnahmen und Strategien zu stellen (keine abschließende Aufzählung).

Zeitliche Dimension: 

Müssen für z. B. eine einwöchige Grippe Rücklagen gebildet werden? Ab wann werden Ausfälle der Inhaberin bzw. des Inhabers belastend? Ab wann müssen private Rücklagen angegriffen werden? Welche Karenzdauer sollte demzufolge die Krankentagegeld- oder Praxisausfallversicherung haben? 

Monetäre Dimension: 

Welche fixen Kosten sind bei Ausfall in der Praxis pro Monat bzw. Tag in welcher Höhe zu veranschlagen? Wie hoch ist der Anteil an notwendigen Privatausgaben? Wie hoch schätzt man den Praxiswert bei notwendigem Verkauf im Berufsunfähigkeits- bzw. Todesfall? Welche Kreditvaluta stehen dem Praxiswert gegenüber? 

Strategien und Maßnahmen

Kurzfristige Ausfallzeiten lassen sich in der Regel durch organisatorische Maßnahmen ausgleichen bzw. regeln. Eine einwöchige Krankheit kann ggf. durch eine Praxisschließung und Kollegenvertretung aufgefangen werden. Spätestens jedoch nach 14 Tagen sind gar innerbetriebliche Vertretungen kaum mehr zumutbar.

Externe Vertreter sind in einem Notfall kaum oder nur sehr schwierig rekrutierbar. Es empfiehlt sich regional, aber auch überregionale Stellen zu eruieren und Adressen zu sammeln. Die Landesärztekammern haben sich hier sehr unterschiedlich organisiert gezeigt. Nicht zuletzt zeigen sich große Personaldefizite. Glücklicherweise sind einige fitte ärztliche Rentnerinnen und Rentner interessiert, in Notfällen Ihren Kollegen auszuhelfen und als Vertretung die eigene Rente aufzubessern.

Frühzeitig richtig versichern

Bei den wichtigsten Versicherungen sind die Krankentagegeldversicherung bzw. Praxisausfallversicherung für kurz- und mittelfristige Ausfallrisiken unerlässlich. Die Höhe des zu versichernden Tagessatzes sowie die Karenz ist anhand der Risikobewertung vorzunehmen. Inzwischen hat sich strategisch die Absicherung des privaten Krankentagegelds (jenseits der GKV) für die Privatausgaben, die Praxisausfallversicherung zur Absicherung der Praxisfixkosten in der Beratung etabliert. 

Auch die Berufsunfähigkeitsrentenversicherung (BU-Rente) ist zur Deckung von Kosten bei längerfristigem Ausfall (unter Umständen bis zum Altersrentenbezug) ein wesentlicher Bestandteil zur Ergänzung einer BU-Rente der ärztlichen Versorgungswerke. Zumal auch in diesem BU-Rentenfall oder gar im Todesfall der Notverkauf der Praxis oder des Praxis­anteils meist nicht ausreicht, um Kredite rückzuführen und die Familienversorgung zu ergänzen, sofern keine oder geringe privaten Rücklagen vorhanden sind.

Die Risikolebensversicherung ist als Einmalbetrag im Todesfall zur Ablösung der Kredite und darüber hinaus zur Sicherung von Bestattungskosten, Entschuldung der Familie etc. zu kalkulieren.

Generell gilt für alle diese sogenannten Personenversicherungen: je jünger und je gesünder man ist, desto günstiger der Vertrag.

Leider bietet sich diese Form der Risikostrategie für stärker Vorerkrankte nicht. Diese Personen sind gezwungen, alle – wenn auch zum Teil weniger geeignete gesetzliche Programme zu nutzen und/oder vermehrte Rücklagenbildung zu betreiben.

Wer regelt was? 

Insbesondere bei den existenziellen persönlichen Risiken wie Berufsunfähigkeit oder Tod sind Sie auf Unterstützung angewiesen. Vollmachten an Vertrauenspersonen für Praxisbelange wie Konten, Abrechnung, Versicherungsanfragen, allgemeine Praxisvertragsangelegenheiten (Personal, Miete etc.) sind unerlässlich. Die Frage, wo liegt was und wen kann die Vertrauensperson ansprechen, sollte unmittelbar nach Eintritt des Notfalls beantwortet werden können. Die sofortige Notvertretung sollte geregelt werden. Die Feststellung des Praxiswerts bzw. den möglichen Praxisverkauf sollte kein Familienangehöriger oder unerfahrener vom Amtsgericht bestellter Vormund (bei minderjährigen Erben) treffen. Hier sind erfahrene Praxisberaterinnen und -berater sowie Medizinanwältinnen und -anwälte zu beauftragen, um den Praxiswert zu sichern.

Fazit
Wenn Sie Ihr Risikomanagement wie beschrieben proaktiv aufstellen, erfordert dies unbedingt eine regelmäßige Überprüfung der Risiken, der Bewertungen und der Maßnahmen. Der stetige Wandel und die notwendige Reaktion auf Veränderungen in Umwelt, Technik, behördlichen Auflagen etc. führt dies derzeit nur allzu deutlich vor Augen. Nicht zuletzt die sich rasant weiterentwickelnden Versicherungsprodukte sollten nicht unkritisch Jahre und Jahrzehnte bedient werden. Auch dort haben sich die Leistungen den geänderten Rahmenbedingungen nicht nur zum Kundennachteil bzw. durch gestiegene Beiträge angepasst. 

Wolfgang Effertz
Finanz- und Unternehmensberater Ärzte und Zahnärzte 
med3 Beratung für Heilberufe
Alexander-Diehl-Straße 12
55130 Mainz
06131 912 56 77 
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